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Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

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die politische Schriftstellerei Bamberger's wieder in Fluß. 1860 begründete
er mit Ludwig Walesrode und H. B. Oppenheim die "Demokratischen Studien",
in deren zweiten Band er namentlich die Geschichte der Französelei am Rhein
schrieb. Ueberhaupt zeigen diese Arbeiten Bamberger's die schrittweise Erstar¬
kung der nationalen Erkenntniß im Gegensatz zu den revolutionären Traditio¬
nen und demokratischen Velleitäten seiner Vergangenheit. Als die "Demokra¬
tischen Studien" untergingen, gründete H. B. Oppenheim die "Deutschen
Jahrbücher", an denen Bamberger fleißig mitarbeitete, und für welche er na¬
mentlich in das erste Heft von 1862 einen Artikel über die Gold- und Silber¬
frage schrieb, in welchem er damals schon für die Einführung der Goldwäh¬
rung eintrat.

Bereits vor Ausbruch der großen Krise von 1866 hatte Bamberger den
Entschluß gefaßt, mit dem 1. Januar 1867 sich vom Geschäft zurückzu¬
ziehen. Die Ereignisse kamen daher auch seinen persönlichen Wünschen wie
gerufen entgegen. Sobald der Krieg sich nicht mehr vermeiden ließ, war ihm
kein Zaudern denkbar, daß man zu Preußen stehen müsse. Sofort nach den
Präliminarien von Nicolsburg trat er in der Presse gegen das großdeutsche
Demokratenthum auf, welches seine Augen gegen den Weg der Geschichte ver¬
schloß. Er that es hauptsächlich, um in seiner engern Heimath den alten
Preußenhaß bekämpfen zu helfen. "Wenn ich mir etwas zum Verdienste an¬
rechnen darf", schreibt er, "ist es, durch meine alte und nie ganz vergessene
Popularität und die sachverständige Behandlung der mittelrheinischen Bevöl¬
kerung einen Theil dieses Gebietes davor bewahrt zu haben, daß er die Beute
des württembergischen Beobachters wurde und dadurch den Pfaffen in die
Hände arbeitet. Es wird mir aber auch in beiden orthodoxen Kirchen nie
verziehen, daß ich meinen demokratischen Credit dazu gebrauchte, das große
Werk deutscher Nation zu fördern, statt mich im Eichhornskäfig der abgestan¬
denen Phraseologie herumzudrehen. Julius Frese, "die Geisel der Apostaten",
wie Carl Mayer ihn nannte, hat viele blutige Thränen auf mein abtrün¬
niges Haupt geweint."

Seine alte Heimath gab ihm bald den Beweis, daß sie mit dem Sinne
seines Wirkens von Herzen einverstanden sei. Trotz aller Wahlkünste der
Ultramontanen und Dalwigkianer, und obwohl die Herren Bebel und Lieb¬
knecht im hessischen Land auf und ab reisten und redeten für die rothen Kan¬
didaten der schwarzen Internationale und des Herrn von Dalwigk gegen die
bösen nationalen, wurde Bamberger im Frühjahr 1868 zum Zollparlament
gewählt. Je Siebenundneunzig unter Hundert Wahlberechtigten stimmten in
den ländlichen Ortschaften um Mainz am Wahltag ab, und gaben den Aus¬
schlag für Bamberger. Sein öffentliches Wirken im Zollparlament, sowie im
deutschen Reichstag seit 1871 darf im wesentlichen als bekannt gelten. Wir


die politische Schriftstellerei Bamberger's wieder in Fluß. 1860 begründete
er mit Ludwig Walesrode und H. B. Oppenheim die „Demokratischen Studien",
in deren zweiten Band er namentlich die Geschichte der Französelei am Rhein
schrieb. Ueberhaupt zeigen diese Arbeiten Bamberger's die schrittweise Erstar¬
kung der nationalen Erkenntniß im Gegensatz zu den revolutionären Traditio¬
nen und demokratischen Velleitäten seiner Vergangenheit. Als die „Demokra¬
tischen Studien" untergingen, gründete H. B. Oppenheim die „Deutschen
Jahrbücher", an denen Bamberger fleißig mitarbeitete, und für welche er na¬
mentlich in das erste Heft von 1862 einen Artikel über die Gold- und Silber¬
frage schrieb, in welchem er damals schon für die Einführung der Goldwäh¬
rung eintrat.

Bereits vor Ausbruch der großen Krise von 1866 hatte Bamberger den
Entschluß gefaßt, mit dem 1. Januar 1867 sich vom Geschäft zurückzu¬
ziehen. Die Ereignisse kamen daher auch seinen persönlichen Wünschen wie
gerufen entgegen. Sobald der Krieg sich nicht mehr vermeiden ließ, war ihm
kein Zaudern denkbar, daß man zu Preußen stehen müsse. Sofort nach den
Präliminarien von Nicolsburg trat er in der Presse gegen das großdeutsche
Demokratenthum auf, welches seine Augen gegen den Weg der Geschichte ver¬
schloß. Er that es hauptsächlich, um in seiner engern Heimath den alten
Preußenhaß bekämpfen zu helfen. „Wenn ich mir etwas zum Verdienste an¬
rechnen darf", schreibt er, „ist es, durch meine alte und nie ganz vergessene
Popularität und die sachverständige Behandlung der mittelrheinischen Bevöl¬
kerung einen Theil dieses Gebietes davor bewahrt zu haben, daß er die Beute
des württembergischen Beobachters wurde und dadurch den Pfaffen in die
Hände arbeitet. Es wird mir aber auch in beiden orthodoxen Kirchen nie
verziehen, daß ich meinen demokratischen Credit dazu gebrauchte, das große
Werk deutscher Nation zu fördern, statt mich im Eichhornskäfig der abgestan¬
denen Phraseologie herumzudrehen. Julius Frese, „die Geisel der Apostaten",
wie Carl Mayer ihn nannte, hat viele blutige Thränen auf mein abtrün¬
niges Haupt geweint."

Seine alte Heimath gab ihm bald den Beweis, daß sie mit dem Sinne
seines Wirkens von Herzen einverstanden sei. Trotz aller Wahlkünste der
Ultramontanen und Dalwigkianer, und obwohl die Herren Bebel und Lieb¬
knecht im hessischen Land auf und ab reisten und redeten für die rothen Kan¬
didaten der schwarzen Internationale und des Herrn von Dalwigk gegen die
bösen nationalen, wurde Bamberger im Frühjahr 1868 zum Zollparlament
gewählt. Je Siebenundneunzig unter Hundert Wahlberechtigten stimmten in
den ländlichen Ortschaften um Mainz am Wahltag ab, und gaben den Aus¬
schlag für Bamberger. Sein öffentliches Wirken im Zollparlament, sowie im
deutschen Reichstag seit 1871 darf im wesentlichen als bekannt gelten. Wir


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[0103] die politische Schriftstellerei Bamberger's wieder in Fluß. 1860 begründete er mit Ludwig Walesrode und H. B. Oppenheim die „Demokratischen Studien", in deren zweiten Band er namentlich die Geschichte der Französelei am Rhein schrieb. Ueberhaupt zeigen diese Arbeiten Bamberger's die schrittweise Erstar¬ kung der nationalen Erkenntniß im Gegensatz zu den revolutionären Traditio¬ nen und demokratischen Velleitäten seiner Vergangenheit. Als die „Demokra¬ tischen Studien" untergingen, gründete H. B. Oppenheim die „Deutschen Jahrbücher", an denen Bamberger fleißig mitarbeitete, und für welche er na¬ mentlich in das erste Heft von 1862 einen Artikel über die Gold- und Silber¬ frage schrieb, in welchem er damals schon für die Einführung der Goldwäh¬ rung eintrat. Bereits vor Ausbruch der großen Krise von 1866 hatte Bamberger den Entschluß gefaßt, mit dem 1. Januar 1867 sich vom Geschäft zurückzu¬ ziehen. Die Ereignisse kamen daher auch seinen persönlichen Wünschen wie gerufen entgegen. Sobald der Krieg sich nicht mehr vermeiden ließ, war ihm kein Zaudern denkbar, daß man zu Preußen stehen müsse. Sofort nach den Präliminarien von Nicolsburg trat er in der Presse gegen das großdeutsche Demokratenthum auf, welches seine Augen gegen den Weg der Geschichte ver¬ schloß. Er that es hauptsächlich, um in seiner engern Heimath den alten Preußenhaß bekämpfen zu helfen. „Wenn ich mir etwas zum Verdienste an¬ rechnen darf", schreibt er, „ist es, durch meine alte und nie ganz vergessene Popularität und die sachverständige Behandlung der mittelrheinischen Bevöl¬ kerung einen Theil dieses Gebietes davor bewahrt zu haben, daß er die Beute des württembergischen Beobachters wurde und dadurch den Pfaffen in die Hände arbeitet. Es wird mir aber auch in beiden orthodoxen Kirchen nie verziehen, daß ich meinen demokratischen Credit dazu gebrauchte, das große Werk deutscher Nation zu fördern, statt mich im Eichhornskäfig der abgestan¬ denen Phraseologie herumzudrehen. Julius Frese, „die Geisel der Apostaten", wie Carl Mayer ihn nannte, hat viele blutige Thränen auf mein abtrün¬ niges Haupt geweint." Seine alte Heimath gab ihm bald den Beweis, daß sie mit dem Sinne seines Wirkens von Herzen einverstanden sei. Trotz aller Wahlkünste der Ultramontanen und Dalwigkianer, und obwohl die Herren Bebel und Lieb¬ knecht im hessischen Land auf und ab reisten und redeten für die rothen Kan¬ didaten der schwarzen Internationale und des Herrn von Dalwigk gegen die bösen nationalen, wurde Bamberger im Frühjahr 1868 zum Zollparlament gewählt. Je Siebenundneunzig unter Hundert Wahlberechtigten stimmten in den ländlichen Ortschaften um Mainz am Wahltag ab, und gaben den Aus¬ schlag für Bamberger. Sein öffentliches Wirken im Zollparlament, sowie im deutschen Reichstag seit 1871 darf im wesentlichen als bekannt gelten. Wir

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/103>, abgerufen am 24.08.2024.