Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Am Morgen des achten März wurden die letzten "Freiwilligen" entlassen.
Frau Schmidt und die drei "Krankenpfleger" gingen nach Deutschland zurück,
Herr Müller traf sich mit seinem Bruder in Rheims, und ich fuhr nach
Juvissy. So war unser Werk zu Ende. Meine fast drei Monate lange
Arbeit war sehr schwer, das ist wahr, aber immer interessant und be¬
friedigend. Von Frau Schmidt nahm ich herzlichen Abschied; und ich werde
immer mit Interesse an ihre bewundernswerthe Festigkeit und an das stramme
persönliche Auftreten denken, durch welches sie die ohnedies so streng discipli-
nirten Offiziere und Soldaten Deutschlands sogar noch einen höheren Ge¬
horsam kennen lehrte.

Als ich mit der Eisenbahn von Orleans in Paris mit meinem Gepäck
ankam, bekam ich nur mit großer Mühe ein Coupe, welches mich nach dem
Hotel Meurice brachte. Der einzige Zug, welcher Personen und Gepäck be¬
förderte, ging um neun Uhr Vormittags ab; da ich nun einige Einkäufe zu
machen hatte, und auch wußte, daß keine Droschken zu haben waren, ging
ich zu Fuß, ohne jedoch mein Kreuz abgelegt zu haben, durch die Rue de
Nivoli, Rue Castiglione, Place Vendiime, und Rue de la Paix bis zum
Opernhause und dann wieder zurück. Die Straßen waren voll von Menschen
in Uniformen ("Soldaten" kann ich sie jedoch nicht nennen), die ohne be¬
stimmten Zweck herumzulaufen schienen, von Damen, die alle in Schwarz
gingen, und endlich von den unvermeidlichen "Maus" -- von letzteren mußte
ich zuweilen die grammatisch unrichtige Bemerkung hören "Voila uns amdu-
Iu,UM!" -- eine weitere Notiz nahm Niemand von mir, denn ich war auch
schwarz gekleidet. In jedem Laden, in den ich ging, war dieselbe Geschichte
-- seit der Belagerung war nichts mehr gearbeitet worden und auch jetzt
schien keine Hoffnung auf Veränderung vorhanden, da keine Fremden kamen.
Als ich an der wohlbekannten "xortv-Loel^rö" in der Rue de la Pair
vorbeikam, auf welcher auf einer metallenen Platte eingravirt war: "'Aoitli an
xromior", wunderte ich mich, wie viel der "große Mann" durch die Be¬
lagerung gelitten hatte, und ich war sehr erstaunt, daß Guerlain nicht ,,1'mu'-
uiLLvur no L. N. 1'IwxüratriLs" von seinem Schilde hatte wegnehmen lassen.
Am meisten wunderte ich mich jedoch über die vollständige Sicherheit und
Leichtigkeit, mit der man inmitten jener einst so belebten Straßen, wo jetzt
weder ein Omnibus noch irgend ein Fuhrwerk zu sehen war, gehen konnte.
In einem "NMsw" - Laden bemerkte die "ävmoisLlle", die mich bediente: --
-- von" ödes bien boiMv, umäame, ä'irvoir 80igv6 Jos dlössös!" Ich
lächelte und zuckte die Schultern. -- "LtiLö-veins dtauf I^i'is, xonä^me is
fügte sie hinzu. -- ,>5!vn," antwortete ich, "Kors Ac ?tu'is;" und da
mir Vorsicht hier das Beste schien, nahm ich Tüll und Federn und ging dann
aus dem Laden. Es hätte mir nicht zur Befriedigung gereicht, wenn die


Am Morgen des achten März wurden die letzten „Freiwilligen" entlassen.
Frau Schmidt und die drei „Krankenpfleger" gingen nach Deutschland zurück,
Herr Müller traf sich mit seinem Bruder in Rheims, und ich fuhr nach
Juvissy. So war unser Werk zu Ende. Meine fast drei Monate lange
Arbeit war sehr schwer, das ist wahr, aber immer interessant und be¬
friedigend. Von Frau Schmidt nahm ich herzlichen Abschied; und ich werde
immer mit Interesse an ihre bewundernswerthe Festigkeit und an das stramme
persönliche Auftreten denken, durch welches sie die ohnedies so streng discipli-
nirten Offiziere und Soldaten Deutschlands sogar noch einen höheren Ge¬
horsam kennen lehrte.

Als ich mit der Eisenbahn von Orleans in Paris mit meinem Gepäck
ankam, bekam ich nur mit großer Mühe ein Coupe, welches mich nach dem
Hotel Meurice brachte. Der einzige Zug, welcher Personen und Gepäck be¬
förderte, ging um neun Uhr Vormittags ab; da ich nun einige Einkäufe zu
machen hatte, und auch wußte, daß keine Droschken zu haben waren, ging
ich zu Fuß, ohne jedoch mein Kreuz abgelegt zu haben, durch die Rue de
Nivoli, Rue Castiglione, Place Vendiime, und Rue de la Paix bis zum
Opernhause und dann wieder zurück. Die Straßen waren voll von Menschen
in Uniformen („Soldaten" kann ich sie jedoch nicht nennen), die ohne be¬
stimmten Zweck herumzulaufen schienen, von Damen, die alle in Schwarz
gingen, und endlich von den unvermeidlichen „Maus" — von letzteren mußte
ich zuweilen die grammatisch unrichtige Bemerkung hören „Voila uns amdu-
Iu,UM!" — eine weitere Notiz nahm Niemand von mir, denn ich war auch
schwarz gekleidet. In jedem Laden, in den ich ging, war dieselbe Geschichte
— seit der Belagerung war nichts mehr gearbeitet worden und auch jetzt
schien keine Hoffnung auf Veränderung vorhanden, da keine Fremden kamen.
Als ich an der wohlbekannten „xortv-Loel^rö" in der Rue de la Pair
vorbeikam, auf welcher auf einer metallenen Platte eingravirt war: „'Aoitli an
xromior", wunderte ich mich, wie viel der „große Mann" durch die Be¬
lagerung gelitten hatte, und ich war sehr erstaunt, daß Guerlain nicht ,,1'mu'-
uiLLvur no L. N. 1'IwxüratriLs" von seinem Schilde hatte wegnehmen lassen.
Am meisten wunderte ich mich jedoch über die vollständige Sicherheit und
Leichtigkeit, mit der man inmitten jener einst so belebten Straßen, wo jetzt
weder ein Omnibus noch irgend ein Fuhrwerk zu sehen war, gehen konnte.
In einem „NMsw" - Laden bemerkte die „ävmoisLlle", die mich bediente: —
— von« ödes bien boiMv, umäame, ä'irvoir 80igv6 Jos dlössös!" Ich
lächelte und zuckte die Schultern. — „LtiLö-veins dtauf I^i'is, xonä^me is
fügte sie hinzu. — ,>5!vn," antwortete ich, „Kors Ac ?tu'is;" und da
mir Vorsicht hier das Beste schien, nahm ich Tüll und Federn und ging dann
aus dem Laden. Es hätte mir nicht zur Befriedigung gereicht, wenn die


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0430" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192731"/>
          <p xml:id="ID_1576"> Am Morgen des achten März wurden die letzten &#x201E;Freiwilligen" entlassen.<lb/>
Frau Schmidt und die drei &#x201E;Krankenpfleger" gingen nach Deutschland zurück,<lb/>
Herr Müller traf sich mit seinem Bruder in Rheims, und ich fuhr nach<lb/>
Juvissy. So war unser Werk zu Ende. Meine fast drei Monate lange<lb/>
Arbeit war sehr schwer, das ist wahr, aber immer interessant und be¬<lb/>
friedigend. Von Frau Schmidt nahm ich herzlichen Abschied; und ich werde<lb/>
immer mit Interesse an ihre bewundernswerthe Festigkeit und an das stramme<lb/>
persönliche Auftreten denken, durch welches sie die ohnedies so streng discipli-<lb/>
nirten Offiziere und Soldaten Deutschlands sogar noch einen höheren Ge¬<lb/>
horsam kennen lehrte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1577" next="#ID_1578"> Als ich mit der Eisenbahn von Orleans in Paris mit meinem Gepäck<lb/>
ankam, bekam ich nur mit großer Mühe ein Coupe, welches mich nach dem<lb/>
Hotel Meurice brachte. Der einzige Zug, welcher Personen und Gepäck be¬<lb/>
förderte, ging um neun Uhr Vormittags ab; da ich nun einige Einkäufe zu<lb/>
machen hatte, und auch wußte, daß keine Droschken zu haben waren, ging<lb/>
ich zu Fuß, ohne jedoch mein Kreuz abgelegt zu haben, durch die Rue de<lb/>
Nivoli, Rue Castiglione, Place Vendiime, und Rue de la Paix bis zum<lb/>
Opernhause und dann wieder zurück. Die Straßen waren voll von Menschen<lb/>
in Uniformen (&#x201E;Soldaten" kann ich sie jedoch nicht nennen), die ohne be¬<lb/>
stimmten Zweck herumzulaufen schienen, von Damen, die alle in Schwarz<lb/>
gingen, und endlich von den unvermeidlichen &#x201E;Maus" &#x2014; von letzteren mußte<lb/>
ich zuweilen die grammatisch unrichtige Bemerkung hören &#x201E;Voila uns amdu-<lb/>
Iu,UM!" &#x2014; eine weitere Notiz nahm Niemand von mir, denn ich war auch<lb/>
schwarz gekleidet. In jedem Laden, in den ich ging, war dieselbe Geschichte<lb/>
&#x2014; seit der Belagerung war nichts mehr gearbeitet worden und auch jetzt<lb/>
schien keine Hoffnung auf Veränderung vorhanden, da keine Fremden kamen.<lb/>
Als ich an der wohlbekannten &#x201E;xortv-Loel^rö" in der Rue de la Pair<lb/>
vorbeikam, auf welcher auf einer metallenen Platte eingravirt war: &#x201E;'Aoitli an<lb/>
xromior", wunderte ich mich, wie viel der &#x201E;große Mann" durch die Be¬<lb/>
lagerung gelitten hatte, und ich war sehr erstaunt, daß Guerlain nicht ,,1'mu'-<lb/>
uiLLvur no L. N. 1'IwxüratriLs" von seinem Schilde hatte wegnehmen lassen.<lb/>
Am meisten wunderte ich mich jedoch über die vollständige Sicherheit und<lb/>
Leichtigkeit, mit der man inmitten jener einst so belebten Straßen, wo jetzt<lb/>
weder ein Omnibus noch irgend ein Fuhrwerk zu sehen war, gehen konnte.<lb/>
In einem &#x201E;NMsw" - Laden bemerkte die &#x201E;ävmoisLlle", die mich bediente: &#x2014;<lb/>
&#x2014; von« ödes bien boiMv, umäame, ä'irvoir 80igv6 Jos dlössös!" Ich<lb/>
lächelte und zuckte die Schultern. &#x2014; &#x201E;LtiLö-veins dtauf I^i'is, xonä^me is<lb/>
fügte sie hinzu. &#x2014; ,&gt;5!vn," antwortete ich, &#x201E;Kors Ac ?tu'is;" und da<lb/>
mir Vorsicht hier das Beste schien, nahm ich Tüll und Federn und ging dann<lb/>
aus dem Laden.  Es hätte mir nicht zur Befriedigung gereicht, wenn die</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0430] Am Morgen des achten März wurden die letzten „Freiwilligen" entlassen. Frau Schmidt und die drei „Krankenpfleger" gingen nach Deutschland zurück, Herr Müller traf sich mit seinem Bruder in Rheims, und ich fuhr nach Juvissy. So war unser Werk zu Ende. Meine fast drei Monate lange Arbeit war sehr schwer, das ist wahr, aber immer interessant und be¬ friedigend. Von Frau Schmidt nahm ich herzlichen Abschied; und ich werde immer mit Interesse an ihre bewundernswerthe Festigkeit und an das stramme persönliche Auftreten denken, durch welches sie die ohnedies so streng discipli- nirten Offiziere und Soldaten Deutschlands sogar noch einen höheren Ge¬ horsam kennen lehrte. Als ich mit der Eisenbahn von Orleans in Paris mit meinem Gepäck ankam, bekam ich nur mit großer Mühe ein Coupe, welches mich nach dem Hotel Meurice brachte. Der einzige Zug, welcher Personen und Gepäck be¬ förderte, ging um neun Uhr Vormittags ab; da ich nun einige Einkäufe zu machen hatte, und auch wußte, daß keine Droschken zu haben waren, ging ich zu Fuß, ohne jedoch mein Kreuz abgelegt zu haben, durch die Rue de Nivoli, Rue Castiglione, Place Vendiime, und Rue de la Paix bis zum Opernhause und dann wieder zurück. Die Straßen waren voll von Menschen in Uniformen („Soldaten" kann ich sie jedoch nicht nennen), die ohne be¬ stimmten Zweck herumzulaufen schienen, von Damen, die alle in Schwarz gingen, und endlich von den unvermeidlichen „Maus" — von letzteren mußte ich zuweilen die grammatisch unrichtige Bemerkung hören „Voila uns amdu- Iu,UM!" — eine weitere Notiz nahm Niemand von mir, denn ich war auch schwarz gekleidet. In jedem Laden, in den ich ging, war dieselbe Geschichte — seit der Belagerung war nichts mehr gearbeitet worden und auch jetzt schien keine Hoffnung auf Veränderung vorhanden, da keine Fremden kamen. Als ich an der wohlbekannten „xortv-Loel^rö" in der Rue de la Pair vorbeikam, auf welcher auf einer metallenen Platte eingravirt war: „'Aoitli an xromior", wunderte ich mich, wie viel der „große Mann" durch die Be¬ lagerung gelitten hatte, und ich war sehr erstaunt, daß Guerlain nicht ,,1'mu'- uiLLvur no L. N. 1'IwxüratriLs" von seinem Schilde hatte wegnehmen lassen. Am meisten wunderte ich mich jedoch über die vollständige Sicherheit und Leichtigkeit, mit der man inmitten jener einst so belebten Straßen, wo jetzt weder ein Omnibus noch irgend ein Fuhrwerk zu sehen war, gehen konnte. In einem „NMsw" - Laden bemerkte die „ävmoisLlle", die mich bediente: — — von« ödes bien boiMv, umäame, ä'irvoir 80igv6 Jos dlössös!" Ich lächelte und zuckte die Schultern. — „LtiLö-veins dtauf I^i'is, xonä^me is fügte sie hinzu. — ,>5!vn," antwortete ich, „Kors Ac ?tu'is;" und da mir Vorsicht hier das Beste schien, nahm ich Tüll und Federn und ging dann aus dem Laden. Es hätte mir nicht zur Befriedigung gereicht, wenn die

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299/430
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299/430>, abgerufen am 05.02.2025.