Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.nahmen, auch unsere Freiwilligen. Sie hatten die Arbeit in dem Gebäude Unser "Verwalter", Herr Müller, sah aus wie ein richtiger Preuße nahmen, auch unsere Freiwilligen. Sie hatten die Arbeit in dem Gebäude Unser „Verwalter", Herr Müller, sah aus wie ein richtiger Preuße <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0309" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192610"/> <p xml:id="ID_1158" prev="#ID_1157"> nahmen, auch unsere Freiwilligen. Sie hatten die Arbeit in dem Gebäude<lb/> je nach ihrem Geschmacke untereinander getheilt: der eine übernahm die Küche,<lb/> der andere die Ställe, ein dritter die Einkäufe, ein vierter die Vorrathskam¬<lb/> mer und die Keller; und von den anderen „vermuthete" man, daß sie<lb/> nach den Patienten sähen. — Der Chef, welcher zwei gedungene Französinnen<lb/> unter sich hatte, verbrachte seine Morgen mit Reiten auf den Pferden des<lb/> Verwalters. In die Küche kam er mit seinen Courierstiefeln und Sporen nur<lb/> dann, wenn er essen wollte. Die Hüter der Vorrathskammer und Keller<lb/> nahmen das Beste für sich; die anderen strolchten herum in ihren Costümen<lb/> (rothes Hemde und graue Hosen in lange Stiefeln gesteckt) und kamen nur<lb/> beim Essen zum Vorscheine. Die Kranken, welche bei ihnen erst in zweiter<lb/> Linie zu stehen schienen, waren der Fürsorge einzelner Ausnahmen, die ich eben<lb/> erwähnt habe, überlassen. Daß diese „faulen Köpfe" fort mußten, wenn<lb/> überhaupt wieder Ordnung in das Ganze kommen sollte, war natürlich. Doch<lb/> ich sah voraus, daß zu diesem Zwecke viel Diplomatie und Mkn^gemiZut<lb/> nöthig war; denn nichts hassen die Männer mehr, als wenn sie von dem<lb/> schwachen Geschlechte verdrängt werden aus einem Gebiete, was sie für „ihr<lb/> Recht" halten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1159"> Unser „Verwalter", Herr Müller, sah aus wie ein richtiger Preuße<lb/> ^- jung, groß, sehr dünn, mit den schwarzen Augen und dem schwarzen Haar<lb/> eines Spaniers, dabei sehr regelmäßige Gesichtszüge und farblosen Teint; er<lb/> hatte einen kräftigen, guten Körperbau, der genug von der harten Arbeit,<lb/> die er gewählt und von den gelegentlichen Waffenübungen erzählte. — Nach¬<lb/> dem er meiner Gefährtin die Pflichten und Verantwortlichkeiten in ihrem<lb/> neuen Amt klar gemacht und uns den Schlüssel zu den Vorrathszimmern<lb/> überreicht hatte, führte er mich mit folgenden Worten in meinen Beruf ein:<lb/> -~ „Das nöthige Fleisch und Brod für das Spital wird jeden Morgen aus<lb/> dem Dorfe gebracht; Sie müssen dann darauf sehen, daß es stets vom Besten<lb/> und gut gewogen ist; und ferner eine Quittung aus französisch geben, deren<lb/> Abschrift Sie in die Bücher deutsch eintragen. Dann werden Sie auch allen<lb/> Vorrath, wie Gewürze, Gemüse, eingesalzenes Fleisch, Mehl und den Wein,<lb/> der den Patienten gebracht wird, in Empfang nehmen und aufschreiben.<lb/> Letzteren werden Sie nach Vorschrift unseres Chirurgen unter die Kranken<lb/> vertheilen. Zweimal am Tage müssen Sie Portionen Fleisch zurecht schneiden<lb/> lassen, und nachsehen, ob das Essen auch ordentlich und reinlich in die ver¬<lb/> schiedenen Zimmer gebracht wird. Dann haben Sie die Aufsicht über alles<lb/> Weißzeug, die Sorge für Heizung und Beleuchtung des ganzen Gebäudes und<lb/> für die gehörige Nachtwache. Was die Krankensäle und überhaupt die Patien¬<lb/> ten betrifft, so ist dafür Ihre einzige Autorität der Oberchirurg. Sollte im<lb/> übrigen irgend Jemand Ihnen Störung machen, so können Sie immer auf<lb/> weine Hülse zählen."</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0309]
nahmen, auch unsere Freiwilligen. Sie hatten die Arbeit in dem Gebäude
je nach ihrem Geschmacke untereinander getheilt: der eine übernahm die Küche,
der andere die Ställe, ein dritter die Einkäufe, ein vierter die Vorrathskam¬
mer und die Keller; und von den anderen „vermuthete" man, daß sie
nach den Patienten sähen. — Der Chef, welcher zwei gedungene Französinnen
unter sich hatte, verbrachte seine Morgen mit Reiten auf den Pferden des
Verwalters. In die Küche kam er mit seinen Courierstiefeln und Sporen nur
dann, wenn er essen wollte. Die Hüter der Vorrathskammer und Keller
nahmen das Beste für sich; die anderen strolchten herum in ihren Costümen
(rothes Hemde und graue Hosen in lange Stiefeln gesteckt) und kamen nur
beim Essen zum Vorscheine. Die Kranken, welche bei ihnen erst in zweiter
Linie zu stehen schienen, waren der Fürsorge einzelner Ausnahmen, die ich eben
erwähnt habe, überlassen. Daß diese „faulen Köpfe" fort mußten, wenn
überhaupt wieder Ordnung in das Ganze kommen sollte, war natürlich. Doch
ich sah voraus, daß zu diesem Zwecke viel Diplomatie und Mkn^gemiZut
nöthig war; denn nichts hassen die Männer mehr, als wenn sie von dem
schwachen Geschlechte verdrängt werden aus einem Gebiete, was sie für „ihr
Recht" halten.
Unser „Verwalter", Herr Müller, sah aus wie ein richtiger Preuße
^- jung, groß, sehr dünn, mit den schwarzen Augen und dem schwarzen Haar
eines Spaniers, dabei sehr regelmäßige Gesichtszüge und farblosen Teint; er
hatte einen kräftigen, guten Körperbau, der genug von der harten Arbeit,
die er gewählt und von den gelegentlichen Waffenübungen erzählte. — Nach¬
dem er meiner Gefährtin die Pflichten und Verantwortlichkeiten in ihrem
neuen Amt klar gemacht und uns den Schlüssel zu den Vorrathszimmern
überreicht hatte, führte er mich mit folgenden Worten in meinen Beruf ein:
-~ „Das nöthige Fleisch und Brod für das Spital wird jeden Morgen aus
dem Dorfe gebracht; Sie müssen dann darauf sehen, daß es stets vom Besten
und gut gewogen ist; und ferner eine Quittung aus französisch geben, deren
Abschrift Sie in die Bücher deutsch eintragen. Dann werden Sie auch allen
Vorrath, wie Gewürze, Gemüse, eingesalzenes Fleisch, Mehl und den Wein,
der den Patienten gebracht wird, in Empfang nehmen und aufschreiben.
Letzteren werden Sie nach Vorschrift unseres Chirurgen unter die Kranken
vertheilen. Zweimal am Tage müssen Sie Portionen Fleisch zurecht schneiden
lassen, und nachsehen, ob das Essen auch ordentlich und reinlich in die ver¬
schiedenen Zimmer gebracht wird. Dann haben Sie die Aufsicht über alles
Weißzeug, die Sorge für Heizung und Beleuchtung des ganzen Gebäudes und
für die gehörige Nachtwache. Was die Krankensäle und überhaupt die Patien¬
ten betrifft, so ist dafür Ihre einzige Autorität der Oberchirurg. Sollte im
übrigen irgend Jemand Ihnen Störung machen, so können Sie immer auf
weine Hülse zählen."
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |