Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

deutenderes Wissen gesammelt wird, als in dem Gehirn eines Gelehrten.
Handwerker gibt es in den vier Facultäten auch genug."

Bamberger blieb bis 18S0 in London und siedelte dann nach Antwerpen
über, wo er seine Lehrzeit fortsetzte und nach einem Jahre beendet hatte.
Ende des Sommers 1861 begab er sich nach Amsterdam, um sich mit der
Sprache und den Hindelsgebräuchen Hollands bekannt zu machen, und im
Herbst desselben Jahres etablirte er sich selbstständig unter seiner eigenen Firma
in Rotterdam. Dieses Geschäft betrieb er zwei Jahre lang, bis im October
1853 ihm Gelegenheit geboten wurde, in das Pariser Haus seiner Verwand¬
ten einzutreten. Seine Kenntniß des französischen Rechts und der französi¬
schen Sprache machten es ihm leicht, sich in die neuen Verhältnisse zu finden,
und so hat er denn vierzehn Jahre lang das Geschäft theils allein, theils in
Gesellschaft mit Andern geleitet. "Die Schilderung dieser vierzehn Jahre"
-- schreibt er uns -- würde einen Band Memoiren machen. Auf der einen
Seite in einem großen Weltgeschäft, das an allen großen Finanz- und In¬
dustrieunternehmen betheiligt war, auf der andern in der literarisch-politischen
Welt beider Nationen verkehrend, die Studien im französischen Recht prak¬
tisch und theoretisch fortsetzend, hatte ich natürlich Gelegenheit genug, Men-
sehen und Dinge kennen zu lernen. Der Geschmack an den guten Seiten des
französischen Wesens im Leben und Schreiben ward ausgebildet und Quelle
vielfachen Genusses. Ich bekenne das noch heute immer gern und verdanke
diesem Sinn wohl die Entwickelung eigener Formfähigkeit." Seine Haupt¬
thätigkeit als Kaufmann widmete er Eisenbahn-, Hütten- und Bergwerks-
Unternehmen in Spanien, Italien und am Niederrhein.

Die Hoffnung der Rückkehr nach Deutschland aber und in dessen politi-
sches Leben ist nie in ihm untergegangen, obwohl er nun in der Fremde
Alles gefunden hatte, was einem strebenden Manne begehrenswerth sein kann:
eine glückliche Ehe, Reichthum und regen geistigen Verkehr mit bedeutenden
Männern Deutschlands und Frankreichs. Die erste politische Handlung, mit
welcher er wieder das alte Band zum Vaterlande direct anknüpfte, war seine
berühmte anonyme Broschüre "Juchhe nach Italien!" welche bei Beginn des
französisch-italienischen Krieges gegen Oesterreich die lieben Landsleute davor
warnte, dem Schmerzensrufe der Großdeutschen Glauben zu schenken, daß die
Grenzen Deutschlands am Mincio bedroht seien und vertheidigt werden müß-
ten. Mit richtigem Blick weissagte die Broschüre, daß aus Italiens Befrei¬
ung auch die deutsche Nationalität erstehen werde. Daran knüpfte sich ein
offener Brief an Julius Fröbel. der sonderbarer -- seiner Entwickelung jedoch
entsprechender Weise*), Partei für Oesterreich ergriffen hatte. Seitdem kam


-) Berge, den Artikel "Jul> Fröbel" von Konstantin Rössler, Grenzb. IV. Quartal 1871.

deutenderes Wissen gesammelt wird, als in dem Gehirn eines Gelehrten.
Handwerker gibt es in den vier Facultäten auch genug."

Bamberger blieb bis 18S0 in London und siedelte dann nach Antwerpen
über, wo er seine Lehrzeit fortsetzte und nach einem Jahre beendet hatte.
Ende des Sommers 1861 begab er sich nach Amsterdam, um sich mit der
Sprache und den Hindelsgebräuchen Hollands bekannt zu machen, und im
Herbst desselben Jahres etablirte er sich selbstständig unter seiner eigenen Firma
in Rotterdam. Dieses Geschäft betrieb er zwei Jahre lang, bis im October
1853 ihm Gelegenheit geboten wurde, in das Pariser Haus seiner Verwand¬
ten einzutreten. Seine Kenntniß des französischen Rechts und der französi¬
schen Sprache machten es ihm leicht, sich in die neuen Verhältnisse zu finden,
und so hat er denn vierzehn Jahre lang das Geschäft theils allein, theils in
Gesellschaft mit Andern geleitet. „Die Schilderung dieser vierzehn Jahre"
— schreibt er uns — würde einen Band Memoiren machen. Auf der einen
Seite in einem großen Weltgeschäft, das an allen großen Finanz- und In¬
dustrieunternehmen betheiligt war, auf der andern in der literarisch-politischen
Welt beider Nationen verkehrend, die Studien im französischen Recht prak¬
tisch und theoretisch fortsetzend, hatte ich natürlich Gelegenheit genug, Men-
sehen und Dinge kennen zu lernen. Der Geschmack an den guten Seiten des
französischen Wesens im Leben und Schreiben ward ausgebildet und Quelle
vielfachen Genusses. Ich bekenne das noch heute immer gern und verdanke
diesem Sinn wohl die Entwickelung eigener Formfähigkeit." Seine Haupt¬
thätigkeit als Kaufmann widmete er Eisenbahn-, Hütten- und Bergwerks-
Unternehmen in Spanien, Italien und am Niederrhein.

Die Hoffnung der Rückkehr nach Deutschland aber und in dessen politi-
sches Leben ist nie in ihm untergegangen, obwohl er nun in der Fremde
Alles gefunden hatte, was einem strebenden Manne begehrenswerth sein kann:
eine glückliche Ehe, Reichthum und regen geistigen Verkehr mit bedeutenden
Männern Deutschlands und Frankreichs. Die erste politische Handlung, mit
welcher er wieder das alte Band zum Vaterlande direct anknüpfte, war seine
berühmte anonyme Broschüre „Juchhe nach Italien!" welche bei Beginn des
französisch-italienischen Krieges gegen Oesterreich die lieben Landsleute davor
warnte, dem Schmerzensrufe der Großdeutschen Glauben zu schenken, daß die
Grenzen Deutschlands am Mincio bedroht seien und vertheidigt werden müß-
ten. Mit richtigem Blick weissagte die Broschüre, daß aus Italiens Befrei¬
ung auch die deutsche Nationalität erstehen werde. Daran knüpfte sich ein
offener Brief an Julius Fröbel. der sonderbarer — seiner Entwickelung jedoch
entsprechender Weise*), Partei für Oesterreich ergriffen hatte. Seitdem kam


-) Berge, den Artikel „Jul> Fröbel" von Konstantin Rössler, Grenzb. IV. Quartal 1871.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0102" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/127498"/>
          <p xml:id="ID_322" prev="#ID_321"> deutenderes Wissen gesammelt wird, als in dem Gehirn eines Gelehrten.<lb/>
Handwerker gibt es in den vier Facultäten auch genug."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_323"> Bamberger blieb bis 18S0 in London und siedelte dann nach Antwerpen<lb/>
über, wo er seine Lehrzeit fortsetzte und nach einem Jahre beendet hatte.<lb/>
Ende des Sommers 1861 begab er sich nach Amsterdam, um sich mit der<lb/>
Sprache und den Hindelsgebräuchen Hollands bekannt zu machen, und im<lb/>
Herbst desselben Jahres etablirte er sich selbstständig unter seiner eigenen Firma<lb/>
in Rotterdam. Dieses Geschäft betrieb er zwei Jahre lang, bis im October<lb/>
1853 ihm Gelegenheit geboten wurde, in das Pariser Haus seiner Verwand¬<lb/>
ten einzutreten. Seine Kenntniß des französischen Rechts und der französi¬<lb/>
schen Sprache machten es ihm leicht, sich in die neuen Verhältnisse zu finden,<lb/>
und so hat er denn vierzehn Jahre lang das Geschäft theils allein, theils in<lb/>
Gesellschaft mit Andern geleitet. &#x201E;Die Schilderung dieser vierzehn Jahre"<lb/>
&#x2014; schreibt er uns &#x2014; würde einen Band Memoiren machen. Auf der einen<lb/>
Seite in einem großen Weltgeschäft, das an allen großen Finanz- und In¬<lb/>
dustrieunternehmen betheiligt war, auf der andern in der literarisch-politischen<lb/>
Welt beider Nationen verkehrend, die Studien im französischen Recht prak¬<lb/>
tisch und theoretisch fortsetzend, hatte ich natürlich Gelegenheit genug, Men-<lb/>
sehen und Dinge kennen zu lernen. Der Geschmack an den guten Seiten des<lb/>
französischen Wesens im Leben und Schreiben ward ausgebildet und Quelle<lb/>
vielfachen Genusses. Ich bekenne das noch heute immer gern und verdanke<lb/>
diesem Sinn wohl die Entwickelung eigener Formfähigkeit." Seine Haupt¬<lb/>
thätigkeit als Kaufmann widmete er Eisenbahn-, Hütten- und Bergwerks-<lb/>
Unternehmen in Spanien, Italien und am Niederrhein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_324" next="#ID_325"> Die Hoffnung der Rückkehr nach Deutschland aber und in dessen politi-<lb/>
sches Leben ist nie in ihm untergegangen, obwohl er nun in der Fremde<lb/>
Alles gefunden hatte, was einem strebenden Manne begehrenswerth sein kann:<lb/>
eine glückliche Ehe, Reichthum und regen geistigen Verkehr mit bedeutenden<lb/>
Männern Deutschlands und Frankreichs. Die erste politische Handlung, mit<lb/>
welcher er wieder das alte Band zum Vaterlande direct anknüpfte, war seine<lb/>
berühmte anonyme Broschüre &#x201E;Juchhe nach Italien!" welche bei Beginn des<lb/>
französisch-italienischen Krieges gegen Oesterreich die lieben Landsleute davor<lb/>
warnte, dem Schmerzensrufe der Großdeutschen Glauben zu schenken, daß die<lb/>
Grenzen Deutschlands am Mincio bedroht seien und vertheidigt werden müß-<lb/>
ten. Mit richtigem Blick weissagte die Broschüre, daß aus Italiens Befrei¬<lb/>
ung auch die deutsche Nationalität erstehen werde. Daran knüpfte sich ein<lb/>
offener Brief an Julius Fröbel. der sonderbarer &#x2014; seiner Entwickelung jedoch<lb/>
entsprechender Weise*), Partei für Oesterreich ergriffen hatte.  Seitdem kam</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> -) Berge, den Artikel &#x201E;Jul&gt; Fröbel" von Konstantin Rössler, Grenzb. IV. Quartal 1871.</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0102] deutenderes Wissen gesammelt wird, als in dem Gehirn eines Gelehrten. Handwerker gibt es in den vier Facultäten auch genug." Bamberger blieb bis 18S0 in London und siedelte dann nach Antwerpen über, wo er seine Lehrzeit fortsetzte und nach einem Jahre beendet hatte. Ende des Sommers 1861 begab er sich nach Amsterdam, um sich mit der Sprache und den Hindelsgebräuchen Hollands bekannt zu machen, und im Herbst desselben Jahres etablirte er sich selbstständig unter seiner eigenen Firma in Rotterdam. Dieses Geschäft betrieb er zwei Jahre lang, bis im October 1853 ihm Gelegenheit geboten wurde, in das Pariser Haus seiner Verwand¬ ten einzutreten. Seine Kenntniß des französischen Rechts und der französi¬ schen Sprache machten es ihm leicht, sich in die neuen Verhältnisse zu finden, und so hat er denn vierzehn Jahre lang das Geschäft theils allein, theils in Gesellschaft mit Andern geleitet. „Die Schilderung dieser vierzehn Jahre" — schreibt er uns — würde einen Band Memoiren machen. Auf der einen Seite in einem großen Weltgeschäft, das an allen großen Finanz- und In¬ dustrieunternehmen betheiligt war, auf der andern in der literarisch-politischen Welt beider Nationen verkehrend, die Studien im französischen Recht prak¬ tisch und theoretisch fortsetzend, hatte ich natürlich Gelegenheit genug, Men- sehen und Dinge kennen zu lernen. Der Geschmack an den guten Seiten des französischen Wesens im Leben und Schreiben ward ausgebildet und Quelle vielfachen Genusses. Ich bekenne das noch heute immer gern und verdanke diesem Sinn wohl die Entwickelung eigener Formfähigkeit." Seine Haupt¬ thätigkeit als Kaufmann widmete er Eisenbahn-, Hütten- und Bergwerks- Unternehmen in Spanien, Italien und am Niederrhein. Die Hoffnung der Rückkehr nach Deutschland aber und in dessen politi- sches Leben ist nie in ihm untergegangen, obwohl er nun in der Fremde Alles gefunden hatte, was einem strebenden Manne begehrenswerth sein kann: eine glückliche Ehe, Reichthum und regen geistigen Verkehr mit bedeutenden Männern Deutschlands und Frankreichs. Die erste politische Handlung, mit welcher er wieder das alte Band zum Vaterlande direct anknüpfte, war seine berühmte anonyme Broschüre „Juchhe nach Italien!" welche bei Beginn des französisch-italienischen Krieges gegen Oesterreich die lieben Landsleute davor warnte, dem Schmerzensrufe der Großdeutschen Glauben zu schenken, daß die Grenzen Deutschlands am Mincio bedroht seien und vertheidigt werden müß- ten. Mit richtigem Blick weissagte die Broschüre, daß aus Italiens Befrei¬ ung auch die deutsche Nationalität erstehen werde. Daran knüpfte sich ein offener Brief an Julius Fröbel. der sonderbarer — seiner Entwickelung jedoch entsprechender Weise*), Partei für Oesterreich ergriffen hatte. Seitdem kam -) Berge, den Artikel „Jul> Fröbel" von Konstantin Rössler, Grenzb. IV. Quartal 1871.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/102
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 31, 1872, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341815_127395/102>, abgerufen am 22.12.2024.