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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.

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hat er sein Buch durch Wiedergabe der bereits gedruckten Briefe vervollstän¬
digt, so daß wir hier ziemlich Alles beisammen haben, was wir aus dem
schriftlichen Verkehr der Frau Rath besitzen. Einzelnes ist dem Herausgeber
entgangen, dessen Erwähnung kein Vorwurf gegen die Vollständigkeit der Ar¬
beit sein soll. Wer vermag in unserer Zeit alle Zeitschriften zu beherrschen!
Für eine künftige Edition dürsten noch die Burkhardt'schen Publicationen in
den Grenzboten von 1870 und 1871 zu verwerthen sein, und vielleicht ist dann
auch der große Schatz der Briefe von Goethe's Mutter an Amalia im Groß-
herzogl. Haus-Archiv zugänglich, an welches der Herausgeber in der Einleitung
erinnert. Nur möchte sich letzterer eines unrichtigen Ausdruckes bedient haben,
wenn er von dem "Auffinden" dieser Briefe spricht, derer, so viel wir wissen,
man in Weimar sich stets bewußt gewesen ist.

Keil's Arbeit ist sorgfältig. Vielleicht hätte er auch den hie und da sehr
ungenauen Abdruck der sich anderwärts findenden Briefe verglichen, wenn er
die Originale vor sich gehabt hätte. Denn daß seine Vorgänger bezüglich
der Schreibweise und der Textesrichtigkeit überhaupt viel gesündigt haben,
lehrt schon ein Blick auf die vorangehenden Veröffentlichungen. Denn mit
weichem Rechte z. B. Dorow (Keil, Seite 134) den Namen der Tochter
"Louise" ausläßt und einen Zusatz am Ende der Briefe, "das Unthier heißt
Mohr" u. f. w. macht, der im Original gar nicht steht, will uns nicht be¬
greiflich erscheinen. -- Aehnliche Mängel bietet auch die Veröffentlichung in
Weimars Album.

Indessen das sind beiläufige Bemerkungen, die der Keil'schen Arbeit keinen
Eintrag thun, die man gern lesen und nicht ohne Befriedigung aus der Hand
legen wird. Wir können nur wünschen, daß der Herausgeber, der, wie wir
hören, noch manches Werthvolle aus der classischen Zeit besitzt, in seinen
Publicationen fortfährt, damit doch wenigstens etwas von Weimar aus ge¬
schieht, nachdem der gute Glaube, daß die Goethe'schen Erben vorgehen, längst
in gründlicher Weise erschüttert worden ist. --

Zur Erinnerung an Heinrich Steffens. Aus Briefen an seinen
Verleger. Herausgegeben von Max Tietzen. Mit dem Portrait Steffens
nach Thorwaldsen. Leipzig, G. E- Schulze.

Das Schriftchen enthält außer einem kurzen biographischen Abriß 44
Briefe Steffens an seinen Verleger Joseph Max in Breslau, welche in der
Hauptsache Geschäftliches darbieten, aber an vereinzelten Stellen manches Licht
über die Zeit und die Kreise verbreiten, in denen Steffens sich bewegte. Aus
ihnen leuchtet ein prächtiger Charakter Steffens' hervor, und sie sind einer
Lectüre werth; namentlich werden sie für die Biographie Steffens nicht un¬
beachtet bleiben können. Der Einleitung nach zu urtheilen, in der die pro¬
phetische Intuition des Dichters und Naturphilosophen sehr stark betont


hat er sein Buch durch Wiedergabe der bereits gedruckten Briefe vervollstän¬
digt, so daß wir hier ziemlich Alles beisammen haben, was wir aus dem
schriftlichen Verkehr der Frau Rath besitzen. Einzelnes ist dem Herausgeber
entgangen, dessen Erwähnung kein Vorwurf gegen die Vollständigkeit der Ar¬
beit sein soll. Wer vermag in unserer Zeit alle Zeitschriften zu beherrschen!
Für eine künftige Edition dürsten noch die Burkhardt'schen Publicationen in
den Grenzboten von 1870 und 1871 zu verwerthen sein, und vielleicht ist dann
auch der große Schatz der Briefe von Goethe's Mutter an Amalia im Groß-
herzogl. Haus-Archiv zugänglich, an welches der Herausgeber in der Einleitung
erinnert. Nur möchte sich letzterer eines unrichtigen Ausdruckes bedient haben,
wenn er von dem „Auffinden" dieser Briefe spricht, derer, so viel wir wissen,
man in Weimar sich stets bewußt gewesen ist.

Keil's Arbeit ist sorgfältig. Vielleicht hätte er auch den hie und da sehr
ungenauen Abdruck der sich anderwärts findenden Briefe verglichen, wenn er
die Originale vor sich gehabt hätte. Denn daß seine Vorgänger bezüglich
der Schreibweise und der Textesrichtigkeit überhaupt viel gesündigt haben,
lehrt schon ein Blick auf die vorangehenden Veröffentlichungen. Denn mit
weichem Rechte z. B. Dorow (Keil, Seite 134) den Namen der Tochter
„Louise" ausläßt und einen Zusatz am Ende der Briefe, „das Unthier heißt
Mohr" u. f. w. macht, der im Original gar nicht steht, will uns nicht be¬
greiflich erscheinen. — Aehnliche Mängel bietet auch die Veröffentlichung in
Weimars Album.

Indessen das sind beiläufige Bemerkungen, die der Keil'schen Arbeit keinen
Eintrag thun, die man gern lesen und nicht ohne Befriedigung aus der Hand
legen wird. Wir können nur wünschen, daß der Herausgeber, der, wie wir
hören, noch manches Werthvolle aus der classischen Zeit besitzt, in seinen
Publicationen fortfährt, damit doch wenigstens etwas von Weimar aus ge¬
schieht, nachdem der gute Glaube, daß die Goethe'schen Erben vorgehen, längst
in gründlicher Weise erschüttert worden ist. —

Zur Erinnerung an Heinrich Steffens. Aus Briefen an seinen
Verleger. Herausgegeben von Max Tietzen. Mit dem Portrait Steffens
nach Thorwaldsen. Leipzig, G. E- Schulze.

Das Schriftchen enthält außer einem kurzen biographischen Abriß 44
Briefe Steffens an seinen Verleger Joseph Max in Breslau, welche in der
Hauptsache Geschäftliches darbieten, aber an vereinzelten Stellen manches Licht
über die Zeit und die Kreise verbreiten, in denen Steffens sich bewegte. Aus
ihnen leuchtet ein prächtiger Charakter Steffens' hervor, und sie sind einer
Lectüre werth; namentlich werden sie für die Biographie Steffens nicht un¬
beachtet bleiben können. Der Einleitung nach zu urtheilen, in der die pro¬
phetische Intuition des Dichters und Naturphilosophen sehr stark betont


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299/491>, abgerufen am 05.02.2025.