Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.Zeitungsspalten langen Parlamentsberichte verzichtet. Die Zeit wird auch Denn es zeigt sich doch deutlich, daß für jetzt noch viele principielle Fra¬ Unterdessen hat die große Politik nicht gefeiert, obgleich der Reichskanzler Zeitungsspalten langen Parlamentsberichte verzichtet. Die Zeit wird auch Denn es zeigt sich doch deutlich, daß für jetzt noch viele principielle Fra¬ Unterdessen hat die große Politik nicht gefeiert, obgleich der Reichskanzler <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0441" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192742"/> <p xml:id="ID_1616" prev="#ID_1615"> Zeitungsspalten langen Parlamentsberichte verzichtet. Die Zeit wird auch<lb/> gut benutzt worden sein, und wo der Etat eine lose Masche zeigt, werden die<lb/> Eugen Richter, die Blanken bürg u. A. den Ministern einen schweren Stand<lb/> bereiten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1617"> Denn es zeigt sich doch deutlich, daß für jetzt noch viele principielle Fra¬<lb/> gen (und solche werden ja überall an die Etatsberathung angeknüpft) in dem<lb/> preußischen Landtage gelöst werden müssen, schon deßhalb, weil die Verhält¬<lb/> nisse innerhalb Preußens doch immer noch gleichförmiger sind, als diejenigen<lb/> Gesammtdeutschlands, wo doch manchmal vorkommt, daß sich Süd und<lb/> Nord nicht versteht. Auch ist das Gebäude der Reichsverfassung, so treff¬<lb/> lich geeignet es für seine Zwecke ist. noch zu lückenhaft, als daß schon jetzt<lb/> die Einzellandtage und namentlich der preußische sich auf eine rein geschäftliche<lb/> Behandlung der ihnen obliegenden Aufgaben beschränken könnten. Politische<lb/> Parteifragen werden immer noch überwiegend in den Lambda gen verhandelt<lb/> werden, wenigstens die Fragen der alten Parteien, während im Reich, allem<lb/> Andern voran und alles Andere beherrschend, der große Gegensatz zwischen<lb/> Centralisten und Decentralistcn und den Antinationalen den Gegenstand der<lb/> eigentlichen Parteikämpfe gibt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1618" next="#ID_1619"> Unterdessen hat die große Politik nicht gefeiert, obgleich der Reichskanzler<lb/> die ganze Zeit über leidend war. Ein gründlicher Geschichtsforscher wird<lb/> einige Mühe haben, das Dunkel der letzten Woche aufzuklären. Gerade am<lb/> letzten Sonntag ward hier bekannt, daß in den occupirten französischen De¬<lb/> partements der Belagerungszustand ausgesprochen worden sei. Nur eines ist<lb/> wunderlich, daß man diese Nachricht von hier hört und nicht von Nancy.<lb/> Ist der Telegraph stumm geworden? Und bis zum heutigen Tage ist noch<lb/> kein officielles Actenstück über die Verhängung des Belagerungszustandes in<lb/> die Oeffentlichkeit gelangt. Indessen ist dies nebensächlich. Es kann ja kei¬<lb/> nem Zweifel unterliegen, daß der Befehl zu dieser Maßregel von hier er¬<lb/> gangen ist, so daß man sie also hier eher kennen mußte als in Nancy, und<lb/> wichtiger noch als dies ist, daß sie gewirkt hat. Einige französische Zeitungen<lb/> schlagen freilich gewaltigen Lärm, aber die Regierung hat die Lection<lb/> ruhig hingenommen und wenn unter den Franzosen noch etwas Besonnenheit<lb/> vorhanden ist, so müssen sie sich doch sagen, daß solche patriotische Unter¬<lb/> haltungen, wie die Freisprechung von Mördern, gefährlich werden können, so<lb/> lange ein siegreicher Feind im Lande steht. Von deutscher Seite ist der fran¬<lb/> zösische Uebermuth allerdings durch Langmuth verschuldet worden, denn<lb/> w jedem Deutschen lebt trotz aller Siege noch immer der alte Respect<lb/> vor den vornehmen Franzosen und wenn diese es nicht glücklicherweise<lb/> gar zu toll machten, so würde der Respect und das Mitleid gar keine<lb/> Grenzen mehr kennen. Gehen Sie einmal die Linden entlang, so wer.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0441]
Zeitungsspalten langen Parlamentsberichte verzichtet. Die Zeit wird auch
gut benutzt worden sein, und wo der Etat eine lose Masche zeigt, werden die
Eugen Richter, die Blanken bürg u. A. den Ministern einen schweren Stand
bereiten.
Denn es zeigt sich doch deutlich, daß für jetzt noch viele principielle Fra¬
gen (und solche werden ja überall an die Etatsberathung angeknüpft) in dem
preußischen Landtage gelöst werden müssen, schon deßhalb, weil die Verhält¬
nisse innerhalb Preußens doch immer noch gleichförmiger sind, als diejenigen
Gesammtdeutschlands, wo doch manchmal vorkommt, daß sich Süd und
Nord nicht versteht. Auch ist das Gebäude der Reichsverfassung, so treff¬
lich geeignet es für seine Zwecke ist. noch zu lückenhaft, als daß schon jetzt
die Einzellandtage und namentlich der preußische sich auf eine rein geschäftliche
Behandlung der ihnen obliegenden Aufgaben beschränken könnten. Politische
Parteifragen werden immer noch überwiegend in den Lambda gen verhandelt
werden, wenigstens die Fragen der alten Parteien, während im Reich, allem
Andern voran und alles Andere beherrschend, der große Gegensatz zwischen
Centralisten und Decentralistcn und den Antinationalen den Gegenstand der
eigentlichen Parteikämpfe gibt.
Unterdessen hat die große Politik nicht gefeiert, obgleich der Reichskanzler
die ganze Zeit über leidend war. Ein gründlicher Geschichtsforscher wird
einige Mühe haben, das Dunkel der letzten Woche aufzuklären. Gerade am
letzten Sonntag ward hier bekannt, daß in den occupirten französischen De¬
partements der Belagerungszustand ausgesprochen worden sei. Nur eines ist
wunderlich, daß man diese Nachricht von hier hört und nicht von Nancy.
Ist der Telegraph stumm geworden? Und bis zum heutigen Tage ist noch
kein officielles Actenstück über die Verhängung des Belagerungszustandes in
die Oeffentlichkeit gelangt. Indessen ist dies nebensächlich. Es kann ja kei¬
nem Zweifel unterliegen, daß der Befehl zu dieser Maßregel von hier er¬
gangen ist, so daß man sie also hier eher kennen mußte als in Nancy, und
wichtiger noch als dies ist, daß sie gewirkt hat. Einige französische Zeitungen
schlagen freilich gewaltigen Lärm, aber die Regierung hat die Lection
ruhig hingenommen und wenn unter den Franzosen noch etwas Besonnenheit
vorhanden ist, so müssen sie sich doch sagen, daß solche patriotische Unter¬
haltungen, wie die Freisprechung von Mördern, gefährlich werden können, so
lange ein siegreicher Feind im Lande steht. Von deutscher Seite ist der fran¬
zösische Uebermuth allerdings durch Langmuth verschuldet worden, denn
w jedem Deutschen lebt trotz aller Siege noch immer der alte Respect
vor den vornehmen Franzosen und wenn diese es nicht glücklicherweise
gar zu toll machten, so würde der Respect und das Mitleid gar keine
Grenzen mehr kennen. Gehen Sie einmal die Linden entlang, so wer.
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