Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.Jndianerbibel wird man schwerlich auf die Kosten gekommen sein. Endlich Unter solchen Umständen haben die Seelenfischer vom Salzsee in ihren Die neueste Wendung der Dinge in Utah ist aus den Tagesblättern be¬ Jndianerbibel wird man schwerlich auf die Kosten gekommen sein. Endlich Unter solchen Umständen haben die Seelenfischer vom Salzsee in ihren Die neueste Wendung der Dinge in Utah ist aus den Tagesblättern be¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0303" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192604"/> <p xml:id="ID_1140" prev="#ID_1139"> Jndianerbibel wird man schwerlich auf die Kosten gekommen sein. Endlich<lb/> ist hier noch ein Vorfall aus dem Jahre 1854 zu erwähnen, welcher zeigt,<lb/> bis zu welchen Regionen die Erwartungen der Führer sich verstiegen. Die<lb/> Präsidentschaft in England hatte erfahren, daß der König von Preußen sich<lb/> für die Latterday-Saints interessire und von seinem Gesandten in Washing¬<lb/> ton Aufklärung über sie verlangt habe. Sie deutete sich dieses Interesse als<lb/> Neigung, und so erschien im Herbst des gedachten Jahres eine förmliche Ge¬<lb/> sandtschaft aus der Mitte der Secte in Berlin, um dem König eine Adresse zu<lb/> überreichen. Die Herren waren aber nicht sobald im Bahnhof abgestiegen,<lb/> als die Polizei sich einstellte und sie zu sofortiger Umkehr nöthigte."</p><lb/> <p xml:id="ID_1141"> Unter solchen Umständen haben die Seelenfischer vom Salzsee in ihren<lb/> Netzen bei uns nur wenige Fische fangen können. Schiel fand 1853 in ganz<lb/> Utah nur drei Deutsche, die der Gemeinschaft der Heiligen vom jüngsten Tage<lb/> angehörten. Der Vornehmste darunter war ein verkommener Student, der<lb/> in Provo, der zweiten Stadt des Territoriums, den Ingenieur spielte, aber<lb/> Noch mit Ungeduld darauf wartete, daß der heilige Geist ihm die Mysterien<lb/> der Lehre von der Congruenz und der Aehnlichkeit der Dreiecke offenbare, da<lb/> ihm ohne deren Kenntniß sein Geschäft sehr sauer wurde. Der zweite Lands-<lb/> wann war ein Barbier, der nebenher ein wenig Doctorei betrieb, der Dritte<lb/> ein gewöhnlicher Mensch.</p><lb/> <p xml:id="ID_1142" next="#ID_1143"> Die neueste Wendung der Dinge in Utah ist aus den Tagesblättern be¬<lb/> gänne. Im Jahre 1870 sah der Congreß in Washington ein, daß er den<lb/> Zielen Klagen über das Mißregiment'am Salzsee gerecht werden müsse, und<lb/> ^ß die dort im weitesten Umfang geübte Vielweiberei ein Schandfleck der<lb/> ^inion sei, den er wegzuschaffen habe. Nach langen Verhandlungen, die sich<lb/> Meist um den Einwand drehten, daß die Religionsfreiheit nicht angegriffen<lb/> werden dürfe, wurde ein Gesetz beschlossen, welches vor Allem eine ordnungs¬<lb/> mäßige Handhabung des Rechts in dem Territorium ermöglichte. Die Ent¬<lb/> deckung von Goldlagern in Utah hatte inzwischen auch sehr viele Nichtmor-<lb/> ^oren dorthin geführt, die zwar im Allgemeinen sich nicht durch gesetzlichen<lb/> Sinn auszeichneten, aber in diesem Fall doch hinter den Bundesbeamten zu<lb/> stehen versprachen, falls Uvung und sein Volk sich den Forderungen derselben<lb/> "icht zu fügen Miene machen sollten. Richter Mac Kean, dem das Ein¬<lb/> schreiten gegen die Vielweiberei oblag, war ein Mann von unerschrockenem<lb/> Sinn. Er säuberte zunächst das große Schwurgericht der Salzseestadt von<lb/> beuten, welche an die Polygamie als eine göttliche Einrichtung glaubten, und<lb/> schritt dann kühn gegen Bourg und Klubalk ein, die er „wegen unzüchtigen<lb/> Zusammenlebens mit mehreren Weibern" in Haft nehmen ließ. Die Unter¬<lb/> suchung anderer Verbrechen, Veruntreuungen öffentlicher Gelder, Mordthaten<lb/> ^ dergl., die dem Propheten Schuld gegeben werden, dürften bald folgen.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0303]
Jndianerbibel wird man schwerlich auf die Kosten gekommen sein. Endlich
ist hier noch ein Vorfall aus dem Jahre 1854 zu erwähnen, welcher zeigt,
bis zu welchen Regionen die Erwartungen der Führer sich verstiegen. Die
Präsidentschaft in England hatte erfahren, daß der König von Preußen sich
für die Latterday-Saints interessire und von seinem Gesandten in Washing¬
ton Aufklärung über sie verlangt habe. Sie deutete sich dieses Interesse als
Neigung, und so erschien im Herbst des gedachten Jahres eine förmliche Ge¬
sandtschaft aus der Mitte der Secte in Berlin, um dem König eine Adresse zu
überreichen. Die Herren waren aber nicht sobald im Bahnhof abgestiegen,
als die Polizei sich einstellte und sie zu sofortiger Umkehr nöthigte."
Unter solchen Umständen haben die Seelenfischer vom Salzsee in ihren
Netzen bei uns nur wenige Fische fangen können. Schiel fand 1853 in ganz
Utah nur drei Deutsche, die der Gemeinschaft der Heiligen vom jüngsten Tage
angehörten. Der Vornehmste darunter war ein verkommener Student, der
in Provo, der zweiten Stadt des Territoriums, den Ingenieur spielte, aber
Noch mit Ungeduld darauf wartete, daß der heilige Geist ihm die Mysterien
der Lehre von der Congruenz und der Aehnlichkeit der Dreiecke offenbare, da
ihm ohne deren Kenntniß sein Geschäft sehr sauer wurde. Der zweite Lands-
wann war ein Barbier, der nebenher ein wenig Doctorei betrieb, der Dritte
ein gewöhnlicher Mensch.
Die neueste Wendung der Dinge in Utah ist aus den Tagesblättern be¬
gänne. Im Jahre 1870 sah der Congreß in Washington ein, daß er den
Zielen Klagen über das Mißregiment'am Salzsee gerecht werden müsse, und
^ß die dort im weitesten Umfang geübte Vielweiberei ein Schandfleck der
^inion sei, den er wegzuschaffen habe. Nach langen Verhandlungen, die sich
Meist um den Einwand drehten, daß die Religionsfreiheit nicht angegriffen
werden dürfe, wurde ein Gesetz beschlossen, welches vor Allem eine ordnungs¬
mäßige Handhabung des Rechts in dem Territorium ermöglichte. Die Ent¬
deckung von Goldlagern in Utah hatte inzwischen auch sehr viele Nichtmor-
^oren dorthin geführt, die zwar im Allgemeinen sich nicht durch gesetzlichen
Sinn auszeichneten, aber in diesem Fall doch hinter den Bundesbeamten zu
stehen versprachen, falls Uvung und sein Volk sich den Forderungen derselben
"icht zu fügen Miene machen sollten. Richter Mac Kean, dem das Ein¬
schreiten gegen die Vielweiberei oblag, war ein Mann von unerschrockenem
Sinn. Er säuberte zunächst das große Schwurgericht der Salzseestadt von
beuten, welche an die Polygamie als eine göttliche Einrichtung glaubten, und
schritt dann kühn gegen Bourg und Klubalk ein, die er „wegen unzüchtigen
Zusammenlebens mit mehreren Weibern" in Haft nehmen ließ. Die Unter¬
suchung anderer Verbrechen, Veruntreuungen öffentlicher Gelder, Mordthaten
^ dergl., die dem Propheten Schuld gegeben werden, dürften bald folgen.
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