Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.mung mit Recht das Wort entzogen worden, gar nicht entschieden, sondern Am 23. November gelangte, nachdem die letzte Berathung des Münzge¬ Das deutsche Strafgesetzbuch enthält bereits einen Artikel, welcher die Hrenzboten II. 1871. i->0
mung mit Recht das Wort entzogen worden, gar nicht entschieden, sondern Am 23. November gelangte, nachdem die letzte Berathung des Münzge¬ Das deutsche Strafgesetzbuch enthält bereits einen Artikel, welcher die Hrenzboten II. 1871. i->0
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0401" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192702"/> <p xml:id="ID_1460" prev="#ID_1459"> mung mit Recht das Wort entzogen worden, gar nicht entschieden, sondern<lb/> die Geschäftsordnungscommission beauftragt werden, die betreffenden HH. einer<lb/> Revision zu unterwerfen. Unglaublicherweise fand dieser Antrag die Majo¬<lb/> rität. Das Haus verließ den Präsidenten, und dieser legte sofort sein Amt<lb/> nieder. Daß er bei der Neuwahl wiederum durch eine große Majorität er¬<lb/> nannt, die Stellung von Neuem annahm, vermögen wir nicht zu billigen.<lb/> Die deutschen Parlamente müssen endlich lernen, daß ihre Vota Folgen<lb/> haben und zwar ernstliche, die nicht im Handumdrehen wieder zu beseitigen<lb/> sind. I)r. Simson brauchte nicht seine Stellung für erschüttert zu halten durch<lb/> den Beschluß, die Frage des Ordnungsrufes neu zu regeln. Nachdem er aber<lb/> seine Stellung für verletzt erklärt hatte, durfte er sich nicht mit einer so wohl¬<lb/> feilen Reparatur zufrieden geben, wie eine Wiederwahl ist. Unser parlamen¬<lb/> tarisches Keder wird nur vorwärts kommen, wenn die Inhaber solcher<lb/> Stellungen, die auf Vertrauen basirt sind, nicht mehr hinnehmen, sich in demselben<lb/> Athem bei einer concreten Frage desavouiren und für das Allgemeine mit<lb/> einer Erklärung erneuten Vertrauens abfinden zu lassen. Die leitenden Po¬<lb/> litiker müssen lernen, ihre Stellung auch an die bestimmten Fragen zu binden,<lb/> wenn die Parlamente lermen sollen, auf ihre augenblicklichen Eingebungen zu<lb/> verzichten. Wenn die Gewohnheit, diesen Eingebungen zu folgen, fortbesteht,<lb/> lo konnte daraus nur die befestigte Anschauung folgen, daß in Deutschland die<lb/> Ministerien für alle Zukunft unabhängig bleiben müssen von den Entschlüssen<lb/> der Parlamente.</p><lb/> <p xml:id="ID_1461"> Am 23. November gelangte, nachdem die letzte Berathung des Münzge¬<lb/> setzes stattgefunden, der neue Artikel des Strafgesetzbuches zur ersten Berathung,<lb/> dessen Einbringung durch den Bundesraty, die auf Anregung der bayrischen<lb/> Regierung erfolgt ist, eine Verwirrung der Parleistandpuncte erzeugt hat, wie<lb/> ^ selten gesehen worden ist. Die Einen lassen sich leiten durch die mehr<lb/> oder minder unklare Vorstellung: der Artikel sei gegen die katholische Kirche<lb/> gerichtet, um ihn jubelnd aufzunehmen oder leidenschaftlich zu verwerfen. Die<lb/> anderen halten sich, indem sie höchst gewissenhaft zu verfahren glauben, gar<lb/> "icht an den Stoff, sondern lediglich an die Form des Artikels und bleiben<lb/> öden Sande der Doctrin hilflos sitzen. Es ist unglaublich, wie ein Thema<lb/> allseitig besprochen werden und die Gemüther erhitzen kann, während von<lb/> Rufend Personen kaum Eine sich den einfachen Sachverhalt nothdürftig klar<lb/> ^Macht hat. Diese Klarstellung muß unsere erste Aufgabe sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_1462" next="#ID_1463"> Das deutsche Strafgesetzbuch enthält bereits einen Artikel, welcher die<lb/> öffentliche Anreizung zur Gewalt mit Strafe bedroht und einen anderen Ar-<lb/> ^el, welcher dasselbe thut in Bezug auf die Erdichtung oder Entstellung von<lb/> Thatsachen zu dem Zweck, Staatseinrichtungen oder obrigkeitliche Anordnungen<lb/> Nächtlich zu machen. Mit diesen beiden Paragraphen des Strafgesetzbuches</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Hrenzboten II. 1871. i->0</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0401]
mung mit Recht das Wort entzogen worden, gar nicht entschieden, sondern
die Geschäftsordnungscommission beauftragt werden, die betreffenden HH. einer
Revision zu unterwerfen. Unglaublicherweise fand dieser Antrag die Majo¬
rität. Das Haus verließ den Präsidenten, und dieser legte sofort sein Amt
nieder. Daß er bei der Neuwahl wiederum durch eine große Majorität er¬
nannt, die Stellung von Neuem annahm, vermögen wir nicht zu billigen.
Die deutschen Parlamente müssen endlich lernen, daß ihre Vota Folgen
haben und zwar ernstliche, die nicht im Handumdrehen wieder zu beseitigen
sind. I)r. Simson brauchte nicht seine Stellung für erschüttert zu halten durch
den Beschluß, die Frage des Ordnungsrufes neu zu regeln. Nachdem er aber
seine Stellung für verletzt erklärt hatte, durfte er sich nicht mit einer so wohl¬
feilen Reparatur zufrieden geben, wie eine Wiederwahl ist. Unser parlamen¬
tarisches Keder wird nur vorwärts kommen, wenn die Inhaber solcher
Stellungen, die auf Vertrauen basirt sind, nicht mehr hinnehmen, sich in demselben
Athem bei einer concreten Frage desavouiren und für das Allgemeine mit
einer Erklärung erneuten Vertrauens abfinden zu lassen. Die leitenden Po¬
litiker müssen lernen, ihre Stellung auch an die bestimmten Fragen zu binden,
wenn die Parlamente lermen sollen, auf ihre augenblicklichen Eingebungen zu
verzichten. Wenn die Gewohnheit, diesen Eingebungen zu folgen, fortbesteht,
lo konnte daraus nur die befestigte Anschauung folgen, daß in Deutschland die
Ministerien für alle Zukunft unabhängig bleiben müssen von den Entschlüssen
der Parlamente.
Am 23. November gelangte, nachdem die letzte Berathung des Münzge¬
setzes stattgefunden, der neue Artikel des Strafgesetzbuches zur ersten Berathung,
dessen Einbringung durch den Bundesraty, die auf Anregung der bayrischen
Regierung erfolgt ist, eine Verwirrung der Parleistandpuncte erzeugt hat, wie
^ selten gesehen worden ist. Die Einen lassen sich leiten durch die mehr
oder minder unklare Vorstellung: der Artikel sei gegen die katholische Kirche
gerichtet, um ihn jubelnd aufzunehmen oder leidenschaftlich zu verwerfen. Die
anderen halten sich, indem sie höchst gewissenhaft zu verfahren glauben, gar
"icht an den Stoff, sondern lediglich an die Form des Artikels und bleiben
öden Sande der Doctrin hilflos sitzen. Es ist unglaublich, wie ein Thema
allseitig besprochen werden und die Gemüther erhitzen kann, während von
Rufend Personen kaum Eine sich den einfachen Sachverhalt nothdürftig klar
^Macht hat. Diese Klarstellung muß unsere erste Aufgabe sein.
Das deutsche Strafgesetzbuch enthält bereits einen Artikel, welcher die
öffentliche Anreizung zur Gewalt mit Strafe bedroht und einen anderen Ar-
^el, welcher dasselbe thut in Bezug auf die Erdichtung oder Entstellung von
Thatsachen zu dem Zweck, Staatseinrichtungen oder obrigkeitliche Anordnungen
Nächtlich zu machen. Mit diesen beiden Paragraphen des Strafgesetzbuches
Hrenzboten II. 1871. i->0
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