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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.

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gegeben sind, gab nochmals zu einer erregten Verhandlung Anlaß. Gesichts¬
punkte indeß, die zur allgemeinen Belehrung beitragen, kamen darin nicht zum
Borschein. Sollen wir uns des längeren mit Herrn Ewald beschäftigen, der un¬
ter anderem bemerkte, ein Kriegsschatz sei unzweckmäßig, weil er im Fall einer
Niederlage die Beute des Feindes vermehre? Die überaus kindliche Vorstel¬
lung, daß ein Kriegsschatz selbst im Kriege zum Ansehen da sei, wie etwa
ein Antikenkabinet, erregte natürlich stürmische Heiterkeit, sowie mehr oder
minder die ganze Rede. Es mag bei dieser Gelegenheit bemerkt sein, daß wir
die Anwesenheit des Herrn Ewald im Reichstag allerdings für nützlich hal¬
ten. Es ist gut, daß die Nation sich einprägt, wie der Preußenhaß nur in
den lächerlichsten Charakteren jemals naturwüchsig hat gedeihen können.
Solche antediluvianische Erscheinungen, zumal wenn eine glückliche Selbstge¬
fälligkeit die Umgebung der Nothwendigkeit des Mitleids enthebt, wirken
durchaus wohlthätig als abschreckendes Beispiel einer ebenso traurigen als
einst gefährlichen Vergangenheit.

Auf Herrn Ewald folgte Herr Sonnemann mit den ebenso oft widerlegten
als vorgebrachten national-ökonomischen Bedenken. Miquel übernahm dies
Mal die Widerlegung.

Das Bedenken, welches wir unsererseits gegen diejenige Bestimmung des
Gesetzes hegen, nach welcher sogenannte zufällige Einnahmen ohne besondere
Zustimmung des Reichstags in den Kriegsschatz fließen sollen, während an¬
dererseits die Verpflichtung des Reichstags, den Kriegsschatz nach theilweiser
oder ganzer Aufwendung sofort wieder zu füllen, bezüglich zur Aufbringung
der Füllungsgelder mitzuwirken, nicht kategorisch ausgesprochen ist, trifft nun¬
mehr den endgültigen Reichstagsbeschluß, der wohl die Zustimmung des Bun¬
desrathes finden wird.

Die Sitzung vom 7. November, in welcher das Gesetz über die Einfüh¬
rung der Gewerbeordnung in Württemberg und Baden in erster und zweiter
Berathung erledigt wurde, worauf die Uebersicht der Ausgaben und Einnah¬
men des Norddeutschen Bundes für das Jahr 1870 mit Ausschluß der Kriegs¬
posten zur Verhandlung kam, bot nichts Bemerkenswerthes dar.

Die Sitzung vom 8. November, auf deren Tagesordnung die dritte Be¬
rathung des Antrags Büsing, betreffend die Nothwendigkeit einer aus
Volkswahl hervorgehenden Vertretung in allen Bundesstaaten, sich be¬
fand, erhielt eine üble Auszeichnung durch das Auftreten des Herrn
Bebel, dem endlich der Präsident das Wort entziehen mußte. Man weiß
längst, daß Herr Bebel nur von Zeit zu Zeit in den Reichstag kommt,
um seinem Aerger über die deutsche Nation und das, was sie heute ist,
in beleidigenden Reden Luft zu machen. Das Mittel des Ordnungs¬
rufes und der Wortentziehung, die stärksten, welche der Reichstag besitzt,


gegeben sind, gab nochmals zu einer erregten Verhandlung Anlaß. Gesichts¬
punkte indeß, die zur allgemeinen Belehrung beitragen, kamen darin nicht zum
Borschein. Sollen wir uns des längeren mit Herrn Ewald beschäftigen, der un¬
ter anderem bemerkte, ein Kriegsschatz sei unzweckmäßig, weil er im Fall einer
Niederlage die Beute des Feindes vermehre? Die überaus kindliche Vorstel¬
lung, daß ein Kriegsschatz selbst im Kriege zum Ansehen da sei, wie etwa
ein Antikenkabinet, erregte natürlich stürmische Heiterkeit, sowie mehr oder
minder die ganze Rede. Es mag bei dieser Gelegenheit bemerkt sein, daß wir
die Anwesenheit des Herrn Ewald im Reichstag allerdings für nützlich hal¬
ten. Es ist gut, daß die Nation sich einprägt, wie der Preußenhaß nur in
den lächerlichsten Charakteren jemals naturwüchsig hat gedeihen können.
Solche antediluvianische Erscheinungen, zumal wenn eine glückliche Selbstge¬
fälligkeit die Umgebung der Nothwendigkeit des Mitleids enthebt, wirken
durchaus wohlthätig als abschreckendes Beispiel einer ebenso traurigen als
einst gefährlichen Vergangenheit.

Auf Herrn Ewald folgte Herr Sonnemann mit den ebenso oft widerlegten
als vorgebrachten national-ökonomischen Bedenken. Miquel übernahm dies
Mal die Widerlegung.

Das Bedenken, welches wir unsererseits gegen diejenige Bestimmung des
Gesetzes hegen, nach welcher sogenannte zufällige Einnahmen ohne besondere
Zustimmung des Reichstags in den Kriegsschatz fließen sollen, während an¬
dererseits die Verpflichtung des Reichstags, den Kriegsschatz nach theilweiser
oder ganzer Aufwendung sofort wieder zu füllen, bezüglich zur Aufbringung
der Füllungsgelder mitzuwirken, nicht kategorisch ausgesprochen ist, trifft nun¬
mehr den endgültigen Reichstagsbeschluß, der wohl die Zustimmung des Bun¬
desrathes finden wird.

Die Sitzung vom 7. November, in welcher das Gesetz über die Einfüh¬
rung der Gewerbeordnung in Württemberg und Baden in erster und zweiter
Berathung erledigt wurde, worauf die Uebersicht der Ausgaben und Einnah¬
men des Norddeutschen Bundes für das Jahr 1870 mit Ausschluß der Kriegs¬
posten zur Verhandlung kam, bot nichts Bemerkenswerthes dar.

Die Sitzung vom 8. November, auf deren Tagesordnung die dritte Be¬
rathung des Antrags Büsing, betreffend die Nothwendigkeit einer aus
Volkswahl hervorgehenden Vertretung in allen Bundesstaaten, sich be¬
fand, erhielt eine üble Auszeichnung durch das Auftreten des Herrn
Bebel, dem endlich der Präsident das Wort entziehen mußte. Man weiß
längst, daß Herr Bebel nur von Zeit zu Zeit in den Reichstag kommt,
um seinem Aerger über die deutsche Nation und das, was sie heute ist,
in beleidigenden Reden Luft zu machen. Das Mittel des Ordnungs¬
rufes und der Wortentziehung, die stärksten, welche der Reichstag besitzt,


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[0276] gegeben sind, gab nochmals zu einer erregten Verhandlung Anlaß. Gesichts¬ punkte indeß, die zur allgemeinen Belehrung beitragen, kamen darin nicht zum Borschein. Sollen wir uns des längeren mit Herrn Ewald beschäftigen, der un¬ ter anderem bemerkte, ein Kriegsschatz sei unzweckmäßig, weil er im Fall einer Niederlage die Beute des Feindes vermehre? Die überaus kindliche Vorstel¬ lung, daß ein Kriegsschatz selbst im Kriege zum Ansehen da sei, wie etwa ein Antikenkabinet, erregte natürlich stürmische Heiterkeit, sowie mehr oder minder die ganze Rede. Es mag bei dieser Gelegenheit bemerkt sein, daß wir die Anwesenheit des Herrn Ewald im Reichstag allerdings für nützlich hal¬ ten. Es ist gut, daß die Nation sich einprägt, wie der Preußenhaß nur in den lächerlichsten Charakteren jemals naturwüchsig hat gedeihen können. Solche antediluvianische Erscheinungen, zumal wenn eine glückliche Selbstge¬ fälligkeit die Umgebung der Nothwendigkeit des Mitleids enthebt, wirken durchaus wohlthätig als abschreckendes Beispiel einer ebenso traurigen als einst gefährlichen Vergangenheit. Auf Herrn Ewald folgte Herr Sonnemann mit den ebenso oft widerlegten als vorgebrachten national-ökonomischen Bedenken. Miquel übernahm dies Mal die Widerlegung. Das Bedenken, welches wir unsererseits gegen diejenige Bestimmung des Gesetzes hegen, nach welcher sogenannte zufällige Einnahmen ohne besondere Zustimmung des Reichstags in den Kriegsschatz fließen sollen, während an¬ dererseits die Verpflichtung des Reichstags, den Kriegsschatz nach theilweiser oder ganzer Aufwendung sofort wieder zu füllen, bezüglich zur Aufbringung der Füllungsgelder mitzuwirken, nicht kategorisch ausgesprochen ist, trifft nun¬ mehr den endgültigen Reichstagsbeschluß, der wohl die Zustimmung des Bun¬ desrathes finden wird. Die Sitzung vom 7. November, in welcher das Gesetz über die Einfüh¬ rung der Gewerbeordnung in Württemberg und Baden in erster und zweiter Berathung erledigt wurde, worauf die Uebersicht der Ausgaben und Einnah¬ men des Norddeutschen Bundes für das Jahr 1870 mit Ausschluß der Kriegs¬ posten zur Verhandlung kam, bot nichts Bemerkenswerthes dar. Die Sitzung vom 8. November, auf deren Tagesordnung die dritte Be¬ rathung des Antrags Büsing, betreffend die Nothwendigkeit einer aus Volkswahl hervorgehenden Vertretung in allen Bundesstaaten, sich be¬ fand, erhielt eine üble Auszeichnung durch das Auftreten des Herrn Bebel, dem endlich der Präsident das Wort entziehen mußte. Man weiß längst, daß Herr Bebel nur von Zeit zu Zeit in den Reichstag kommt, um seinem Aerger über die deutsche Nation und das, was sie heute ist, in beleidigenden Reden Luft zu machen. Das Mittel des Ordnungs¬ rufes und der Wortentziehung, die stärksten, welche der Reichstag besitzt,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299/276>, abgerufen am 05.02.2025.