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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.

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alten Olivenstämme, die Eigenartigkeit jedes Laubes, selbst den Condur des
schöngezackten Feigenblattes und der zierlichen Weingehänge, nirgends der
conventionelle Vor- und Mittelgrund der alten historischen Landschaft, sondern
Oertlichkeiten des eigenthümlichsten Gepräges, den Motiven der Dichtung
wunderbar entsprechend, mit der ächtesten künstlerischen Nachempfindung der
vom Sänger unbewußt angeschlagenen landschaftlichen Stimmung erfunden.
Beschreiben ist hier unnütz: der Beschauer muß selbst die Freude empfinden,
von den bekannten Worten der unsterblichen Dichtung geführt sich in die
weiten Meeresufer, die Zaubergärten und Orkusklüfte des wandernden Helden
zu versetzen, und beim Umschlagen des Blattes in der schlichten Zeichnung
des deutschen Meisters die schönste Verwirklichung der heiteren wie der furcht¬
bar-großartigen Phantasiegebilde zu finden. Vertraut geworden mit der
überaus edeln Formensprache des Künstlers, wird er dann auch die ächt antike
Einfalt und Anmuth verstehen, die in der Erfindung (wenn auch nicht der
Zeichnung und Ausführung) der Friesbilder zu Tage tritt; wie Sonne und
Farbe vor dem geistigen Auge die schwarzen Umrisse der Landschaften er¬
füllen, werden auch aus den Holzschnitt-Zügen dieser kleinen Darstellungen
Götter, Helden und herrliche Frauen herauswachsen.

Wir haben uns darüber nicht täuschen dürfen: daß seit etwa zwanzig
Jahren die Verbindung von Kunst und Technik in den englischen und fran¬
zösischen Erscheinungen des Kunst-Büchermarkts vom Schnitt der Type bis
zum Korn des Papiers und der Zeichnung des Einhards der deutschen (mate¬
riell so ungünstig sttuirten) Produktion im Durchschnitt voraus ist; ein so
ächt künstlerisches Prachtwerk aber, wie der Preller-Homer, darf mit freudigem
Stolze als ein unvergleichliches Ehrendenkmal deutscher Kunst begrüßt
werden.




Jerttner Iriese.

Die zweite Woche seit dem Zusammentritt des preußischen Landtags neigt
sich ihrem Ende zu, und die Plenarsitzungen beginnen erst heute. Die Pause
hat Niemand übel genommen: nicht die doppellebigen Abgeordneten, die zu¬
gleich dem Reichstag und dem preußischen Landtag angehören, nicht das Pu-
blteum, welches für eine Zeit gern auf den Genuß der täglichen, viele viele


alten Olivenstämme, die Eigenartigkeit jedes Laubes, selbst den Condur des
schöngezackten Feigenblattes und der zierlichen Weingehänge, nirgends der
conventionelle Vor- und Mittelgrund der alten historischen Landschaft, sondern
Oertlichkeiten des eigenthümlichsten Gepräges, den Motiven der Dichtung
wunderbar entsprechend, mit der ächtesten künstlerischen Nachempfindung der
vom Sänger unbewußt angeschlagenen landschaftlichen Stimmung erfunden.
Beschreiben ist hier unnütz: der Beschauer muß selbst die Freude empfinden,
von den bekannten Worten der unsterblichen Dichtung geführt sich in die
weiten Meeresufer, die Zaubergärten und Orkusklüfte des wandernden Helden
zu versetzen, und beim Umschlagen des Blattes in der schlichten Zeichnung
des deutschen Meisters die schönste Verwirklichung der heiteren wie der furcht¬
bar-großartigen Phantasiegebilde zu finden. Vertraut geworden mit der
überaus edeln Formensprache des Künstlers, wird er dann auch die ächt antike
Einfalt und Anmuth verstehen, die in der Erfindung (wenn auch nicht der
Zeichnung und Ausführung) der Friesbilder zu Tage tritt; wie Sonne und
Farbe vor dem geistigen Auge die schwarzen Umrisse der Landschaften er¬
füllen, werden auch aus den Holzschnitt-Zügen dieser kleinen Darstellungen
Götter, Helden und herrliche Frauen herauswachsen.

Wir haben uns darüber nicht täuschen dürfen: daß seit etwa zwanzig
Jahren die Verbindung von Kunst und Technik in den englischen und fran¬
zösischen Erscheinungen des Kunst-Büchermarkts vom Schnitt der Type bis
zum Korn des Papiers und der Zeichnung des Einhards der deutschen (mate¬
riell so ungünstig sttuirten) Produktion im Durchschnitt voraus ist; ein so
ächt künstlerisches Prachtwerk aber, wie der Preller-Homer, darf mit freudigem
Stolze als ein unvergleichliches Ehrendenkmal deutscher Kunst begrüßt
werden.




Jerttner Iriese.

Die zweite Woche seit dem Zusammentritt des preußischen Landtags neigt
sich ihrem Ende zu, und die Plenarsitzungen beginnen erst heute. Die Pause
hat Niemand übel genommen: nicht die doppellebigen Abgeordneten, die zu¬
gleich dem Reichstag und dem preußischen Landtag angehören, nicht das Pu-
blteum, welches für eine Zeit gern auf den Genuß der täglichen, viele viele


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[0440] alten Olivenstämme, die Eigenartigkeit jedes Laubes, selbst den Condur des schöngezackten Feigenblattes und der zierlichen Weingehänge, nirgends der conventionelle Vor- und Mittelgrund der alten historischen Landschaft, sondern Oertlichkeiten des eigenthümlichsten Gepräges, den Motiven der Dichtung wunderbar entsprechend, mit der ächtesten künstlerischen Nachempfindung der vom Sänger unbewußt angeschlagenen landschaftlichen Stimmung erfunden. Beschreiben ist hier unnütz: der Beschauer muß selbst die Freude empfinden, von den bekannten Worten der unsterblichen Dichtung geführt sich in die weiten Meeresufer, die Zaubergärten und Orkusklüfte des wandernden Helden zu versetzen, und beim Umschlagen des Blattes in der schlichten Zeichnung des deutschen Meisters die schönste Verwirklichung der heiteren wie der furcht¬ bar-großartigen Phantasiegebilde zu finden. Vertraut geworden mit der überaus edeln Formensprache des Künstlers, wird er dann auch die ächt antike Einfalt und Anmuth verstehen, die in der Erfindung (wenn auch nicht der Zeichnung und Ausführung) der Friesbilder zu Tage tritt; wie Sonne und Farbe vor dem geistigen Auge die schwarzen Umrisse der Landschaften er¬ füllen, werden auch aus den Holzschnitt-Zügen dieser kleinen Darstellungen Götter, Helden und herrliche Frauen herauswachsen. Wir haben uns darüber nicht täuschen dürfen: daß seit etwa zwanzig Jahren die Verbindung von Kunst und Technik in den englischen und fran¬ zösischen Erscheinungen des Kunst-Büchermarkts vom Schnitt der Type bis zum Korn des Papiers und der Zeichnung des Einhards der deutschen (mate¬ riell so ungünstig sttuirten) Produktion im Durchschnitt voraus ist; ein so ächt künstlerisches Prachtwerk aber, wie der Preller-Homer, darf mit freudigem Stolze als ein unvergleichliches Ehrendenkmal deutscher Kunst begrüßt werden. Jerttner Iriese. Die zweite Woche seit dem Zusammentritt des preußischen Landtags neigt sich ihrem Ende zu, und die Plenarsitzungen beginnen erst heute. Die Pause hat Niemand übel genommen: nicht die doppellebigen Abgeordneten, die zu¬ gleich dem Reichstag und dem preußischen Landtag angehören, nicht das Pu- blteum, welches für eine Zeit gern auf den Genuß der täglichen, viele viele

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299/440>, abgerufen am 05.02.2025.