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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.

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Reformen enthält er nur in dem Punkte der akademischen Gerichtsbarkeit.
Gutachten der Landesuniversitäten sind eingefordert über den Entwurf; sie
sind aber nicht veröffentlicht worden und nur über die Frage der Zulassung
von Nealschulabiturienten zu den Facultätsstudien sind die eingeholtem Vota
dem größeren Publicum zugänglich gemacht. Soviel wir wissen, hat keine
der Universitäten einschneidende Aenderungen gefordert. Da es sich nun jetzt
um die Neugründung und Organisation einer deutschen Hochschule handelt,
der wir alle das beste Gedeihen aus patriotisch bewegtem Herzen wünschen,
so möchten wir ein paar einzelne Punkte hier besprechen, deren Berücksichti¬
gung bei der Neuschöpfung wir für wünschenswert!) ansehen.

1) Man war früher auf den Universitäten der Ansicht, daß die Cura-
toren nicht zum Gedeihen der Universitäten dienten; ja nicht allein sür über¬
flüssig oder unnütz, sondern meistens sür schädlich wurden sie gehalten. Auch
jene Reformconferenz von 1849 sprach sich für die Abschaffung derselben aus.
Gerade weil einst in der Zeit der Demagogenhetze und der unwürdigen Mi߬
handlung der Universitäten sie eingeführt waren, richtete sich nach 1848 die
liberale Strömung gegen dieselben. Und auch in der Conflictszeit in Preußen
wurden ähnliche Stimmen laut. Irren wir nicht, so hat sich dies geändert;
und mehr und mehr bricht sich in Universitätskreisen die Anschauung Bahn,
daß sobald gelingt, nur eine einigermaßen qualificirte Persönlichkeit als
Curator zu bestellen, dann die betreffende Universität heilsame Pflege und
kräftige Förderung ihrer Interessen gerade durch ihren Curator erwarten darf.
Ob räthlich, dies Amt mit einer Verwaltungsstelle zu combiniren, ob
besser, einen besonderen nur dies Amt bekleidenden Mann anzustellen
-- eine ganz allgemeine Regel wird es dafür wohl nicht geben. Die Wahl
eines, wenn wir den Ausdruck hier brauchen dürfen, Berufscurators, ist eine
äußerst schwierige: die Männer sind selten, die dafür zu brauchen sind. Nur
das möchten wir sagen, ist die Universität in einer Provinzialhauptstadt, so
wird als Regel sich empfehlen, den Oberpräsidenten, der ja doch schon den
Vorsitz des Provinzialschulcollegium zu führen hat, auch mit dem Curatorium
zu betrauen. Auf Straßburg trifft dies letztere zu. Und wir sind auch der
Ansicht: später wird gewiß dem altpreußischen Beispiel hierin zu folgen auch
dort rathsam sein. Einstweilen, für die Zeit der Organisation, für die erste
Zeit der akademischen Anfänge ist aber sicherlich in der Austeilung eines beson¬
deren Kurators der richtige Weg eingeschlagen. Und wenn sich die Zeitungs¬
nachrichten wirklich bestätigen sollten, daß Herr von Roggenbach für die¬
sen Posten ausersehen sei, so wäre das einer der besten Griffe, den unser
Reichskanzler in Personalfragen jemals gethan hat. Die schönsten Hoffnungen
für die Zukunft erhielten dadurch eine gewisse Berechtigung sich zu äußerm

2) Die übliche Dreitheilung des Lehrerpersonales in ordentliche und außer-


Reformen enthält er nur in dem Punkte der akademischen Gerichtsbarkeit.
Gutachten der Landesuniversitäten sind eingefordert über den Entwurf; sie
sind aber nicht veröffentlicht worden und nur über die Frage der Zulassung
von Nealschulabiturienten zu den Facultätsstudien sind die eingeholtem Vota
dem größeren Publicum zugänglich gemacht. Soviel wir wissen, hat keine
der Universitäten einschneidende Aenderungen gefordert. Da es sich nun jetzt
um die Neugründung und Organisation einer deutschen Hochschule handelt,
der wir alle das beste Gedeihen aus patriotisch bewegtem Herzen wünschen,
so möchten wir ein paar einzelne Punkte hier besprechen, deren Berücksichti¬
gung bei der Neuschöpfung wir für wünschenswert!) ansehen.

1) Man war früher auf den Universitäten der Ansicht, daß die Cura-
toren nicht zum Gedeihen der Universitäten dienten; ja nicht allein sür über¬
flüssig oder unnütz, sondern meistens sür schädlich wurden sie gehalten. Auch
jene Reformconferenz von 1849 sprach sich für die Abschaffung derselben aus.
Gerade weil einst in der Zeit der Demagogenhetze und der unwürdigen Mi߬
handlung der Universitäten sie eingeführt waren, richtete sich nach 1848 die
liberale Strömung gegen dieselben. Und auch in der Conflictszeit in Preußen
wurden ähnliche Stimmen laut. Irren wir nicht, so hat sich dies geändert;
und mehr und mehr bricht sich in Universitätskreisen die Anschauung Bahn,
daß sobald gelingt, nur eine einigermaßen qualificirte Persönlichkeit als
Curator zu bestellen, dann die betreffende Universität heilsame Pflege und
kräftige Förderung ihrer Interessen gerade durch ihren Curator erwarten darf.
Ob räthlich, dies Amt mit einer Verwaltungsstelle zu combiniren, ob
besser, einen besonderen nur dies Amt bekleidenden Mann anzustellen
— eine ganz allgemeine Regel wird es dafür wohl nicht geben. Die Wahl
eines, wenn wir den Ausdruck hier brauchen dürfen, Berufscurators, ist eine
äußerst schwierige: die Männer sind selten, die dafür zu brauchen sind. Nur
das möchten wir sagen, ist die Universität in einer Provinzialhauptstadt, so
wird als Regel sich empfehlen, den Oberpräsidenten, der ja doch schon den
Vorsitz des Provinzialschulcollegium zu führen hat, auch mit dem Curatorium
zu betrauen. Auf Straßburg trifft dies letztere zu. Und wir sind auch der
Ansicht: später wird gewiß dem altpreußischen Beispiel hierin zu folgen auch
dort rathsam sein. Einstweilen, für die Zeit der Organisation, für die erste
Zeit der akademischen Anfänge ist aber sicherlich in der Austeilung eines beson¬
deren Kurators der richtige Weg eingeschlagen. Und wenn sich die Zeitungs¬
nachrichten wirklich bestätigen sollten, daß Herr von Roggenbach für die¬
sen Posten ausersehen sei, so wäre das einer der besten Griffe, den unser
Reichskanzler in Personalfragen jemals gethan hat. Die schönsten Hoffnungen
für die Zukunft erhielten dadurch eine gewisse Berechtigung sich zu äußerm

2) Die übliche Dreitheilung des Lehrerpersonales in ordentliche und außer-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299/51>, abgerufen am 11.02.2025.