Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.ein goldnes 10-Thalerstück; ein 20-Markstück und ein sogenanntes 1ö-Mark- Was die Theilung der Rechnungseinheit betrifft, so verstand sich die Die vierte Frage endlich, welche bei der Gründung eines deutschen Münz- Aber die Frage: Reichs- oder Landesmünze, schließt noch ganz andere, ein goldnes 10-Thalerstück; ein 20-Markstück und ein sogenanntes 1ö-Mark- Was die Theilung der Rechnungseinheit betrifft, so verstand sich die Die vierte Frage endlich, welche bei der Gründung eines deutschen Münz- Aber die Frage: Reichs- oder Landesmünze, schließt noch ganz andere, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0327" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192628"/> <p xml:id="ID_1224" prev="#ID_1223"> ein goldnes 10-Thalerstück; ein 20-Markstück und ein sogenanntes 1ö-Mark-<lb/> stück.' Schon der Bundesrath hatte das letztere Stück glücklicherweise aus der<lb/> Gesetzesvorlage entfernt. Der Reichstag that das seinige und beseitigte das<lb/> 30-Markstück. Man frägt sich vergebens, was die Negierung mit diesen bei¬<lb/> den Stücken gewollt hat. Wäre es in der That auf die Beibehaltung des<lb/> Thalers als Nechnungseinheit abgesehen gewesen? Aus den Reden der Bun-<lb/> descommissare war nichts Deutliches zu ersehen. Allerdings fand das goldene<lb/> 10-Thalerstück nicht nur in den Herren Delbrück und Meineke, sondern in<lb/> dem Reichskanzler selbst einen Vertheidiger. Aber das beweist nur, wie<lb/> äußerlich dem Reichskanzler diese Frage ist, wie wenig er aus Mangel an<lb/> Zeit oder einer zufällig günstigen Beleuchtung bis jetzt' den Kern der Sache<lb/> gesehen hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_1225"> Was die Theilung der Rechnungseinheit betrifft, so verstand sich die<lb/> Theilung der Mark in'100 Pfennige von selbst. Aber ihrem Charakter zag¬<lb/> hafter Halbheit getreu, hatte die Regierungsvorlage Mark und Pfennig durch<lb/> eine Zwischentheilung getrennt, den alten wohlbekannten Groschen. Als ob<lb/> es nicht ein Hauptmangel der Thalerrechnung gewesen wäre, daß man mit<lb/> dreierlei Münzgrößen rechnen mußte, daß man die Pfennige addiren, dann<lb/> durch 12 dividir'en, dann noch einmal durch 30 dividiren mußte und umgekehrt!<lb/> Als ob nicht Jeder von uns, der einmal in Oestreich gewesen ist, die Vor¬<lb/> theile der dortigen Theilung der Rechnungseinheit hätte mit Händen greifen<lb/> müssen! Als ob nicht jeder in Oestreich Reisende gesehen hätte, wie die<lb/> dortige Rechnung in allen Volksschichten, deren Schulbildung doch viel mangel¬<lb/> hafter ist, als in Deutschland, mit vollkommner Sicherheit gehandhabt wird!<lb/> Jede Bauerfrau weiß dort, daß sie die Kreuzer addirr und bei der Summe<lb/> zwei Stellen von rechts nach links durch ein Komma abtrennt. Dann hat<lb/> sie Gulden und Kreuzer. Aber die handgreifliche Zweckmäßigkeit dieser<lb/> Rechnungsart wurde von den Herren Camphausen und Patow, zwei Finanz¬<lb/> kennern,'deren Autorität wir nicht verkleinern wollen, allerdings im Namen<lb/> des Volkes, geleugnet. Indem der Reichstag auf Bambergers Anregung den<lb/> Groschen ausschloß, vollbrachte er den wohlthätigsten Mord, der je einer ge¬<lb/> setzgebenden Versammlung gelungen ist. Dafür ruft allerdings die heutigen<lb/> Nationalzeitung dem Groschen ein jammervolles Wehe nach und ein strafen¬<lb/> des Wehe auf den Reichstag herab. Das beweist aber nur, wie schwer die<lb/> einfachsten Dinge oft in den Verstand der Verständigen eingehen. Wir geben<lb/> dem Reichstag' mit sicherer Ueberzeugung den Ruhm, daß er sich um die<lb/> rationelle Eintheilung unseres neuen Münzsystems wohlverdient gemacht hat.<lb/> Dies ist auch dadurch geschehen, daß die Ausprägung eines goldenen 10 Mark¬<lb/> stückes in die Vorlage aufgenommen worden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1226"> Die vierte Frage endlich, welche bei der Gründung eines deutschen Münz-<lb/> shstems in Betracht kommt, lautet: Neichsmünze oder Landesmünze? Wenn<lb/> der Inhalt dieser Frage nur der wäre, welches Bild auf den neuen Münzen<lb/> stehen soll, dann würde uns die Antwort sehr ruhig lassen. Aesthetisch würden<lb/> "u'r am passendsten finden, wenn die Münzen gar kein Bildniß trügen, wie<lb/> die Bildnisse erfreulicherweise von den Postmarken verschwunden sind. Wir<lb/> denken, es kann für die Allerhöchsten Herrschaften keine behagliche Empfindung<lb/> sein, ihre Gesichtszüge auf den Münzen mit Stoffen, die nicht dahin gehören,<lb/> bald an der bald'an dieser Stelle überzogen zu sehen. Sollen aber die<lb/> Münzen einmal Bildnisse tragen, so wollen wir uns die Mannigfaltigkeit<lb/> derselben ebenso gern gefallen lassen, wie der Abgeordnete Treitschke.</p><lb/> <p xml:id="ID_1227" next="#ID_1228"> Aber die Frage: Reichs- oder Landesmünze, schließt noch ganz andere,<lb/> Viel erheblichere Dinge ein. Das Reich würde Eine Münzwerkstätt errichten,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0327]
ein goldnes 10-Thalerstück; ein 20-Markstück und ein sogenanntes 1ö-Mark-
stück.' Schon der Bundesrath hatte das letztere Stück glücklicherweise aus der
Gesetzesvorlage entfernt. Der Reichstag that das seinige und beseitigte das
30-Markstück. Man frägt sich vergebens, was die Negierung mit diesen bei¬
den Stücken gewollt hat. Wäre es in der That auf die Beibehaltung des
Thalers als Nechnungseinheit abgesehen gewesen? Aus den Reden der Bun-
descommissare war nichts Deutliches zu ersehen. Allerdings fand das goldene
10-Thalerstück nicht nur in den Herren Delbrück und Meineke, sondern in
dem Reichskanzler selbst einen Vertheidiger. Aber das beweist nur, wie
äußerlich dem Reichskanzler diese Frage ist, wie wenig er aus Mangel an
Zeit oder einer zufällig günstigen Beleuchtung bis jetzt' den Kern der Sache
gesehen hat.
Was die Theilung der Rechnungseinheit betrifft, so verstand sich die
Theilung der Mark in'100 Pfennige von selbst. Aber ihrem Charakter zag¬
hafter Halbheit getreu, hatte die Regierungsvorlage Mark und Pfennig durch
eine Zwischentheilung getrennt, den alten wohlbekannten Groschen. Als ob
es nicht ein Hauptmangel der Thalerrechnung gewesen wäre, daß man mit
dreierlei Münzgrößen rechnen mußte, daß man die Pfennige addiren, dann
durch 12 dividir'en, dann noch einmal durch 30 dividiren mußte und umgekehrt!
Als ob nicht Jeder von uns, der einmal in Oestreich gewesen ist, die Vor¬
theile der dortigen Theilung der Rechnungseinheit hätte mit Händen greifen
müssen! Als ob nicht jeder in Oestreich Reisende gesehen hätte, wie die
dortige Rechnung in allen Volksschichten, deren Schulbildung doch viel mangel¬
hafter ist, als in Deutschland, mit vollkommner Sicherheit gehandhabt wird!
Jede Bauerfrau weiß dort, daß sie die Kreuzer addirr und bei der Summe
zwei Stellen von rechts nach links durch ein Komma abtrennt. Dann hat
sie Gulden und Kreuzer. Aber die handgreifliche Zweckmäßigkeit dieser
Rechnungsart wurde von den Herren Camphausen und Patow, zwei Finanz¬
kennern,'deren Autorität wir nicht verkleinern wollen, allerdings im Namen
des Volkes, geleugnet. Indem der Reichstag auf Bambergers Anregung den
Groschen ausschloß, vollbrachte er den wohlthätigsten Mord, der je einer ge¬
setzgebenden Versammlung gelungen ist. Dafür ruft allerdings die heutigen
Nationalzeitung dem Groschen ein jammervolles Wehe nach und ein strafen¬
des Wehe auf den Reichstag herab. Das beweist aber nur, wie schwer die
einfachsten Dinge oft in den Verstand der Verständigen eingehen. Wir geben
dem Reichstag' mit sicherer Ueberzeugung den Ruhm, daß er sich um die
rationelle Eintheilung unseres neuen Münzsystems wohlverdient gemacht hat.
Dies ist auch dadurch geschehen, daß die Ausprägung eines goldenen 10 Mark¬
stückes in die Vorlage aufgenommen worden.
Die vierte Frage endlich, welche bei der Gründung eines deutschen Münz-
shstems in Betracht kommt, lautet: Neichsmünze oder Landesmünze? Wenn
der Inhalt dieser Frage nur der wäre, welches Bild auf den neuen Münzen
stehen soll, dann würde uns die Antwort sehr ruhig lassen. Aesthetisch würden
"u'r am passendsten finden, wenn die Münzen gar kein Bildniß trügen, wie
die Bildnisse erfreulicherweise von den Postmarken verschwunden sind. Wir
denken, es kann für die Allerhöchsten Herrschaften keine behagliche Empfindung
sein, ihre Gesichtszüge auf den Münzen mit Stoffen, die nicht dahin gehören,
bald an der bald'an dieser Stelle überzogen zu sehen. Sollen aber die
Münzen einmal Bildnisse tragen, so wollen wir uns die Mannigfaltigkeit
derselben ebenso gern gefallen lassen, wie der Abgeordnete Treitschke.
Aber die Frage: Reichs- oder Landesmünze, schließt noch ganz andere,
Viel erheblichere Dinge ein. Das Reich würde Eine Münzwerkstätt errichten,
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