Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.geldwirthschaft der edelmetallenen Circulationsmittel fast beraubten Länder, Die dritte Frage, welche bei der Gründung eines deutschen Münzsystems geldwirthschaft der edelmetallenen Circulationsmittel fast beraubten Länder, Die dritte Frage, welche bei der Gründung eines deutschen Münzsystems <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0326" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192627"/> <p xml:id="ID_1222" prev="#ID_1221"> geldwirthschaft der edelmetallenen Circulationsmittel fast beraubten Länder,<lb/> wie Oestreich und Italien. Wenn dieser Ausweg nun auch ein frommer<lb/> Wunsch bleibt, so dringt uns das Silber als Verdrängungsmittel des Gol¬<lb/> des doch weniger Gefahr, als das Papiergeld, weil Silber aNein das Gold<lb/> nicht entbehrlich macht. Wenn aber das Papiergeld die unheilvolle Function<lb/> der Goldverdrängung ausüben sollte, so fügt es unserm Nationalreichthum<lb/> einen Schaden zu, der größer ist als der Verlust, welchen die Werthminde¬<lb/> rung des Materials bei dem Silbergeld herbeiführen kann.'</p><lb/> <p xml:id="ID_1223" next="#ID_1224"> Die dritte Frage, welche bei der Gründung eines deutschen Münzsystems<lb/> in Betracht kommt, ist die Eintheilung der Münzen. Darüber bestand kein<lb/> Zweifel, daß eine decimale Theilung eingeführt werden müsse. Es handelte<lb/> sich also um die Rechnungseinheit, d. h. um diejenige Münze, von der die<lb/> kleinsten Münzstücke als decimale Theile, von der die größten Münzstücke als<lb/> decimale Vielfache im Verkehr mit kBcquemlichkeit zu bezeichnen sind. Die<lb/> Frage stand zwischen dem Thäler, dem Gulden und der Mark, oder zwischen<lb/> dem Thaler, dem Zweidrittelthaler und dem Eindrittelthäler. Denn die Forde¬<lb/> rung war unumgänglich, daß die kleinste Theilung, der neuen Rechnungsein¬<lb/> heit', mochte sie als halber Kreuzer, als Pfennig oder sonst wie bezeichnet sein,<lb/> ohne Bruch aufgehen mußte in die bisherigen Theilungen des Thalers bis<lb/> zum Groschen und womöglich bis zum halben Groschen herab. Der Thaler<lb/> ist dem decimalen System nicht günstig, indem ^die decimalen Vielfachen<lb/> des Thalers zu große Münzstücke geben, die decimalen Theile aber keine<lb/> passenden Kleinen'ünzen bilden. Für den Gulden oder Zweidrittelthaler<lb/> sprach Vieles. Die Regierung adoptirte ihn gleichwohl nicht, wobei sie sich<lb/> hauptsächlich auf zwei Gründe stützte. Der eine Grund besagte, daß der<lb/> hundertste Theil des Guldens, der Kreuzer, eine Münze, die gleich ist<lb/> zwei sächsischen Pfennigen, als kleinste Münze noch zu groß sei. Man hätte<lb/> freilich neben den Kreuzern halbe Kreuzer schlagen können. Die Negierung<lb/> erklärte aber, daß damit das System der decimalen Theilung durch¬<lb/> brochen werde. Uns will scheinen, als würde es mit dieser Durchbre¬<lb/> chung nicht viel auf sich gehabt haben. Wichtiger war der andere Grund.<lb/> Der deutsche Gulden gleich dem Zweidrittelthaler würde eine solche Ähnlich¬<lb/> keit mit dem östreichischen Gulden gehabt haben, um im Verkehr mit dem<lb/> letzteren zu alterniren. Es hätte aber keine Veranlassung vorgelegen, den<lb/> deutschen Gulden, der nur eine Scheidemünze sein soll, schwerer auszuprägen,<lb/> als genau im Werthe eines Zweidrittelthalers. Damit wäre er leichter ge¬<lb/> worden, als der östreichische Gulden, der bei der östreichischen Münzreform<lb/> in den fünfziger Jahren etwas schwerer ausgeprägt wurde, weil er als Haupt¬<lb/> münzstück dem östreichischen Gelde einen guten Klang verschaffen sollte. Die<lb/> Reichsregierung hat nun erklärt, es entspreche nicht den Beziehungen guter<lb/> Nachbarschaft, ein ganz ähnliches Münzstück, wie das des Nachbars, von<lb/> leichterem Gewicht auszuprägen. Wir glauben freilich, die Oestreicher wären<lb/> froh, wenn sie viele solcher neudeutschen Gulden in ihre Circulation bekom¬<lb/> men hätten, da die östreichischen Gulden schon jetzt unaufhaltsam nach Deutsch¬<lb/> land abfließen. Man muß jedoch der Reichsregierung darin beistimmen, daß<lb/> eine äußerliche Annäherung des deutschen Münzsystems an das östreichische<lb/> ohne eine umfassende Münzeonvention ihre Unbequemlichkeiten und<lb/> selbst ihre Gefahren gehabt haben würde. So entschied sich denn die Reichs¬<lb/> regierung für die Mark, und wir dürfen zuversichtlich hoffen, daß die Wahl<lb/> sich bewähren wird. War mit der Mark die.Nechnungseinheit gesunden, so<lb/> handelt es sich um die Hauptmünze und um die Theilung. Was die Haupt¬<lb/> münze betrifft, so hatte die Negierung in der ursprünglichen Vorlage drei<lb/> Sorten derselben vorgeschlagen: ein sogenanntes 30-Markstück, in Wahrheit</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0326]
geldwirthschaft der edelmetallenen Circulationsmittel fast beraubten Länder,
wie Oestreich und Italien. Wenn dieser Ausweg nun auch ein frommer
Wunsch bleibt, so dringt uns das Silber als Verdrängungsmittel des Gol¬
des doch weniger Gefahr, als das Papiergeld, weil Silber aNein das Gold
nicht entbehrlich macht. Wenn aber das Papiergeld die unheilvolle Function
der Goldverdrängung ausüben sollte, so fügt es unserm Nationalreichthum
einen Schaden zu, der größer ist als der Verlust, welchen die Werthminde¬
rung des Materials bei dem Silbergeld herbeiführen kann.'
Die dritte Frage, welche bei der Gründung eines deutschen Münzsystems
in Betracht kommt, ist die Eintheilung der Münzen. Darüber bestand kein
Zweifel, daß eine decimale Theilung eingeführt werden müsse. Es handelte
sich also um die Rechnungseinheit, d. h. um diejenige Münze, von der die
kleinsten Münzstücke als decimale Theile, von der die größten Münzstücke als
decimale Vielfache im Verkehr mit kBcquemlichkeit zu bezeichnen sind. Die
Frage stand zwischen dem Thäler, dem Gulden und der Mark, oder zwischen
dem Thaler, dem Zweidrittelthaler und dem Eindrittelthäler. Denn die Forde¬
rung war unumgänglich, daß die kleinste Theilung, der neuen Rechnungsein¬
heit', mochte sie als halber Kreuzer, als Pfennig oder sonst wie bezeichnet sein,
ohne Bruch aufgehen mußte in die bisherigen Theilungen des Thalers bis
zum Groschen und womöglich bis zum halben Groschen herab. Der Thaler
ist dem decimalen System nicht günstig, indem ^die decimalen Vielfachen
des Thalers zu große Münzstücke geben, die decimalen Theile aber keine
passenden Kleinen'ünzen bilden. Für den Gulden oder Zweidrittelthaler
sprach Vieles. Die Regierung adoptirte ihn gleichwohl nicht, wobei sie sich
hauptsächlich auf zwei Gründe stützte. Der eine Grund besagte, daß der
hundertste Theil des Guldens, der Kreuzer, eine Münze, die gleich ist
zwei sächsischen Pfennigen, als kleinste Münze noch zu groß sei. Man hätte
freilich neben den Kreuzern halbe Kreuzer schlagen können. Die Negierung
erklärte aber, daß damit das System der decimalen Theilung durch¬
brochen werde. Uns will scheinen, als würde es mit dieser Durchbre¬
chung nicht viel auf sich gehabt haben. Wichtiger war der andere Grund.
Der deutsche Gulden gleich dem Zweidrittelthaler würde eine solche Ähnlich¬
keit mit dem östreichischen Gulden gehabt haben, um im Verkehr mit dem
letzteren zu alterniren. Es hätte aber keine Veranlassung vorgelegen, den
deutschen Gulden, der nur eine Scheidemünze sein soll, schwerer auszuprägen,
als genau im Werthe eines Zweidrittelthalers. Damit wäre er leichter ge¬
worden, als der östreichische Gulden, der bei der östreichischen Münzreform
in den fünfziger Jahren etwas schwerer ausgeprägt wurde, weil er als Haupt¬
münzstück dem östreichischen Gelde einen guten Klang verschaffen sollte. Die
Reichsregierung hat nun erklärt, es entspreche nicht den Beziehungen guter
Nachbarschaft, ein ganz ähnliches Münzstück, wie das des Nachbars, von
leichterem Gewicht auszuprägen. Wir glauben freilich, die Oestreicher wären
froh, wenn sie viele solcher neudeutschen Gulden in ihre Circulation bekom¬
men hätten, da die östreichischen Gulden schon jetzt unaufhaltsam nach Deutsch¬
land abfließen. Man muß jedoch der Reichsregierung darin beistimmen, daß
eine äußerliche Annäherung des deutschen Münzsystems an das östreichische
ohne eine umfassende Münzeonvention ihre Unbequemlichkeiten und
selbst ihre Gefahren gehabt haben würde. So entschied sich denn die Reichs¬
regierung für die Mark, und wir dürfen zuversichtlich hoffen, daß die Wahl
sich bewähren wird. War mit der Mark die.Nechnungseinheit gesunden, so
handelt es sich um die Hauptmünze und um die Theilung. Was die Haupt¬
münze betrifft, so hatte die Negierung in der ursprünglichen Vorlage drei
Sorten derselben vorgeschlagen: ein sogenanntes 30-Markstück, in Wahrheit
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