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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.

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Die Wolken zertheilten sich, und erst später an verschiedenen Stellen und in
verschiedenen Schlägen erfolgte das, was man im Frühjahr 1521 zu erwarten
sich berechtigt gehalten. Aber gering sind die Resultate geblieben, welche den
vereinzelten späteren Unternehmungen zu Theil wurden. Es war eben der
richtige Moment zur allgemeinen That verpaßt.

Es würde sich wohl lohnen, einmal ernsthaft die Frage ins Auge zu
fassen, weshalb die revolutionäre Action, deren Herannahen man die letzten
Jahre hindurch deutlich fühlen konnte, schließlich doch ausgeblieben ist. Wir
meinen, nicht ungerechtfertigt ist der Tadel, den seine Freunde über Hütten
ausgesprochen haben: die Erwartungen, die man in ihn gesetzt, die er selbst
anzuregen und zu pflegen nicht unterlassen hat, diese Erwartungen eines
handelnden Patrioten hat Hütten auf die schlimmste Weise getäuscht.

Schwer hatte sein Ansehen und sein Ruf gelitten; viele seiner Freunde
wandten sich von ihm ab: seine verdrießlichen Händel mit Erasmus verbesserten
seine Lage nicht. Und so war ihm schließlich nichts übrig geblieben, als in
die Fremde zu fliehen, und -- ein gebrochener Mensch, -- dort seinen Tod
zu erwarten: schon im Herbst 1523 ist er seinem alten Uebel, der Lustseuche,
erlegen.


W. Maurenbrecher.


Die Jerichte über die Ueichstags-WerlMdlungen.

(Repertorium des deutschen Reichstages. Unter Leitung des Dr. Ludwig
B am berger, Mitglied des Reichstags, bearbeitet von A. Teich¬
mann. Erster Band: Thronrede, Adreßdebatten --> Wahlprüfungen --
Verfassung des deutschen Reiches und Gesetzentwürfe. Berlin. Verlag v. I-
Guttentag. 1871.)

Es ist bekannt, daß aus Anlaß eines von dem Abgeordneten Bamberger
in einer der letzten Neichstagssessionen gestellten Antrages lebhafte Beschwerden
über die Zeitungsberichte laut wurden. Mit Ausnahme eines Abgeordneten,
welcher das Lob der "Kölnischen Zeitung" sang, welche ihm eine besondere
Aufmerksamkeit erweise, war alle Welt darüber einverstanden, daß diese Be¬
richte kein getreues Bild von den Verhandlungen geben.


Die Wolken zertheilten sich, und erst später an verschiedenen Stellen und in
verschiedenen Schlägen erfolgte das, was man im Frühjahr 1521 zu erwarten
sich berechtigt gehalten. Aber gering sind die Resultate geblieben, welche den
vereinzelten späteren Unternehmungen zu Theil wurden. Es war eben der
richtige Moment zur allgemeinen That verpaßt.

Es würde sich wohl lohnen, einmal ernsthaft die Frage ins Auge zu
fassen, weshalb die revolutionäre Action, deren Herannahen man die letzten
Jahre hindurch deutlich fühlen konnte, schließlich doch ausgeblieben ist. Wir
meinen, nicht ungerechtfertigt ist der Tadel, den seine Freunde über Hütten
ausgesprochen haben: die Erwartungen, die man in ihn gesetzt, die er selbst
anzuregen und zu pflegen nicht unterlassen hat, diese Erwartungen eines
handelnden Patrioten hat Hütten auf die schlimmste Weise getäuscht.

Schwer hatte sein Ansehen und sein Ruf gelitten; viele seiner Freunde
wandten sich von ihm ab: seine verdrießlichen Händel mit Erasmus verbesserten
seine Lage nicht. Und so war ihm schließlich nichts übrig geblieben, als in
die Fremde zu fliehen, und — ein gebrochener Mensch, — dort seinen Tod
zu erwarten: schon im Herbst 1523 ist er seinem alten Uebel, der Lustseuche,
erlegen.


W. Maurenbrecher.


Die Jerichte über die Ueichstags-WerlMdlungen.

(Repertorium des deutschen Reichstages. Unter Leitung des Dr. Ludwig
B am berger, Mitglied des Reichstags, bearbeitet von A. Teich¬
mann. Erster Band: Thronrede, Adreßdebatten —> Wahlprüfungen —
Verfassung des deutschen Reiches und Gesetzentwürfe. Berlin. Verlag v. I-
Guttentag. 1871.)

Es ist bekannt, daß aus Anlaß eines von dem Abgeordneten Bamberger
in einer der letzten Neichstagssessionen gestellten Antrages lebhafte Beschwerden
über die Zeitungsberichte laut wurden. Mit Ausnahme eines Abgeordneten,
welcher das Lob der „Kölnischen Zeitung" sang, welche ihm eine besondere
Aufmerksamkeit erweise, war alle Welt darüber einverstanden, daß diese Be¬
richte kein getreues Bild von den Verhandlungen geben.


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[0464] Die Wolken zertheilten sich, und erst später an verschiedenen Stellen und in verschiedenen Schlägen erfolgte das, was man im Frühjahr 1521 zu erwarten sich berechtigt gehalten. Aber gering sind die Resultate geblieben, welche den vereinzelten späteren Unternehmungen zu Theil wurden. Es war eben der richtige Moment zur allgemeinen That verpaßt. Es würde sich wohl lohnen, einmal ernsthaft die Frage ins Auge zu fassen, weshalb die revolutionäre Action, deren Herannahen man die letzten Jahre hindurch deutlich fühlen konnte, schließlich doch ausgeblieben ist. Wir meinen, nicht ungerechtfertigt ist der Tadel, den seine Freunde über Hütten ausgesprochen haben: die Erwartungen, die man in ihn gesetzt, die er selbst anzuregen und zu pflegen nicht unterlassen hat, diese Erwartungen eines handelnden Patrioten hat Hütten auf die schlimmste Weise getäuscht. Schwer hatte sein Ansehen und sein Ruf gelitten; viele seiner Freunde wandten sich von ihm ab: seine verdrießlichen Händel mit Erasmus verbesserten seine Lage nicht. Und so war ihm schließlich nichts übrig geblieben, als in die Fremde zu fliehen, und — ein gebrochener Mensch, — dort seinen Tod zu erwarten: schon im Herbst 1523 ist er seinem alten Uebel, der Lustseuche, erlegen. W. Maurenbrecher. Die Jerichte über die Ueichstags-WerlMdlungen. (Repertorium des deutschen Reichstages. Unter Leitung des Dr. Ludwig B am berger, Mitglied des Reichstags, bearbeitet von A. Teich¬ mann. Erster Band: Thronrede, Adreßdebatten —> Wahlprüfungen — Verfassung des deutschen Reiches und Gesetzentwürfe. Berlin. Verlag v. I- Guttentag. 1871.) Es ist bekannt, daß aus Anlaß eines von dem Abgeordneten Bamberger in einer der letzten Neichstagssessionen gestellten Antrages lebhafte Beschwerden über die Zeitungsberichte laut wurden. Mit Ausnahme eines Abgeordneten, welcher das Lob der „Kölnischen Zeitung" sang, welche ihm eine besondere Aufmerksamkeit erweise, war alle Welt darüber einverstanden, daß diese Be¬ richte kein getreues Bild von den Verhandlungen geben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299/464>, abgerufen am 11.02.2025.