Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.ihre Cotisation und wenn sie sich gegen Verdacht sicher glauben, dann machen ihre Cotisation und wenn sie sich gegen Verdacht sicher glauben, dann machen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0287" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192588"/> <p xml:id="ID_1092" prev="#ID_1091"> ihre Cotisation und wenn sie sich gegen Verdacht sicher glauben, dann machen<lb/> sie sich an ihr teuflisches Werk. Das Kind stirbt. Sie empfangen eine ge¬<lb/> wisse Summe: ihr Zweck ist erreicht. „Jedes Jahr," so sagt der Rep. I. Clay<lb/> in seinem vor einigen Jahren veröffentlichten Buche: Intavtieiäe g,n<1 Lurial-<lb/> Llubs, „werden eine Menge unschuldiger Wesen in die Ewigkeit befördert<lb/> durch diejenigen, welche ihnen am engsten durch die Bande der Natur und<lb/> des Bluts, wenn nicht durch Elternliebe verbunden sind, und das um einiger<lb/> Pfund Sterl. wegen." Die Unzahl gerichtlicher Untersuchungen und Verur¬<lb/> teilungen, die Angaben und Artikel in den öffentlichen Blättern, vornehmlich<lb/> in der Times vom 20. Septbr. 1864, sind Beweise, daß wir nicht übertreiben.<lb/> So z.B. hat man constatirt, daß nicht selten kleine Tagelöhner, die unfähig<lb/> gewesen waren, ihre Miethe zu bezahlen, diese Unfähigkeit nach dem plötz¬<lb/> lichen Tode eines ihrer Kinder beseitigt sehen. Aus der vergleichenden Stati¬<lb/> stik, die man angestellt, geht hervor, daß die Mortalität unter den bei den<lb/> Burial-Clubs eingeschriebenen Kindern größer ist, als bei denen, die es nicht<lb/> sind: die Differenz ist 8 — 9 Procent, obgleich die Kinder erst in einem Alter<lb/> von zwei Monaten eingekauft werden können und eine IKwöchentliche Coti¬<lb/> sation nöthig ist, ehe auf eine Prämie Anspruch gemacht werden kann. Fer¬<lb/> ner hat sich herausgestellt, daß die Landfrauen, die als Ammen Kinder in<lb/> Pflege nehmen, solche bei den Burial-Clubs einschreiben lassen. Endlich wer¬<lb/> den die unehelichen Kinder, gleich den ehelichen, zur Mitgliedschaft zugelassen.<lb/> Welche Sorge, so muß man sich fragen, werden unwissende und verbrecherische<lb/> Eltern für jene Kinder tragen, die für sie eine Anklage sind, und deren Tod ihnen<lb/> 60 — 100 Thlr. einbringt? Welches kann das Loos dieser Klasse von Kindern<lb/> sein, wenn man sieht, was mit so manchen ehelichen Kindern geschieht? Die<lb/> Burial-Clubs sind nicht die Ursache der Verderbtheit des moralischen Ge¬<lb/> fühls, aber sie tragen zu dieser Verderbtheit bei, sie muntern dazu auf, ent¬<lb/> weder die gesunden Kinder zu todten, oder krank gewordene Kinder aus<lb/> Mangel an Nahrung und nach Berechnung sterben zu lassen. Der Kinder-<lb/> Mord entspringt also in England aus zwei verschiedenen Ursachen, von denen<lb/> eine dem Lande eigenthümlich ist. Kann man sich deßhalb wundern, wenn<lb/> die Presse früher schon, und auf's Neue während des Processes gegen die<lb/> Waters im vergangenen Sommer, energisch^ darauf drang, dem Uebel<lb/> einen Damm entgegenzusetzen, und wenn mehrere Gesellschaften sich ge¬<lb/> bildet haben, eine von großer Notorietcit, um denselben Zweck anzustre¬<lb/> ben? Was hat man bis jetzt gethan, um dem Uebel zu steuern? Das ist<lb/> die Frage, die sich dem Beobachter von selbst aufdrängt, und die zu beant¬<lb/> worten die Zeit in England gekommen ist. Wir werden uns in unserm Näch¬<lb/><note type="byline"> 0. L-^.</note> sten damit beschäftigen. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0287]
ihre Cotisation und wenn sie sich gegen Verdacht sicher glauben, dann machen
sie sich an ihr teuflisches Werk. Das Kind stirbt. Sie empfangen eine ge¬
wisse Summe: ihr Zweck ist erreicht. „Jedes Jahr," so sagt der Rep. I. Clay
in seinem vor einigen Jahren veröffentlichten Buche: Intavtieiäe g,n<1 Lurial-
Llubs, „werden eine Menge unschuldiger Wesen in die Ewigkeit befördert
durch diejenigen, welche ihnen am engsten durch die Bande der Natur und
des Bluts, wenn nicht durch Elternliebe verbunden sind, und das um einiger
Pfund Sterl. wegen." Die Unzahl gerichtlicher Untersuchungen und Verur¬
teilungen, die Angaben und Artikel in den öffentlichen Blättern, vornehmlich
in der Times vom 20. Septbr. 1864, sind Beweise, daß wir nicht übertreiben.
So z.B. hat man constatirt, daß nicht selten kleine Tagelöhner, die unfähig
gewesen waren, ihre Miethe zu bezahlen, diese Unfähigkeit nach dem plötz¬
lichen Tode eines ihrer Kinder beseitigt sehen. Aus der vergleichenden Stati¬
stik, die man angestellt, geht hervor, daß die Mortalität unter den bei den
Burial-Clubs eingeschriebenen Kindern größer ist, als bei denen, die es nicht
sind: die Differenz ist 8 — 9 Procent, obgleich die Kinder erst in einem Alter
von zwei Monaten eingekauft werden können und eine IKwöchentliche Coti¬
sation nöthig ist, ehe auf eine Prämie Anspruch gemacht werden kann. Fer¬
ner hat sich herausgestellt, daß die Landfrauen, die als Ammen Kinder in
Pflege nehmen, solche bei den Burial-Clubs einschreiben lassen. Endlich wer¬
den die unehelichen Kinder, gleich den ehelichen, zur Mitgliedschaft zugelassen.
Welche Sorge, so muß man sich fragen, werden unwissende und verbrecherische
Eltern für jene Kinder tragen, die für sie eine Anklage sind, und deren Tod ihnen
60 — 100 Thlr. einbringt? Welches kann das Loos dieser Klasse von Kindern
sein, wenn man sieht, was mit so manchen ehelichen Kindern geschieht? Die
Burial-Clubs sind nicht die Ursache der Verderbtheit des moralischen Ge¬
fühls, aber sie tragen zu dieser Verderbtheit bei, sie muntern dazu auf, ent¬
weder die gesunden Kinder zu todten, oder krank gewordene Kinder aus
Mangel an Nahrung und nach Berechnung sterben zu lassen. Der Kinder-
Mord entspringt also in England aus zwei verschiedenen Ursachen, von denen
eine dem Lande eigenthümlich ist. Kann man sich deßhalb wundern, wenn
die Presse früher schon, und auf's Neue während des Processes gegen die
Waters im vergangenen Sommer, energisch^ darauf drang, dem Uebel
einen Damm entgegenzusetzen, und wenn mehrere Gesellschaften sich ge¬
bildet haben, eine von großer Notorietcit, um denselben Zweck anzustre¬
ben? Was hat man bis jetzt gethan, um dem Uebel zu steuern? Das ist
die Frage, die sich dem Beobachter von selbst aufdrängt, und die zu beant¬
worten die Zeit in England gekommen ist. Wir werden uns in unserm Näch¬
0. L-^. sten damit beschäftigen.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |