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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.

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waren zu viel für ihn -- und doch war es Einer von jenen Ulanen, von
welchen man in Frankreich sagte: "<lui it u'v avait neu als sacrH pour
eos KLN8 la!"

Die Zahl unserer Patienten, die sich auf fünfzig reducirt hatte, war jetzt
wieder plötzlich gestiegen, da das Lazarett) in Corbeil, ein Theater, niederge¬
brannt war. Das Parterre und die Bühne, welche mit Betten bestellt waren,
waren durch einen "ealoritvi-c;" geheizt und von einem Franzosen errichtet.
Eines Morgens als der Chirurg bemerkte, daß der "LllauMur" viel später
wie gewöhnlich kam und die Patienten sehr über Kälte klagten, verwies er
dem Schuldigen seine Unaufmerksamkeit; in weniger als einer halben Stunde
aber brach Feuer durch Ueberhitzung des oaloriköre aus. Die folgende
Scene stellte mir Frau Louit als sehr schrecklich dar: Die Kranken,
aus Furcht bei lebendigem Leibe zu verbrennen, stürzten wild auf die
Straße --, und die Angstrufe der Verwundeten, die nicht gehen konnten
-- das Knistern der Flamme, das Krachen der Balken, alles das zusam¬
men hätte selbst die Herzen der Tapfersten mit Schrecken erfüllt. Doch
es ging alles so schnell und glücklich vorüber, daß nicht ein Leben verloren
war; grade als der letzte Verwundete hinaus getragen war, wich die Decke
und nach einigen Augenblicken war von dem hölzernen Gebäude nur noch
dampfende Asche zu sehen. Einige hatten sogar die Geistesgegenwart gehabt
an die Rettung der "caissv" zu denken; aber alle Betten, Wäsche, Instru¬
mente und Medicamente waren ein Raub der Flammen geworden. Manche
sagten, daß der "OKa-ulleui'" absichtlich den "ealoritörL" überheizt hätte, aus
Aerger, daß der Chirurg ihn grob behandelt hatte. Aber viele, zu denen auch
ich gehörte, hielten für wahrscheinlicher, daß es "par sureroit <l" Mlö" ge¬
schah, weil der Mann die verlorene Zeit nachholen wollte. Denn ich glaube,
daß nur ein wirklicher Feind zu solchen Mitteln greifen kann um sich zu
rächen. Diese Ansicht der Sache theilten auch die mit dem nächsten Zug an¬
kommenden Richter und so wurde der Franzose von allen bösen Absichten
freigesprochen. Nichts kann Einen vorsichtiger und klüger bei ähnlichen Vor¬
fällen machen, als eine solche Katastrophe. So mahnte auch mich dieser Brand,
augenblicklich die Schornsteine in unserem Lazareth fegen zu lassen, denn ich
^ußte, daß dies seit dem Anfange des Winters nicht mehr geschehen war. Der
"kumi'Lo,", aus einem einige Meilen weit entfernten Dorfe, wurde bestellt,
und dieser kam mit den unvermeidlichen kleinen Savoyarden (es müssen nur
wenige Savoyarden in ihrer Heimath bleiben, denn sie scheinen überall Schorn¬
steinfeger und Schleifer zu sein). Als die kleinen Kerls von ihren luftigen
Legionen herabgestiegen waren, sagten sie aus, daß es hohe Zeit gewesen
^>äre, die Schornsteine, besonders in den oberen Stockwerken zu fegen. Aber
arn nächsten Tag war es unmöglich die Küchenräume zu benutzen. Der


waren zu viel für ihn — und doch war es Einer von jenen Ulanen, von
welchen man in Frankreich sagte: „<lui it u'v avait neu als sacrH pour
eos KLN8 la!"

Die Zahl unserer Patienten, die sich auf fünfzig reducirt hatte, war jetzt
wieder plötzlich gestiegen, da das Lazarett) in Corbeil, ein Theater, niederge¬
brannt war. Das Parterre und die Bühne, welche mit Betten bestellt waren,
waren durch einen „ealoritvi-c;" geheizt und von einem Franzosen errichtet.
Eines Morgens als der Chirurg bemerkte, daß der „LllauMur" viel später
wie gewöhnlich kam und die Patienten sehr über Kälte klagten, verwies er
dem Schuldigen seine Unaufmerksamkeit; in weniger als einer halben Stunde
aber brach Feuer durch Ueberhitzung des oaloriköre aus. Die folgende
Scene stellte mir Frau Louit als sehr schrecklich dar: Die Kranken,
aus Furcht bei lebendigem Leibe zu verbrennen, stürzten wild auf die
Straße —, und die Angstrufe der Verwundeten, die nicht gehen konnten
— das Knistern der Flamme, das Krachen der Balken, alles das zusam¬
men hätte selbst die Herzen der Tapfersten mit Schrecken erfüllt. Doch
es ging alles so schnell und glücklich vorüber, daß nicht ein Leben verloren
war; grade als der letzte Verwundete hinaus getragen war, wich die Decke
und nach einigen Augenblicken war von dem hölzernen Gebäude nur noch
dampfende Asche zu sehen. Einige hatten sogar die Geistesgegenwart gehabt
an die Rettung der „caissv" zu denken; aber alle Betten, Wäsche, Instru¬
mente und Medicamente waren ein Raub der Flammen geworden. Manche
sagten, daß der „OKa-ulleui'" absichtlich den „ealoritörL" überheizt hätte, aus
Aerger, daß der Chirurg ihn grob behandelt hatte. Aber viele, zu denen auch
ich gehörte, hielten für wahrscheinlicher, daß es „par sureroit <l« Mlö" ge¬
schah, weil der Mann die verlorene Zeit nachholen wollte. Denn ich glaube,
daß nur ein wirklicher Feind zu solchen Mitteln greifen kann um sich zu
rächen. Diese Ansicht der Sache theilten auch die mit dem nächsten Zug an¬
kommenden Richter und so wurde der Franzose von allen bösen Absichten
freigesprochen. Nichts kann Einen vorsichtiger und klüger bei ähnlichen Vor¬
fällen machen, als eine solche Katastrophe. So mahnte auch mich dieser Brand,
augenblicklich die Schornsteine in unserem Lazareth fegen zu lassen, denn ich
^ußte, daß dies seit dem Anfange des Winters nicht mehr geschehen war. Der
"kumi'Lo,", aus einem einige Meilen weit entfernten Dorfe, wurde bestellt,
und dieser kam mit den unvermeidlichen kleinen Savoyarden (es müssen nur
wenige Savoyarden in ihrer Heimath bleiben, denn sie scheinen überall Schorn¬
steinfeger und Schleifer zu sein). Als die kleinen Kerls von ihren luftigen
Legionen herabgestiegen waren, sagten sie aus, daß es hohe Zeit gewesen
^>äre, die Schornsteine, besonders in den oberen Stockwerken zu fegen. Aber
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299/315>, abgerufen am 05.02.2025.