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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.

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Hom deutschen Keichslag.^)

In dem letzten Reichstagsbrief, der ausschließlich die erste und zweite Be¬
rathung der Münzvorlage zusammenfaßte, ist ein Gedächtnißirrthum unterge¬
laufen, welchen der rasche Bericht über einen so verwickelten Gegenstand ent¬
schuldigen wird. Indem nämlich der letzte Brief hervorhob, die Consequenz
der Regierungsvorlage erheische die Einziehung der abgenutzten Goldmünzen
durch die Einzelstaaten, und so sei auch in der Vorlage bestimmt, wurde irr¬
thümlich hinzugefügt, daß der Reichstag diese Bestimmung angenommen habe.
Dies ist nicht der Fall gewesen. Der Reichstag hat vielmehr den § 9 der
Regierungsvorlage, in welchem die betreffende Bestimmung sich fand, trotz des
Einspruchs von Seiten des Bundesbevollmächtigten Camphausen nach dem
Antrag des Abg. Bamberger dahin abgeändert, daß Reichsgoldmünzen, welche
das Passirgewicht nicht mehr erreichen, für Rechnung des Reiches zum Ein¬
schmelzen eingezogen und an allen Kassen des Reiches und der Bundesstaaten
zum vollen Werth angenommen werden. Der Reichstag hat also von der
Befürchtung des Ministers Camphausen abgesehen, es könnten die Einzel-
staaten hier und da in Folge der Verpflichtung des Reiches, allein für die
vollwichtige Circulation zu haften, die Goldmünzen so ausprägen, daß ihr
Feingehalt gerade nur das nothwendige Passirgewicht erreicht.

Unserer Meinung nach rechtfertigt sich die an sich angemessene Haft des
Reiches für die vollwichtige Circulation bei einer gleichwohl particularistischen
Münzausprägung nur dadurch, daß ein Mißbrauch des Münzausprägungs-
rechtes dieses ganze Recht und den Einzelstaat, der sich dieses Mißbrauchs
schuldig machen wollte, erheblich gefährden würde. Das "nodlWZö odligv"
des Abg. Laster und das unbedingte Vertrauen desselben auf die Loyalität
der particularistischen Münzverwaltung würde uns dagegen den Reichstagsbe¬
schluß nicht rechtfertigen.

Am 23. November fand die letzte Berathung der Münzvorlage statt. Sie
begann mit der erfreulichen Mittheilung des Präsidenten Delbrück, daß der
Bundesrath die sämmtlichen Abänderungen des Reichstags annehme, mit
einem einzigen Vorbehalt und einer einzigen Ausnahme, Die genehmigten
Abänderungen bestehen in der Beseitigung des Groschens, in der Einziehung
der abgenutzten Münzen durch das Reich, anstatt durch die Einzelstaaten, in



") Berichtigung. Im letzten N.-T.-Brief S. 875 ist Zeile 1" v. ". statt Zw-mzig-
"'er'kstück zu lesen: Zehnmarkstück; ebenda Z. 14 v. o. ZehnmarPückbeträge statt Zwanzig-
'NmWückbeträgc,
Grenzboten II. 1871. 115
Hom deutschen Keichslag.^)

In dem letzten Reichstagsbrief, der ausschließlich die erste und zweite Be¬
rathung der Münzvorlage zusammenfaßte, ist ein Gedächtnißirrthum unterge¬
laufen, welchen der rasche Bericht über einen so verwickelten Gegenstand ent¬
schuldigen wird. Indem nämlich der letzte Brief hervorhob, die Consequenz
der Regierungsvorlage erheische die Einziehung der abgenutzten Goldmünzen
durch die Einzelstaaten, und so sei auch in der Vorlage bestimmt, wurde irr¬
thümlich hinzugefügt, daß der Reichstag diese Bestimmung angenommen habe.
Dies ist nicht der Fall gewesen. Der Reichstag hat vielmehr den § 9 der
Regierungsvorlage, in welchem die betreffende Bestimmung sich fand, trotz des
Einspruchs von Seiten des Bundesbevollmächtigten Camphausen nach dem
Antrag des Abg. Bamberger dahin abgeändert, daß Reichsgoldmünzen, welche
das Passirgewicht nicht mehr erreichen, für Rechnung des Reiches zum Ein¬
schmelzen eingezogen und an allen Kassen des Reiches und der Bundesstaaten
zum vollen Werth angenommen werden. Der Reichstag hat also von der
Befürchtung des Ministers Camphausen abgesehen, es könnten die Einzel-
staaten hier und da in Folge der Verpflichtung des Reiches, allein für die
vollwichtige Circulation zu haften, die Goldmünzen so ausprägen, daß ihr
Feingehalt gerade nur das nothwendige Passirgewicht erreicht.

Unserer Meinung nach rechtfertigt sich die an sich angemessene Haft des
Reiches für die vollwichtige Circulation bei einer gleichwohl particularistischen
Münzausprägung nur dadurch, daß ein Mißbrauch des Münzausprägungs-
rechtes dieses ganze Recht und den Einzelstaat, der sich dieses Mißbrauchs
schuldig machen wollte, erheblich gefährden würde. Das „nodlWZö odligv"
des Abg. Laster und das unbedingte Vertrauen desselben auf die Loyalität
der particularistischen Münzverwaltung würde uns dagegen den Reichstagsbe¬
schluß nicht rechtfertigen.

Am 23. November fand die letzte Berathung der Münzvorlage statt. Sie
begann mit der erfreulichen Mittheilung des Präsidenten Delbrück, daß der
Bundesrath die sämmtlichen Abänderungen des Reichstags annehme, mit
einem einzigen Vorbehalt und einer einzigen Ausnahme, Die genehmigten
Abänderungen bestehen in der Beseitigung des Groschens, in der Einziehung
der abgenutzten Münzen durch das Reich, anstatt durch die Einzelstaaten, in



") Berichtigung. Im letzten N.-T.-Brief S. 875 ist Zeile 1» v. ». statt Zw-mzig-
"'er'kstück zu lesen: Zehnmarkstück; ebenda Z. 14 v. o. ZehnmarPückbeträge statt Zwanzig-
'NmWückbeträgc,
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[0361] Hom deutschen Keichslag.^) In dem letzten Reichstagsbrief, der ausschließlich die erste und zweite Be¬ rathung der Münzvorlage zusammenfaßte, ist ein Gedächtnißirrthum unterge¬ laufen, welchen der rasche Bericht über einen so verwickelten Gegenstand ent¬ schuldigen wird. Indem nämlich der letzte Brief hervorhob, die Consequenz der Regierungsvorlage erheische die Einziehung der abgenutzten Goldmünzen durch die Einzelstaaten, und so sei auch in der Vorlage bestimmt, wurde irr¬ thümlich hinzugefügt, daß der Reichstag diese Bestimmung angenommen habe. Dies ist nicht der Fall gewesen. Der Reichstag hat vielmehr den § 9 der Regierungsvorlage, in welchem die betreffende Bestimmung sich fand, trotz des Einspruchs von Seiten des Bundesbevollmächtigten Camphausen nach dem Antrag des Abg. Bamberger dahin abgeändert, daß Reichsgoldmünzen, welche das Passirgewicht nicht mehr erreichen, für Rechnung des Reiches zum Ein¬ schmelzen eingezogen und an allen Kassen des Reiches und der Bundesstaaten zum vollen Werth angenommen werden. Der Reichstag hat also von der Befürchtung des Ministers Camphausen abgesehen, es könnten die Einzel- staaten hier und da in Folge der Verpflichtung des Reiches, allein für die vollwichtige Circulation zu haften, die Goldmünzen so ausprägen, daß ihr Feingehalt gerade nur das nothwendige Passirgewicht erreicht. Unserer Meinung nach rechtfertigt sich die an sich angemessene Haft des Reiches für die vollwichtige Circulation bei einer gleichwohl particularistischen Münzausprägung nur dadurch, daß ein Mißbrauch des Münzausprägungs- rechtes dieses ganze Recht und den Einzelstaat, der sich dieses Mißbrauchs schuldig machen wollte, erheblich gefährden würde. Das „nodlWZö odligv" des Abg. Laster und das unbedingte Vertrauen desselben auf die Loyalität der particularistischen Münzverwaltung würde uns dagegen den Reichstagsbe¬ schluß nicht rechtfertigen. Am 23. November fand die letzte Berathung der Münzvorlage statt. Sie begann mit der erfreulichen Mittheilung des Präsidenten Delbrück, daß der Bundesrath die sämmtlichen Abänderungen des Reichstags annehme, mit einem einzigen Vorbehalt und einer einzigen Ausnahme, Die genehmigten Abänderungen bestehen in der Beseitigung des Groschens, in der Einziehung der abgenutzten Münzen durch das Reich, anstatt durch die Einzelstaaten, in ") Berichtigung. Im letzten N.-T.-Brief S. 875 ist Zeile 1» v. ». statt Zw-mzig- "'er'kstück zu lesen: Zehnmarkstück; ebenda Z. 14 v. o. ZehnmarPückbeträge statt Zwanzig- 'NmWückbeträgc, Grenzboten II. 1871. 115

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299/361>, abgerufen am 05.02.2025.