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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.

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Stoff hinein. Ebenso wurden persönliche Erörterungen, die nur dem Moment
angehören, unterdrückt. Trotz alledem war doch nicht durchzukommen, ohne
den Tert der Reden selbst zu vermindern. Im Ganzen schien dabei richtiger,
nicht Theile einzelner Reden, sondern ganze Vorträge auszumerzen. Einem
Redner, wenn man ihn nicht excerpirt, Stücke aus seinem lebendigen Lethe
herausschneiden und die Fragmente ohne Zusammenhang auftischen, hieß sich
der Gefahr gerechter Beschwerden aussetzen. Es schien billiger gegen den Ein¬
zelnen gehandelt, wenn man ihn entweder ganz oder gar nicht auf die Bühne
brachte. Nach Annahme dieses Systems mußte also an die Aussonderung
einzelner Reden gegangen werden. Eine kitzliche Sache! Vor Allem galt es
hier, sich der Unparteilichkeit zu befleißen. Ist es nicht gelungen, so möge es
nicht dem Mangel an gutem Willen zugeschrieben werden. So weit sich die
Sache übersehen ließ, ist die Gleichberechtigung der verschiedenen
Parteianschauungen mit äußerster Sorgfalt gewahrt worden."




Es ist sehr viel, was hier versprochen wird. Allein nach einer sorgfältigen
Prüfung des Buches kann ich nicht anders sagen, als es hat die Aufgabe
glücklich gelöst und die Versprechungen erfüllt.

Gleichweit entfernt von der Leichtfertigkeit der Zeitungsberichte und der
Schwerfälligkeit der stenographischen Protokolle, giebt es auf engem Raum
ein rasch zu überblickendes, vollständiges, frisches und farbenreiches Bild der
Verhandlungen in einer äußerst zweckmäßigen Anordnung. Letztere fehlt der
officiellen Ausgabe gänzlich. Sie zerfällt in so und so viele schwere Quartanten
Text und in so und so viel desgleichen Quartbände Anlagen. Die letzteren
enthalten die Gesetzentwürfe, deren Motive, die Commissions-Berichte, die
Motiven und Amendements u. s. w. Hier ist Beides in einander eingefügt
und so bearbeitet, daß es ein lesbares Ganzes bildet. Die chronologische und
die systematische Behandlungsart des Stoffes ist in glücklicher Weise combinirt.
Der Schlußlieferung soll ein genaues und vollständiges Wort-, Sach- und
Redner-Register beigegeben werden, welches das Buch auch für historische, par¬
lamentarische, juristische, gesetzgeberische und volkswirtschaftliche Specialstudien
brauchbar macht.

Dabei verdient das durchaus unparteiische und unbefangene Verfahren die
höchste Anerkennung. Der Preis ist billig, die Ausstattung schön, der Druck
correct. Sogar diejenigen Druckfehler sind corrigirt, welche in der officiellen
Ausgabe stehen geblieben. Das verdient bemerkt zu werden. Denn in
Deutschland sind (im Gegensatz zu England, Italien und Frankreich) die
Druckfehler eine Art Rinderpest geworden, welche sich nach und nach auf Alles
^streckt, sogar auf die officiellen Publikationen.


Gmizbotcn U. 1871. 128

Stoff hinein. Ebenso wurden persönliche Erörterungen, die nur dem Moment
angehören, unterdrückt. Trotz alledem war doch nicht durchzukommen, ohne
den Tert der Reden selbst zu vermindern. Im Ganzen schien dabei richtiger,
nicht Theile einzelner Reden, sondern ganze Vorträge auszumerzen. Einem
Redner, wenn man ihn nicht excerpirt, Stücke aus seinem lebendigen Lethe
herausschneiden und die Fragmente ohne Zusammenhang auftischen, hieß sich
der Gefahr gerechter Beschwerden aussetzen. Es schien billiger gegen den Ein¬
zelnen gehandelt, wenn man ihn entweder ganz oder gar nicht auf die Bühne
brachte. Nach Annahme dieses Systems mußte also an die Aussonderung
einzelner Reden gegangen werden. Eine kitzliche Sache! Vor Allem galt es
hier, sich der Unparteilichkeit zu befleißen. Ist es nicht gelungen, so möge es
nicht dem Mangel an gutem Willen zugeschrieben werden. So weit sich die
Sache übersehen ließ, ist die Gleichberechtigung der verschiedenen
Parteianschauungen mit äußerster Sorgfalt gewahrt worden."




Es ist sehr viel, was hier versprochen wird. Allein nach einer sorgfältigen
Prüfung des Buches kann ich nicht anders sagen, als es hat die Aufgabe
glücklich gelöst und die Versprechungen erfüllt.

Gleichweit entfernt von der Leichtfertigkeit der Zeitungsberichte und der
Schwerfälligkeit der stenographischen Protokolle, giebt es auf engem Raum
ein rasch zu überblickendes, vollständiges, frisches und farbenreiches Bild der
Verhandlungen in einer äußerst zweckmäßigen Anordnung. Letztere fehlt der
officiellen Ausgabe gänzlich. Sie zerfällt in so und so viele schwere Quartanten
Text und in so und so viel desgleichen Quartbände Anlagen. Die letzteren
enthalten die Gesetzentwürfe, deren Motive, die Commissions-Berichte, die
Motiven und Amendements u. s. w. Hier ist Beides in einander eingefügt
und so bearbeitet, daß es ein lesbares Ganzes bildet. Die chronologische und
die systematische Behandlungsart des Stoffes ist in glücklicher Weise combinirt.
Der Schlußlieferung soll ein genaues und vollständiges Wort-, Sach- und
Redner-Register beigegeben werden, welches das Buch auch für historische, par¬
lamentarische, juristische, gesetzgeberische und volkswirtschaftliche Specialstudien
brauchbar macht.

Dabei verdient das durchaus unparteiische und unbefangene Verfahren die
höchste Anerkennung. Der Preis ist billig, die Ausstattung schön, der Druck
correct. Sogar diejenigen Druckfehler sind corrigirt, welche in der officiellen
Ausgabe stehen geblieben. Das verdient bemerkt zu werden. Denn in
Deutschland sind (im Gegensatz zu England, Italien und Frankreich) die
Druckfehler eine Art Rinderpest geworden, welche sich nach und nach auf Alles
^streckt, sogar auf die officiellen Publikationen.


Gmizbotcn U. 1871. 128
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[0469] Stoff hinein. Ebenso wurden persönliche Erörterungen, die nur dem Moment angehören, unterdrückt. Trotz alledem war doch nicht durchzukommen, ohne den Tert der Reden selbst zu vermindern. Im Ganzen schien dabei richtiger, nicht Theile einzelner Reden, sondern ganze Vorträge auszumerzen. Einem Redner, wenn man ihn nicht excerpirt, Stücke aus seinem lebendigen Lethe herausschneiden und die Fragmente ohne Zusammenhang auftischen, hieß sich der Gefahr gerechter Beschwerden aussetzen. Es schien billiger gegen den Ein¬ zelnen gehandelt, wenn man ihn entweder ganz oder gar nicht auf die Bühne brachte. Nach Annahme dieses Systems mußte also an die Aussonderung einzelner Reden gegangen werden. Eine kitzliche Sache! Vor Allem galt es hier, sich der Unparteilichkeit zu befleißen. Ist es nicht gelungen, so möge es nicht dem Mangel an gutem Willen zugeschrieben werden. So weit sich die Sache übersehen ließ, ist die Gleichberechtigung der verschiedenen Parteianschauungen mit äußerster Sorgfalt gewahrt worden." Es ist sehr viel, was hier versprochen wird. Allein nach einer sorgfältigen Prüfung des Buches kann ich nicht anders sagen, als es hat die Aufgabe glücklich gelöst und die Versprechungen erfüllt. Gleichweit entfernt von der Leichtfertigkeit der Zeitungsberichte und der Schwerfälligkeit der stenographischen Protokolle, giebt es auf engem Raum ein rasch zu überblickendes, vollständiges, frisches und farbenreiches Bild der Verhandlungen in einer äußerst zweckmäßigen Anordnung. Letztere fehlt der officiellen Ausgabe gänzlich. Sie zerfällt in so und so viele schwere Quartanten Text und in so und so viel desgleichen Quartbände Anlagen. Die letzteren enthalten die Gesetzentwürfe, deren Motive, die Commissions-Berichte, die Motiven und Amendements u. s. w. Hier ist Beides in einander eingefügt und so bearbeitet, daß es ein lesbares Ganzes bildet. Die chronologische und die systematische Behandlungsart des Stoffes ist in glücklicher Weise combinirt. Der Schlußlieferung soll ein genaues und vollständiges Wort-, Sach- und Redner-Register beigegeben werden, welches das Buch auch für historische, par¬ lamentarische, juristische, gesetzgeberische und volkswirtschaftliche Specialstudien brauchbar macht. Dabei verdient das durchaus unparteiische und unbefangene Verfahren die höchste Anerkennung. Der Preis ist billig, die Ausstattung schön, der Druck correct. Sogar diejenigen Druckfehler sind corrigirt, welche in der officiellen Ausgabe stehen geblieben. Das verdient bemerkt zu werden. Denn in Deutschland sind (im Gegensatz zu England, Italien und Frankreich) die Druckfehler eine Art Rinderpest geworden, welche sich nach und nach auf Alles ^streckt, sogar auf die officiellen Publikationen. Gmizbotcn U. 1871. 128

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299/469>, abgerufen am 05.02.2025.