Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.Auftrag erhalten werden, für die Sünden des Volkes wie ehedem im Tempel Die Vielweiberei ist den Mormonen Gewissenssache. Sie kann nichts Will ein Mormon sich zu seiner ersten Frau eine zweite nehmen, so hat er Die Heirathen können bei den Mormonen blos für dieses Leben oder Eine andere seltsame Erscheinung, die aus der Lehre von den Heirathen Auftrag erhalten werden, für die Sünden des Volkes wie ehedem im Tempel Die Vielweiberei ist den Mormonen Gewissenssache. Sie kann nichts Will ein Mormon sich zu seiner ersten Frau eine zweite nehmen, so hat er Die Heirathen können bei den Mormonen blos für dieses Leben oder Eine andere seltsame Erscheinung, die aus der Lehre von den Heirathen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0338" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192639"/> <p xml:id="ID_1265" prev="#ID_1264"> Auftrag erhalten werden, für die Sünden des Volkes wie ehedem im Tempel<lb/> Salomos Thieropfer darzubringen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1266"> Die Vielweiberei ist den Mormonen Gewissenssache. Sie kann nichts<lb/> Unnatürliches sein, sagen die mormonischen Bertheidiger derselben; denn vier<lb/> Fünftel der Bewohner unseres Planeten huldigen derselben, und sie ist<lb/> nicht gegen Gottes Willen; denn die Bibel verbietet sie nirgends, faßt<lb/> sie vielmehr an vielen Stellen als göttliche Einrichtung auf. Wenn das<lb/> „Book of Mormon" dieselbe untersagt, so erklärt sich dies daraus, daß in<lb/> der alten Zeit, wo dasselbe verfaßt wurde, mehr Männer als Frauen in<lb/> Amerika waren. Jetzt ist die Polygamie durch eine Offenbarung erlaubt,<lb/> aber immer nur für einzelne Fälle, die jeder durch eine Offenbarung Gottes<lb/> an den Propheten festgestellt sein müssen. Ihr Zweck ist Förderung des<lb/> Zwecks der Ehe überhaupt, der in der Erfüllung der Schöpfung mit Myria-<lb/> den vernünftiger und mit Willen begabter Wesen besteht, welche Gott ähnlich<lb/> und befähigt sind, zur Vollkommenheit fortzuschreiten und zu Göttern zu<lb/> werden. „Hierdurch werden die Reiche des Allmächtigen gemehrt," heißt es<lb/> bei Pratt, „indem neue Welten, bewohnt von Wesen seiner Art und Gestalt,<lb/> hinzukommen."</p><lb/> <p xml:id="ID_1267"> Will ein Mormon sich zu seiner ersten Frau eine zweite nehmen, so hat er<lb/> dazu die Einwilligung der ersten nöthig. Wird dieselbe versagt, so muß die<lb/> Frau vor dem Präsidenten vernünftige Gründe für ihre Weigerung angeben.<lb/> Erscheinen dieselben genügend, so erhält der Mann die Erlaubniß zur zweiten<lb/> Ehe nicht. Im anderen Falle kann er, „wenn es ihm auf dem Wege der<lb/> Offenbarung gestattet wird, andere Frauen auch ohne die Zustimmung der<lb/> ersten nehmen, und letztere wird sich die Verdammniß zuziehen, weil sie ihm<lb/> jene nicht geben wollte, wie Sarah dem Abraham die Hagar und wie Lea<lb/> und Rahel ihrem Manne Jakob die Bilha und Zilpah gaben."</p><lb/> <p xml:id="ID_1268"> Die Heirathen können bei den Mormonen blos für dieses Leben oder<lb/> für Zeit und Ewigkeit geschloffen werden, und es kommt häusig vor, daß<lb/> dieselbe Frau, welche einem Manne auf Zeit „angesiegelt" worden, einem<lb/> andern für die Ewigkeit vermählt wird. Dieselbe ist dann „die geistliche Frau"<lb/> des letzteren, der aber auf ihr leiblich Theil dieselben Rechte hat, wie der<lb/> andere Mann der Dame, so daß also neben der Polygamie in Deseret auch<lb/> eine Art Polyandrie besteht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1269" next="#ID_1270"> Eine andere seltsame Erscheinung, die aus der Lehre von den Heirathen<lb/> für die Zeit und die Ewigkeit hervorgegangen ist, besteht darin, daß man in<lb/> Neujerusalem lebende Personen mit todten traut. Die Ehe für die Zeit ist<lb/> eine irdische Sache, sagen die Mormonen, und muß zwischen einem lebenden<lb/> Manne und einer lebenden Frau vollzogen werden. Aber die Ehe für die<lb/> Ewigkeit ist eine himmlische Angelegenheit und kann zwischen Lebenden und</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0338]
Auftrag erhalten werden, für die Sünden des Volkes wie ehedem im Tempel
Salomos Thieropfer darzubringen.
Die Vielweiberei ist den Mormonen Gewissenssache. Sie kann nichts
Unnatürliches sein, sagen die mormonischen Bertheidiger derselben; denn vier
Fünftel der Bewohner unseres Planeten huldigen derselben, und sie ist
nicht gegen Gottes Willen; denn die Bibel verbietet sie nirgends, faßt
sie vielmehr an vielen Stellen als göttliche Einrichtung auf. Wenn das
„Book of Mormon" dieselbe untersagt, so erklärt sich dies daraus, daß in
der alten Zeit, wo dasselbe verfaßt wurde, mehr Männer als Frauen in
Amerika waren. Jetzt ist die Polygamie durch eine Offenbarung erlaubt,
aber immer nur für einzelne Fälle, die jeder durch eine Offenbarung Gottes
an den Propheten festgestellt sein müssen. Ihr Zweck ist Förderung des
Zwecks der Ehe überhaupt, der in der Erfüllung der Schöpfung mit Myria-
den vernünftiger und mit Willen begabter Wesen besteht, welche Gott ähnlich
und befähigt sind, zur Vollkommenheit fortzuschreiten und zu Göttern zu
werden. „Hierdurch werden die Reiche des Allmächtigen gemehrt," heißt es
bei Pratt, „indem neue Welten, bewohnt von Wesen seiner Art und Gestalt,
hinzukommen."
Will ein Mormon sich zu seiner ersten Frau eine zweite nehmen, so hat er
dazu die Einwilligung der ersten nöthig. Wird dieselbe versagt, so muß die
Frau vor dem Präsidenten vernünftige Gründe für ihre Weigerung angeben.
Erscheinen dieselben genügend, so erhält der Mann die Erlaubniß zur zweiten
Ehe nicht. Im anderen Falle kann er, „wenn es ihm auf dem Wege der
Offenbarung gestattet wird, andere Frauen auch ohne die Zustimmung der
ersten nehmen, und letztere wird sich die Verdammniß zuziehen, weil sie ihm
jene nicht geben wollte, wie Sarah dem Abraham die Hagar und wie Lea
und Rahel ihrem Manne Jakob die Bilha und Zilpah gaben."
Die Heirathen können bei den Mormonen blos für dieses Leben oder
für Zeit und Ewigkeit geschloffen werden, und es kommt häusig vor, daß
dieselbe Frau, welche einem Manne auf Zeit „angesiegelt" worden, einem
andern für die Ewigkeit vermählt wird. Dieselbe ist dann „die geistliche Frau"
des letzteren, der aber auf ihr leiblich Theil dieselben Rechte hat, wie der
andere Mann der Dame, so daß also neben der Polygamie in Deseret auch
eine Art Polyandrie besteht.
Eine andere seltsame Erscheinung, die aus der Lehre von den Heirathen
für die Zeit und die Ewigkeit hervorgegangen ist, besteht darin, daß man in
Neujerusalem lebende Personen mit todten traut. Die Ehe für die Zeit ist
eine irdische Sache, sagen die Mormonen, und muß zwischen einem lebenden
Manne und einer lebenden Frau vollzogen werden. Aber die Ehe für die
Ewigkeit ist eine himmlische Angelegenheit und kann zwischen Lebenden und
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