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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.

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wir, daß der Reichstag bei seinem Wiederzusammentritt die Papiergeldfrage
sofort wieder aufnimmt, Ihre Vernachlässigung würde den Erfolg unserer
ganzen Münzrefvrm auf das Ernstlichste gefährden.

Fast unverständlich war die Aeußerung des Finanzministers, Preußen be¬
finde sich seinen Mitverbündeten gegenüber in einer ungünstigeren Lage, weil
sein Papiergeldumlauf verhältnißmäßig geringer sei, Herr Camphausen schien
damit andeuten zu wollen, daß Preußen umsoweniger veranlaßt sei, mit der
Einschränkung seines Papiergeldumlaufes zu beginnen.

Die Ausgabe von Papiergeld kann als die Ausbeutung des Marktes
durch einen mächtigen Gläubiger betrachtet werden, der mit fingirten Werthen
zahlt, der sich also seines Antheils an der Aufgabe des Marktes entschlage,
sür das gehörige Maß der reellen Umlaufswerthe zu sorgen, der sogar bei¬
trägt, diese Werthe zu verdrängen. Insofern dies für den betreffenden
Gläubiger ein Nutzen ist, kann man nun freilich sagen: es sei ein Nachtheil,
wenig Papiergeld ausgegeben zu haben. Wenn es sich aber darum handelt,
das Papiergeld überhaupt wesentlich zu beschränken, so ist doch offenbar
ein Vortheil, wenn man die schwierige Aufgabe, reelle Umlaufsmittel nach¬
träglich zu beschaffen, sich durch mäßigen Gebrauch der Schaffang sictiver
Werthe erleichtert hat. Wir müssen abwarten, ob der Finanzminister ein an¬
dermal Gelegenheit nimmt, seine befremdliche Aeußerung über diesen Punkt
zu erläutern.

Aus der Sitzung vom 14. December ist zu erwähnen, daß der Cultus¬
minister das ebenso wichtige als summarische Gesetz einbrachte, dessen zwei ein¬
zige Paragraphen die Aufsicht über alle öffentlichen und Privatnnterrichts-
und Erziehungsanstalten dem Staate zuweisen und demgemäß die kirchliche
Aufsicht über solche Anstalten der Staatsdisciplin, der Staatsauswahl der
Personen und der Widerruflichkeit des ertheilten Auftrages durch den Staat
unterwirst. Die Thronrede hatte diesen Gesetzentwurf schon angekündigt, dessen
Inhalt als selbständiges Gesetz außerhalb des Unterrichtsgesetzes eingebracht
worden, um die große principielle Frage, daß die Schule ausschließlich und
unmittelbar Staatsangelegenheit ist, abgesehen von dem zweifelhaften Schick¬
sal des Unterrichtsgesetzes, sofort und jedenfalls zu erledigen.




Zum letzten Aal Mr Wilhelm Mstow.

Die neuesten Nachrichten melden, daß Herr Wilhelm Rüstow in Ver¬
sailles von Herrn Thiers sehr freundlich aufgenommen worden sei. und seine
militärische Weisheit nun über der Reorganisation des französischen Kriegs-


wir, daß der Reichstag bei seinem Wiederzusammentritt die Papiergeldfrage
sofort wieder aufnimmt, Ihre Vernachlässigung würde den Erfolg unserer
ganzen Münzrefvrm auf das Ernstlichste gefährden.

Fast unverständlich war die Aeußerung des Finanzministers, Preußen be¬
finde sich seinen Mitverbündeten gegenüber in einer ungünstigeren Lage, weil
sein Papiergeldumlauf verhältnißmäßig geringer sei, Herr Camphausen schien
damit andeuten zu wollen, daß Preußen umsoweniger veranlaßt sei, mit der
Einschränkung seines Papiergeldumlaufes zu beginnen.

Die Ausgabe von Papiergeld kann als die Ausbeutung des Marktes
durch einen mächtigen Gläubiger betrachtet werden, der mit fingirten Werthen
zahlt, der sich also seines Antheils an der Aufgabe des Marktes entschlage,
sür das gehörige Maß der reellen Umlaufswerthe zu sorgen, der sogar bei¬
trägt, diese Werthe zu verdrängen. Insofern dies für den betreffenden
Gläubiger ein Nutzen ist, kann man nun freilich sagen: es sei ein Nachtheil,
wenig Papiergeld ausgegeben zu haben. Wenn es sich aber darum handelt,
das Papiergeld überhaupt wesentlich zu beschränken, so ist doch offenbar
ein Vortheil, wenn man die schwierige Aufgabe, reelle Umlaufsmittel nach¬
träglich zu beschaffen, sich durch mäßigen Gebrauch der Schaffang sictiver
Werthe erleichtert hat. Wir müssen abwarten, ob der Finanzminister ein an¬
dermal Gelegenheit nimmt, seine befremdliche Aeußerung über diesen Punkt
zu erläutern.

Aus der Sitzung vom 14. December ist zu erwähnen, daß der Cultus¬
minister das ebenso wichtige als summarische Gesetz einbrachte, dessen zwei ein¬
zige Paragraphen die Aufsicht über alle öffentlichen und Privatnnterrichts-
und Erziehungsanstalten dem Staate zuweisen und demgemäß die kirchliche
Aufsicht über solche Anstalten der Staatsdisciplin, der Staatsauswahl der
Personen und der Widerruflichkeit des ertheilten Auftrages durch den Staat
unterwirst. Die Thronrede hatte diesen Gesetzentwurf schon angekündigt, dessen
Inhalt als selbständiges Gesetz außerhalb des Unterrichtsgesetzes eingebracht
worden, um die große principielle Frage, daß die Schule ausschließlich und
unmittelbar Staatsangelegenheit ist, abgesehen von dem zweifelhaften Schick¬
sal des Unterrichtsgesetzes, sofort und jedenfalls zu erledigen.




Zum letzten Aal Mr Wilhelm Mstow.

Die neuesten Nachrichten melden, daß Herr Wilhelm Rüstow in Ver¬
sailles von Herrn Thiers sehr freundlich aufgenommen worden sei. und seine
militärische Weisheit nun über der Reorganisation des französischen Kriegs-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299/483>, abgerufen am 05.02.2025.