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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.

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Ihre Mirsll'lebe Gnaden auf Universitäten.
Von Arnold Wettiner.

So lang es deutsche Universitäten gibt, ist gute deutsche Sitte, daß un¬
sere Fürsten ihre Söhne auf die hohen Schulen senden, um zugleich mit den
Söhnen der Unterthanen brüderlich aus dem Meisheitsquell der irlma, mater
zu trinken. So zogen schon vor der Reformation die jungen Fürstensöhne
nach Beendigung ihres häuslichen Unterrichts unter der Aufsicht eines Hof¬
meisters und in Gesellschaft ihrer früheren Gespielen, die zugleich Pagen¬
dienste versahen, nach Leipzig oder Helmstädt, Tübingen oder Heidelberg --
und dann noch ein Paar Jahre in froher Jugend- und Wanderlust durch
die schöne, lustige, weite Welt, von einem befreundeten Fürstenhöfe zum an¬
dern --, oft bis nach Italien, Frankreich und durch die Niederlande nach
England. So lernten sie die Welt und das Leben kennen und knüpften neue
freundliche und nützliche Bande mit anderen Fürsten.

Auch Pommerns Fürstensöhne folgten gern dieser Sitte und dem
Zuge ihrer jungen, lebenslustigen Herzen. Schon im Anfange der Refor¬
mation studirte seine Fürstliche Gnaden Barnim IX., Sohn des großen Bo-
gislav X. von Pommern, zu Wittenberg und begleitete als jugendlicher Rector
der Universität seinen theuren Lehrer Luther zur Disputation mit Eck nach
Leipzig. Bogislav's Enkel, Herzog Philipp von Vorpommern-Wolgast und
Rügen, verlebte seine Jugend an dem Hofe seines Oheims, des Pfalzgrafen
Ludwig, und auf der ehrwürdigen Universität Heidelberg -- der Nuperta,
nach dem Pfalzgrafen Ruprecht I. so genannt, der diese Hochschule 1346 stif¬
tete. Von Jugend auf in Luther's Lehre erzogen, stand der junge Philipp
im Jahre 1636 vor dem Reformator in der Schloßkirche zu Wittenberg --
neben ihm die bräutlich schöne Maria, Tochter des Kurfürsten Johann
Friedrich von Sachsen -- und Luther segnete diesen Bund für's Leben ein.

Treu hielt Philipp stets zur Lehre seines Luther. Als re/, aber Her¬
zog nahm er die Schmalkaldischen Artikel ohne Zaudern für fein Ländchen an.

Auch Melanchthon war dem pommerschen Fürstensöhne bei Gelegenheit
des Beilagers in Wittenberg nahe getreten. Für's ganze Leben blieben sie


Grenzboten II. 1871. 71
Ihre Mirsll'lebe Gnaden auf Universitäten.
Von Arnold Wettiner.

So lang es deutsche Universitäten gibt, ist gute deutsche Sitte, daß un¬
sere Fürsten ihre Söhne auf die hohen Schulen senden, um zugleich mit den
Söhnen der Unterthanen brüderlich aus dem Meisheitsquell der irlma, mater
zu trinken. So zogen schon vor der Reformation die jungen Fürstensöhne
nach Beendigung ihres häuslichen Unterrichts unter der Aufsicht eines Hof¬
meisters und in Gesellschaft ihrer früheren Gespielen, die zugleich Pagen¬
dienste versahen, nach Leipzig oder Helmstädt, Tübingen oder Heidelberg —
und dann noch ein Paar Jahre in froher Jugend- und Wanderlust durch
die schöne, lustige, weite Welt, von einem befreundeten Fürstenhöfe zum an¬
dern —, oft bis nach Italien, Frankreich und durch die Niederlande nach
England. So lernten sie die Welt und das Leben kennen und knüpften neue
freundliche und nützliche Bande mit anderen Fürsten.

Auch Pommerns Fürstensöhne folgten gern dieser Sitte und dem
Zuge ihrer jungen, lebenslustigen Herzen. Schon im Anfange der Refor¬
mation studirte seine Fürstliche Gnaden Barnim IX., Sohn des großen Bo-
gislav X. von Pommern, zu Wittenberg und begleitete als jugendlicher Rector
der Universität seinen theuren Lehrer Luther zur Disputation mit Eck nach
Leipzig. Bogislav's Enkel, Herzog Philipp von Vorpommern-Wolgast und
Rügen, verlebte seine Jugend an dem Hofe seines Oheims, des Pfalzgrafen
Ludwig, und auf der ehrwürdigen Universität Heidelberg — der Nuperta,
nach dem Pfalzgrafen Ruprecht I. so genannt, der diese Hochschule 1346 stif¬
tete. Von Jugend auf in Luther's Lehre erzogen, stand der junge Philipp
im Jahre 1636 vor dem Reformator in der Schloßkirche zu Wittenberg —
neben ihm die bräutlich schöne Maria, Tochter des Kurfürsten Johann
Friedrich von Sachsen — und Luther segnete diesen Bund für's Leben ein.

Treu hielt Philipp stets zur Lehre seines Luther. Als re/, aber Her¬
zog nahm er die Schmalkaldischen Artikel ohne Zaudern für fein Ländchen an.

Auch Melanchthon war dem pommerschen Fürstensöhne bei Gelegenheit
des Beilagers in Wittenberg nahe getreten. Für's ganze Leben blieben sie


Grenzboten II. 1871. 71
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[0009] Ihre Mirsll'lebe Gnaden auf Universitäten. Von Arnold Wettiner. So lang es deutsche Universitäten gibt, ist gute deutsche Sitte, daß un¬ sere Fürsten ihre Söhne auf die hohen Schulen senden, um zugleich mit den Söhnen der Unterthanen brüderlich aus dem Meisheitsquell der irlma, mater zu trinken. So zogen schon vor der Reformation die jungen Fürstensöhne nach Beendigung ihres häuslichen Unterrichts unter der Aufsicht eines Hof¬ meisters und in Gesellschaft ihrer früheren Gespielen, die zugleich Pagen¬ dienste versahen, nach Leipzig oder Helmstädt, Tübingen oder Heidelberg — und dann noch ein Paar Jahre in froher Jugend- und Wanderlust durch die schöne, lustige, weite Welt, von einem befreundeten Fürstenhöfe zum an¬ dern —, oft bis nach Italien, Frankreich und durch die Niederlande nach England. So lernten sie die Welt und das Leben kennen und knüpften neue freundliche und nützliche Bande mit anderen Fürsten. Auch Pommerns Fürstensöhne folgten gern dieser Sitte und dem Zuge ihrer jungen, lebenslustigen Herzen. Schon im Anfange der Refor¬ mation studirte seine Fürstliche Gnaden Barnim IX., Sohn des großen Bo- gislav X. von Pommern, zu Wittenberg und begleitete als jugendlicher Rector der Universität seinen theuren Lehrer Luther zur Disputation mit Eck nach Leipzig. Bogislav's Enkel, Herzog Philipp von Vorpommern-Wolgast und Rügen, verlebte seine Jugend an dem Hofe seines Oheims, des Pfalzgrafen Ludwig, und auf der ehrwürdigen Universität Heidelberg — der Nuperta, nach dem Pfalzgrafen Ruprecht I. so genannt, der diese Hochschule 1346 stif¬ tete. Von Jugend auf in Luther's Lehre erzogen, stand der junge Philipp im Jahre 1636 vor dem Reformator in der Schloßkirche zu Wittenberg — neben ihm die bräutlich schöne Maria, Tochter des Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen — und Luther segnete diesen Bund für's Leben ein. Treu hielt Philipp stets zur Lehre seines Luther. Als re/, aber Her¬ zog nahm er die Schmalkaldischen Artikel ohne Zaudern für fein Ländchen an. Auch Melanchthon war dem pommerschen Fürstensöhne bei Gelegenheit des Beilagers in Wittenberg nahe getreten. Für's ganze Leben blieben sie Grenzboten II. 1871. 71

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299/9>, abgerufen am 05.02.2025.