Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.verliehen ist, während jene Macht über Krankheiten und Teufel durch Gnadenmittel oder Sacramente haben die Mormonen drei: Taufe, Abend- Die Taufe wird zur Vergebung der Sünden und deßhalb nur an Zu¬ Das heilige Abendmahl wird "zur Erinnerung an den Leib und das verliehen ist, während jene Macht über Krankheiten und Teufel durch Gnadenmittel oder Sacramente haben die Mormonen drei: Taufe, Abend- Die Taufe wird zur Vergebung der Sünden und deßhalb nur an Zu¬ Das heilige Abendmahl wird „zur Erinnerung an den Leib und das <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0335" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192636"/> <p xml:id="ID_1252" prev="#ID_1251"> verliehen ist, während jene Macht über Krankheiten und Teufel durch<lb/> die Weihe zum Priester erworben werden muß. Die Glossolalie kommt auch<lb/> bei andern enthusiastischen Secten Amerika's, z. B. bei den Shakern, vor,<lb/> hat aber mit der biblischen wenig gemein. Es ist im besten Fall eine Art<lb/> Stammeln, Lallen und Gurgeln, hervorgegangen aus krankhafter Gemüths¬<lb/> aufregung, zuweilen ähnlich dem Phantasiren von Fieberkranken, mitunter<lb/> eine Folge innerlich nicht zusammenhängender englischer, dänischer oder indiani¬<lb/> scher Worte oder ein bloßes Ausstoßen willkürlich zusammengeworfener Vocale<lb/> und Consonanten. Man denke sich eine gottselig verzückte Versammlung, in<lb/> der sich plötzlich jemand erhebt und unter allerhand Grimassen Laute hervor¬<lb/> dringt, wie: Tschina, puhva. kath, linasche! Alles ist still. Da steht nach<lb/> einer Weile ein Anderer auf und erklärt, der heilige Geist habe ihm verkün¬<lb/> det, was es bedeute, es sei ein Jndianerdialekt und heiße — folgt dann die<lb/> Uebersetzung.</p><lb/> <p xml:id="ID_1253"> Gnadenmittel oder Sacramente haben die Mormonen drei: Taufe, Abend-<lb/> Mahl und Priesterweihe.</p><lb/> <p xml:id="ID_1254"> Die Taufe wird zur Vergebung der Sünden und deßhalb nur an Zu¬<lb/> rechnungsfähigen vollzogen, und man nimmt an, daß der Mensch mit dem<lb/> achten Lebensjahre diese Eigenschaft erlangt. Sie geschieht durch Untertauchen<lb/> und im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes.<lb/> An der Stelle der Kindertaufe haben die Mormonen nur eine mit Handauf-<lb/> legung verbundene Segnung der Neugeborenen durch die Aeltesten. Dagegen<lb/> kennen sie eine „Taufe für die Verstorbenen." Sie sind nämlich der Ansicht,<lb/> daß niemand ohne mormonische Taufe Vergebung der Sünden erlangen und<lb/> ^ den Himmel kommen kann. Nun kann aber, so sagen sie weiter, ein Hei-<lb/> !>ger den Wunsch hegen, dereinst auch diejenigen seiner Freunde und Ver¬<lb/> wandten bei sich zu sehen, welche entweder durch Ungunst der Verhältnisse<lb/> °der weil sie das Sacrament mißachteten, ohne wahre Taufe aus der Welt<lb/> fangen sind. Dies aber wird dadurch erreicht, daß die Hinterbliebenen sich<lb/> stellvertretend für jene taufen lassen. Die Abgeschiedenen befinden sich in einem<lb/> ^rüfungszustand ähnlich dem Fegefeuer der Katholiken, Sie haben bereut<lb/> ^ut Buße gethan und sehnen sich jetzt nach dem unerläßlichen Ritus der<lb/> ^ormonentaufe. Da sie die an ihrem Orte nicht haben können, so erwächst<lb/> 'dren Angehörigen die Pflicht, sich dieser Ceremonie für sie zu unterziehen,<lb/> ^le befriedigen damit einerseits den Wunsch der Verstorbenen, und anderer¬<lb/> seits erwerben sie sich das Verdienst, Mehrer des Reichs Gottes zu sein. So<lb/> ^Nimt es vor, daß Mormonen ein Dutzend Mal getauft sind, einmal für<lb/> ^ selbst, dann für Vater und Mutter, die Großältern, Oheim und Tante,<lb/> Geschwister, Freunde, Gatten u. d.</p><lb/> <p xml:id="ID_1255" next="#ID_1256"> Das heilige Abendmahl wird „zur Erinnerung an den Leib und das</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0335]
verliehen ist, während jene Macht über Krankheiten und Teufel durch
die Weihe zum Priester erworben werden muß. Die Glossolalie kommt auch
bei andern enthusiastischen Secten Amerika's, z. B. bei den Shakern, vor,
hat aber mit der biblischen wenig gemein. Es ist im besten Fall eine Art
Stammeln, Lallen und Gurgeln, hervorgegangen aus krankhafter Gemüths¬
aufregung, zuweilen ähnlich dem Phantasiren von Fieberkranken, mitunter
eine Folge innerlich nicht zusammenhängender englischer, dänischer oder indiani¬
scher Worte oder ein bloßes Ausstoßen willkürlich zusammengeworfener Vocale
und Consonanten. Man denke sich eine gottselig verzückte Versammlung, in
der sich plötzlich jemand erhebt und unter allerhand Grimassen Laute hervor¬
dringt, wie: Tschina, puhva. kath, linasche! Alles ist still. Da steht nach
einer Weile ein Anderer auf und erklärt, der heilige Geist habe ihm verkün¬
det, was es bedeute, es sei ein Jndianerdialekt und heiße — folgt dann die
Uebersetzung.
Gnadenmittel oder Sacramente haben die Mormonen drei: Taufe, Abend-
Mahl und Priesterweihe.
Die Taufe wird zur Vergebung der Sünden und deßhalb nur an Zu¬
rechnungsfähigen vollzogen, und man nimmt an, daß der Mensch mit dem
achten Lebensjahre diese Eigenschaft erlangt. Sie geschieht durch Untertauchen
und im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes.
An der Stelle der Kindertaufe haben die Mormonen nur eine mit Handauf-
legung verbundene Segnung der Neugeborenen durch die Aeltesten. Dagegen
kennen sie eine „Taufe für die Verstorbenen." Sie sind nämlich der Ansicht,
daß niemand ohne mormonische Taufe Vergebung der Sünden erlangen und
^ den Himmel kommen kann. Nun kann aber, so sagen sie weiter, ein Hei-
!>ger den Wunsch hegen, dereinst auch diejenigen seiner Freunde und Ver¬
wandten bei sich zu sehen, welche entweder durch Ungunst der Verhältnisse
°der weil sie das Sacrament mißachteten, ohne wahre Taufe aus der Welt
fangen sind. Dies aber wird dadurch erreicht, daß die Hinterbliebenen sich
stellvertretend für jene taufen lassen. Die Abgeschiedenen befinden sich in einem
^rüfungszustand ähnlich dem Fegefeuer der Katholiken, Sie haben bereut
^ut Buße gethan und sehnen sich jetzt nach dem unerläßlichen Ritus der
^ormonentaufe. Da sie die an ihrem Orte nicht haben können, so erwächst
'dren Angehörigen die Pflicht, sich dieser Ceremonie für sie zu unterziehen,
^le befriedigen damit einerseits den Wunsch der Verstorbenen, und anderer¬
seits erwerben sie sich das Verdienst, Mehrer des Reichs Gottes zu sein. So
^Nimt es vor, daß Mormonen ein Dutzend Mal getauft sind, einmal für
^ selbst, dann für Vater und Mutter, die Großältern, Oheim und Tante,
Geschwister, Freunde, Gatten u. d.
Das heilige Abendmahl wird „zur Erinnerung an den Leib und das
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