Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

gestohlen?" -- "Nein; aber sie haben, um ihr Essen zu kochen, die Stühle zum
Feuern benutzt und außerdem schrecklichen Lärm gemacht." -- "0n, xour hg,",
setzte ihr Mann hinzu, "it kaut ötrejuste: IIs MKpilleut, salisseut et eg.8-
heilt tout, Müis an inoinL, 11 vous respoeteut les tsmiuss, et patent comp-
tant xour tout ce czsu'ils doivent et mangelte." -- "Und wie benahmen sich
Ihre?" -- "Nun, einige von ihnen waren roh und herrschsüchtig, schworen
und fluchten, wenn sie ihr Essen nicht pünktlich bekamen, doch im Ganzen
benahmen sie sich sehr anständig. Da verließ uns gestern ein Hauptmann,
der 10 Tage bei uns einquartirt war. Er war immer höflich und anständig,
kaufte sich sein eigenes und regelrechtes Essen, und bat uns, ihm dasselbe zu
geben, wenn es uns paßte. Die Preußen sind bei weitem die Besten von
Allen. -- "Dann wünsche ich Ihnen nur, daß Sie nie einen gewissen uns be¬
kannten bayrischen Hauptmann zur Einquartierung bekommen," (wie leid thut
es mir doch, daß ich seinen Namen nicht weiß, sonst würde ich ihn hier mit
großen Buchstaben dem Publicum zu Gute vor die Augen führen!) Am
nächsten Tag fuhren wir in unsere Spitäler. Ein Militärkutscher fuhr uns,
und ein Bursche folgte uns. So traten wir unsere Aemter an.

Das Schloß war auf beiden Ufern der Seine sehr schon gelegen. Es
war ein großes modernes Gebäude ohne jede architektonische Schönheit. Trotz¬
dem es nur für eine bequeme Sommerresidenz gebaut worden war, ließ es
sich doch ganz gut durch zwei große "egloiMres" heizen. Die Wohnzimmer
zu ebener Erde und im ersten Stock, 7 an Zahl, waren jetzt Krankensäle; die
Zimmer des zweiten Stockes hatten Verwalter, Pfleger und Soldaten inne
und die Vorrathskammern und Küchen waren im Souterrain. Die Unord¬
nung, die Unreinlichkeit, die hier herrschte, war wirklich erschreckend.

Ich muß hier einen Augenblick innehalten um zu erläutern, wie bei dem
Ausbruche des Krieges viele junge Männer, die "Turnvereinen" oder
dergleichen angehörten, also z. B. -- Künstler, Studenten, Apotheker, Bar¬
biere, Zuckerbäcker, Wirthshausbesitzer und Maschinenarbeiter -- verschiedene
Corps gebildet und unter der Leitung eines "Führers" ihre Dienste
als Krankenpfleger angeboten hatten. Sie waren den verschiedenen Ambu¬
lanten und Lazarethen zugetheilt worden, die, als der Krieg vorschritt, entstanden
waren und durch die vielen Schlachten auch immer voll von Kranken und
Verwundeten waren. -- Viele Theile dieser Corps waren nicht nur auf den
Schlachtfeldern unschätzbar, sondern auch in den Spitälern von großem Nutzen
und diese machten sich sehr verdient um ihr Vaterland; viele aber auch mach¬
ten weit mehr Mühe und Störung, als ihre gelegentlichen Dienste werth
waren --; sie betrachteten ihren Beruf als eine Vergnügungstour, deren
Ziel der triumphreiche Einzug in Paris war -- und lebten auf Kosten des
Landes. -- Zu diesen unnützen Theilen gehörten leider, mit wenigen Aus-


gestohlen?" — „Nein; aber sie haben, um ihr Essen zu kochen, die Stühle zum
Feuern benutzt und außerdem schrecklichen Lärm gemacht." — „0n, xour hg,",
setzte ihr Mann hinzu, „it kaut ötrejuste: IIs MKpilleut, salisseut et eg.8-
heilt tout, Müis an inoinL, 11 vous respoeteut les tsmiuss, et patent comp-
tant xour tout ce czsu'ils doivent et mangelte." — „Und wie benahmen sich
Ihre?" — „Nun, einige von ihnen waren roh und herrschsüchtig, schworen
und fluchten, wenn sie ihr Essen nicht pünktlich bekamen, doch im Ganzen
benahmen sie sich sehr anständig. Da verließ uns gestern ein Hauptmann,
der 10 Tage bei uns einquartirt war. Er war immer höflich und anständig,
kaufte sich sein eigenes und regelrechtes Essen, und bat uns, ihm dasselbe zu
geben, wenn es uns paßte. Die Preußen sind bei weitem die Besten von
Allen. — „Dann wünsche ich Ihnen nur, daß Sie nie einen gewissen uns be¬
kannten bayrischen Hauptmann zur Einquartierung bekommen," (wie leid thut
es mir doch, daß ich seinen Namen nicht weiß, sonst würde ich ihn hier mit
großen Buchstaben dem Publicum zu Gute vor die Augen führen!) Am
nächsten Tag fuhren wir in unsere Spitäler. Ein Militärkutscher fuhr uns,
und ein Bursche folgte uns. So traten wir unsere Aemter an.

Das Schloß war auf beiden Ufern der Seine sehr schon gelegen. Es
war ein großes modernes Gebäude ohne jede architektonische Schönheit. Trotz¬
dem es nur für eine bequeme Sommerresidenz gebaut worden war, ließ es
sich doch ganz gut durch zwei große „egloiMres" heizen. Die Wohnzimmer
zu ebener Erde und im ersten Stock, 7 an Zahl, waren jetzt Krankensäle; die
Zimmer des zweiten Stockes hatten Verwalter, Pfleger und Soldaten inne
und die Vorrathskammern und Küchen waren im Souterrain. Die Unord¬
nung, die Unreinlichkeit, die hier herrschte, war wirklich erschreckend.

Ich muß hier einen Augenblick innehalten um zu erläutern, wie bei dem
Ausbruche des Krieges viele junge Männer, die „Turnvereinen" oder
dergleichen angehörten, also z. B. — Künstler, Studenten, Apotheker, Bar¬
biere, Zuckerbäcker, Wirthshausbesitzer und Maschinenarbeiter — verschiedene
Corps gebildet und unter der Leitung eines „Führers" ihre Dienste
als Krankenpfleger angeboten hatten. Sie waren den verschiedenen Ambu¬
lanten und Lazarethen zugetheilt worden, die, als der Krieg vorschritt, entstanden
waren und durch die vielen Schlachten auch immer voll von Kranken und
Verwundeten waren. — Viele Theile dieser Corps waren nicht nur auf den
Schlachtfeldern unschätzbar, sondern auch in den Spitälern von großem Nutzen
und diese machten sich sehr verdient um ihr Vaterland; viele aber auch mach¬
ten weit mehr Mühe und Störung, als ihre gelegentlichen Dienste werth
waren —; sie betrachteten ihren Beruf als eine Vergnügungstour, deren
Ziel der triumphreiche Einzug in Paris war — und lebten auf Kosten des
Landes. — Zu diesen unnützen Theilen gehörten leider, mit wenigen Aus-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0308" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192609"/>
          <p xml:id="ID_1155" prev="#ID_1154"> gestohlen?" &#x2014; &#x201E;Nein; aber sie haben, um ihr Essen zu kochen, die Stühle zum<lb/>
Feuern benutzt und außerdem schrecklichen Lärm gemacht." &#x2014; &#x201E;0n, xour hg,",<lb/>
setzte ihr Mann hinzu, &#x201E;it kaut ötrejuste: IIs MKpilleut, salisseut et eg.8-<lb/>
heilt tout, Müis an inoinL, 11 vous respoeteut les tsmiuss, et patent comp-<lb/>
tant xour tout ce czsu'ils doivent et mangelte." &#x2014; &#x201E;Und wie benahmen sich<lb/>
Ihre?" &#x2014; &#x201E;Nun, einige von ihnen waren roh und herrschsüchtig, schworen<lb/>
und fluchten, wenn sie ihr Essen nicht pünktlich bekamen, doch im Ganzen<lb/>
benahmen sie sich sehr anständig. Da verließ uns gestern ein Hauptmann,<lb/>
der 10 Tage bei uns einquartirt war. Er war immer höflich und anständig,<lb/>
kaufte sich sein eigenes und regelrechtes Essen, und bat uns, ihm dasselbe zu<lb/>
geben, wenn es uns paßte. Die Preußen sind bei weitem die Besten von<lb/>
Allen. &#x2014; &#x201E;Dann wünsche ich Ihnen nur, daß Sie nie einen gewissen uns be¬<lb/>
kannten bayrischen Hauptmann zur Einquartierung bekommen," (wie leid thut<lb/>
es mir doch, daß ich seinen Namen nicht weiß, sonst würde ich ihn hier mit<lb/>
großen Buchstaben dem Publicum zu Gute vor die Augen führen!) Am<lb/>
nächsten Tag fuhren wir in unsere Spitäler. Ein Militärkutscher fuhr uns,<lb/>
und ein Bursche folgte uns.  So traten wir unsere Aemter an.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1156"> Das Schloß war auf beiden Ufern der Seine sehr schon gelegen. Es<lb/>
war ein großes modernes Gebäude ohne jede architektonische Schönheit. Trotz¬<lb/>
dem es nur für eine bequeme Sommerresidenz gebaut worden war, ließ es<lb/>
sich doch ganz gut durch zwei große &#x201E;egloiMres" heizen. Die Wohnzimmer<lb/>
zu ebener Erde und im ersten Stock, 7 an Zahl, waren jetzt Krankensäle; die<lb/>
Zimmer des zweiten Stockes hatten Verwalter, Pfleger und Soldaten inne<lb/>
und die Vorrathskammern und Küchen waren im Souterrain. Die Unord¬<lb/>
nung, die Unreinlichkeit, die hier herrschte, war wirklich erschreckend.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1157" next="#ID_1158"> Ich muß hier einen Augenblick innehalten um zu erläutern, wie bei dem<lb/>
Ausbruche des Krieges viele junge Männer, die &#x201E;Turnvereinen" oder<lb/>
dergleichen angehörten, also z. B. &#x2014; Künstler, Studenten, Apotheker, Bar¬<lb/>
biere, Zuckerbäcker, Wirthshausbesitzer und Maschinenarbeiter &#x2014; verschiedene<lb/>
Corps gebildet und unter der Leitung eines &#x201E;Führers" ihre Dienste<lb/>
als Krankenpfleger angeboten hatten. Sie waren den verschiedenen Ambu¬<lb/>
lanten und Lazarethen zugetheilt worden, die, als der Krieg vorschritt, entstanden<lb/>
waren und durch die vielen Schlachten auch immer voll von Kranken und<lb/>
Verwundeten waren. &#x2014; Viele Theile dieser Corps waren nicht nur auf den<lb/>
Schlachtfeldern unschätzbar, sondern auch in den Spitälern von großem Nutzen<lb/>
und diese machten sich sehr verdient um ihr Vaterland; viele aber auch mach¬<lb/>
ten weit mehr Mühe und Störung, als ihre gelegentlichen Dienste werth<lb/>
waren &#x2014;; sie betrachteten ihren Beruf als eine Vergnügungstour, deren<lb/>
Ziel der triumphreiche Einzug in Paris war &#x2014; und lebten auf Kosten des<lb/>
Landes. &#x2014; Zu diesen unnützen Theilen gehörten leider, mit wenigen Aus-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0308] gestohlen?" — „Nein; aber sie haben, um ihr Essen zu kochen, die Stühle zum Feuern benutzt und außerdem schrecklichen Lärm gemacht." — „0n, xour hg,", setzte ihr Mann hinzu, „it kaut ötrejuste: IIs MKpilleut, salisseut et eg.8- heilt tout, Müis an inoinL, 11 vous respoeteut les tsmiuss, et patent comp- tant xour tout ce czsu'ils doivent et mangelte." — „Und wie benahmen sich Ihre?" — „Nun, einige von ihnen waren roh und herrschsüchtig, schworen und fluchten, wenn sie ihr Essen nicht pünktlich bekamen, doch im Ganzen benahmen sie sich sehr anständig. Da verließ uns gestern ein Hauptmann, der 10 Tage bei uns einquartirt war. Er war immer höflich und anständig, kaufte sich sein eigenes und regelrechtes Essen, und bat uns, ihm dasselbe zu geben, wenn es uns paßte. Die Preußen sind bei weitem die Besten von Allen. — „Dann wünsche ich Ihnen nur, daß Sie nie einen gewissen uns be¬ kannten bayrischen Hauptmann zur Einquartierung bekommen," (wie leid thut es mir doch, daß ich seinen Namen nicht weiß, sonst würde ich ihn hier mit großen Buchstaben dem Publicum zu Gute vor die Augen führen!) Am nächsten Tag fuhren wir in unsere Spitäler. Ein Militärkutscher fuhr uns, und ein Bursche folgte uns. So traten wir unsere Aemter an. Das Schloß war auf beiden Ufern der Seine sehr schon gelegen. Es war ein großes modernes Gebäude ohne jede architektonische Schönheit. Trotz¬ dem es nur für eine bequeme Sommerresidenz gebaut worden war, ließ es sich doch ganz gut durch zwei große „egloiMres" heizen. Die Wohnzimmer zu ebener Erde und im ersten Stock, 7 an Zahl, waren jetzt Krankensäle; die Zimmer des zweiten Stockes hatten Verwalter, Pfleger und Soldaten inne und die Vorrathskammern und Küchen waren im Souterrain. Die Unord¬ nung, die Unreinlichkeit, die hier herrschte, war wirklich erschreckend. Ich muß hier einen Augenblick innehalten um zu erläutern, wie bei dem Ausbruche des Krieges viele junge Männer, die „Turnvereinen" oder dergleichen angehörten, also z. B. — Künstler, Studenten, Apotheker, Bar¬ biere, Zuckerbäcker, Wirthshausbesitzer und Maschinenarbeiter — verschiedene Corps gebildet und unter der Leitung eines „Führers" ihre Dienste als Krankenpfleger angeboten hatten. Sie waren den verschiedenen Ambu¬ lanten und Lazarethen zugetheilt worden, die, als der Krieg vorschritt, entstanden waren und durch die vielen Schlachten auch immer voll von Kranken und Verwundeten waren. — Viele Theile dieser Corps waren nicht nur auf den Schlachtfeldern unschätzbar, sondern auch in den Spitälern von großem Nutzen und diese machten sich sehr verdient um ihr Vaterland; viele aber auch mach¬ ten weit mehr Mühe und Störung, als ihre gelegentlichen Dienste werth waren —; sie betrachteten ihren Beruf als eine Vergnügungstour, deren Ziel der triumphreiche Einzug in Paris war — und lebten auf Kosten des Landes. — Zu diesen unnützen Theilen gehörten leider, mit wenigen Aus-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299/308
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299/308>, abgerufen am 06.02.2025.