Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.Der Mann, der dieser Ausführung am kräftigsten entgegentrat, war der Ein zweiter Anlaß, bei dem der obenerwähnte tiefgehende Unterschied zu Es liegt natürlich auf der Hand, daß die Lebensfähigkeit der ganzen Da auch vom Comite in Köln ein ähnlicher Antrag vorlag, so nahm Nachdem mehrere Redner gesprochen hatten (darunter vorzüglich Staats¬ Gegen diese Form des religiösen Lebens trat Döllinger entschieden auf, Der Mann, der dieser Ausführung am kräftigsten entgegentrat, war der Ein zweiter Anlaß, bei dem der obenerwähnte tiefgehende Unterschied zu Es liegt natürlich auf der Hand, daß die Lebensfähigkeit der ganzen Da auch vom Comite in Köln ein ähnlicher Antrag vorlag, so nahm Nachdem mehrere Redner gesprochen hatten (darunter vorzüglich Staats¬ Gegen diese Form des religiösen Lebens trat Döllinger entschieden auf, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0040" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192340"/> <p xml:id="ID_149"> Der Mann, der dieser Ausführung am kräftigsten entgegentrat, war der<lb/> Regierungsrath Keller in Aarau. Er vertritt, wir wollen nicht sagen das<lb/> weltliche, aber doch das praktische Princip auch in kirchlichen Dingen und der<lb/> enorme Erfolg seiner derben treffenden Worte bewies, daß er den Sinn der<lb/> Menge richtig erkannt hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_150"> Ein zweiter Anlaß, bei dem der obenerwähnte tiefgehende Unterschied zu<lb/> Tage trat, ergab sich, als die Organisation »on altkatholischen Gemeinden<lb/> berathen wurde. Wie diese Frage sachlich die Wichtigste des ganzen Kon¬<lb/> gresses war, so bot sie auch in der formellen Behandlung das meiste Interesse.</p><lb/> <p xml:id="ID_151"> Es liegt natürlich auf der Hand, daß die Lebensfähigkeit der ganzen<lb/> Bewegung wesentlich von der Organisirung derselben bedingt ist, und daß der<lb/> Congreß sich dieser Aufgabe nie und nimmer entziehen durfte, wenn er über¬<lb/> haupt beabsichtigte, eine That zu thun. Für die Organisirung selbst aber<lb/> gibt es leine andere Form, als die des politischen Vereins oder die der kirch¬<lb/> lichen Gemeinde, und das ist der Grund, warum die Errichtung dieser beiden<lb/> fast nothwendig in das Programm der Altkatholiken aufgenommen werden<lb/> mußte.</p><lb/> <p xml:id="ID_152"> Da auch vom Comite in Köln ein ähnlicher Antrag vorlag, so nahm<lb/> man diesen zum Ausgangspunkt der Verhandlung. Die Debatte hatte rasch<lb/> einen Höhepunkt erreicht, wie er im ganzen Congreß nicht wiederkehrte; man<lb/> fühlte wohl, daß hier der Kernpunkt aller Agitation, aber auch der Kernpunkt<lb/> aller Schwierigkeiten lag.</p><lb/> <p xml:id="ID_153"> Nachdem mehrere Redner gesprochen hatten (darunter vorzüglich Staats¬<lb/> anwalt Streng aus München), faßte der Präsident von Schulte die Streit¬<lb/> frage in eine Resolution zusammen, welche höchst mäßig in ihren Forderun¬<lb/> gen war, und die er nun der Berathung unterbreitete. Es war darin be¬<lb/> tont, daß der permanente Nothstand, in dem sich die altkatholischen Familien<lb/> befinden, die Errichtung einer regelmäßigen Seelsorge fordert, und daß sich<lb/> im Anschluß an diese Seelsorge altkatholische Gemeinden bilden sollten, wo<lb/> die Personen hiezu vorhanden sind und das Bedürfniß gegeben scheint.</p><lb/> <p xml:id="ID_154" next="#ID_155"> Gegen diese Form des religiösen Lebens trat Döllinger entschieden auf,<lb/> weil sie den Keim zur Sektenbildung enthalte, und weil die Staatsregierung<lb/> in der Alternative, ob sie die große katholische Kirche oder die Altkatholiken<lb/> preisgeben solle, sicher die letzteren im Stiche lassen werde. Es läßt sich nicht<lb/> leugnen, daß den Worten des großen Meisters eine scharfe Logik und eine<lb/> reiche Erfahrung zu Grunde lag, aber das letzte Motiv seines Auftretens<lb/> waren doch nicht Verstandesgründe; es war eine unausgesprochene Bangigkeit,<lb/> daß sich die altkatholische Action vergreifen möchte an dem heiligen unantast¬<lb/> baren Leib der Kirche. Döllinger selbst hatte kurz vorher in der Versamm¬<lb/> lung ausgeführt, daß die Kirche von Utrecht nicht eine Sekte, sondern voll-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0040]
Der Mann, der dieser Ausführung am kräftigsten entgegentrat, war der
Regierungsrath Keller in Aarau. Er vertritt, wir wollen nicht sagen das
weltliche, aber doch das praktische Princip auch in kirchlichen Dingen und der
enorme Erfolg seiner derben treffenden Worte bewies, daß er den Sinn der
Menge richtig erkannt hatte.
Ein zweiter Anlaß, bei dem der obenerwähnte tiefgehende Unterschied zu
Tage trat, ergab sich, als die Organisation »on altkatholischen Gemeinden
berathen wurde. Wie diese Frage sachlich die Wichtigste des ganzen Kon¬
gresses war, so bot sie auch in der formellen Behandlung das meiste Interesse.
Es liegt natürlich auf der Hand, daß die Lebensfähigkeit der ganzen
Bewegung wesentlich von der Organisirung derselben bedingt ist, und daß der
Congreß sich dieser Aufgabe nie und nimmer entziehen durfte, wenn er über¬
haupt beabsichtigte, eine That zu thun. Für die Organisirung selbst aber
gibt es leine andere Form, als die des politischen Vereins oder die der kirch¬
lichen Gemeinde, und das ist der Grund, warum die Errichtung dieser beiden
fast nothwendig in das Programm der Altkatholiken aufgenommen werden
mußte.
Da auch vom Comite in Köln ein ähnlicher Antrag vorlag, so nahm
man diesen zum Ausgangspunkt der Verhandlung. Die Debatte hatte rasch
einen Höhepunkt erreicht, wie er im ganzen Congreß nicht wiederkehrte; man
fühlte wohl, daß hier der Kernpunkt aller Agitation, aber auch der Kernpunkt
aller Schwierigkeiten lag.
Nachdem mehrere Redner gesprochen hatten (darunter vorzüglich Staats¬
anwalt Streng aus München), faßte der Präsident von Schulte die Streit¬
frage in eine Resolution zusammen, welche höchst mäßig in ihren Forderun¬
gen war, und die er nun der Berathung unterbreitete. Es war darin be¬
tont, daß der permanente Nothstand, in dem sich die altkatholischen Familien
befinden, die Errichtung einer regelmäßigen Seelsorge fordert, und daß sich
im Anschluß an diese Seelsorge altkatholische Gemeinden bilden sollten, wo
die Personen hiezu vorhanden sind und das Bedürfniß gegeben scheint.
Gegen diese Form des religiösen Lebens trat Döllinger entschieden auf,
weil sie den Keim zur Sektenbildung enthalte, und weil die Staatsregierung
in der Alternative, ob sie die große katholische Kirche oder die Altkatholiken
preisgeben solle, sicher die letzteren im Stiche lassen werde. Es läßt sich nicht
leugnen, daß den Worten des großen Meisters eine scharfe Logik und eine
reiche Erfahrung zu Grunde lag, aber das letzte Motiv seines Auftretens
waren doch nicht Verstandesgründe; es war eine unausgesprochene Bangigkeit,
daß sich die altkatholische Action vergreifen möchte an dem heiligen unantast¬
baren Leib der Kirche. Döllinger selbst hatte kurz vorher in der Versamm¬
lung ausgeführt, daß die Kirche von Utrecht nicht eine Sekte, sondern voll-
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