Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

brechens der Anfertigung und Ausgabe falscher russischer Bankbillets ver¬
wickelt, wurde er kraft einer Freisprechung wegen Mangel mehreren Verdachts
entlassen. Er erschien ein zweites Mal unter derselben Anklage vor dem
Assisenhofe der Seine und wurde freigesprochen.

Jaroslav Dombrowski fabricirte falsche Pässe und falsche Bescheinigungen,
in welchen er bezeugte, daß gewisse von seinen Landsleuten, die er mit er¬
fundenen Graden bedachte, an der Jnsurrection activ Theil genommen hätten,
während sie derselben vollkommen fremd geblieben waren. Diese Bescheini¬
gungen hatten den Zweck, Flüchtlingen, welche um Staatsunterstützung ein¬
kamen, zur Erlangung derselben zu verhelfen. Im Laufe des letzten Februar
war Dombrowski bemüht, die Jnsurrection in Bordeaux zu schüren, und es
erging ein Verhaftsbefehl gegen ihn. Er entwischte, indem er sich in die
Schweiz begab, wo er bis in die letzten Tage des März verblieb. Während
der Belagerung von Paris wurde er, in Verdacht gerathen, mit den Preußen
im Einverständniß zu sein, mehrmals arretirt. Er soll selbst die feindlichen
Linien mit einem falschen Passirschein durchschritten haben. Kurz vor den
letzten Ereignissen wurde er in dem Augenblick verhaftet, wo er den Wunsch
verrieth, die französische Armee völlig vernichtet zu sehen. (?)

Das ist der Mensch, dem die aufständische Commune den Oberbefehl in
Paris anvertraut hat."

Der zweite polnische Flüchtling, der während des Bürgerkriegs in und
bei Paris von sich reden machte, war Valerius Wroblewski. Er war
General der Commune und gilt jetzt für verschollen. Doch wird von anderer
Seite behauptet, daß es ihm gelungen, nach London zu entkommen, und daß
er hier ein neues polnisches Comite gegründet. Sein Vorleben ist ebenfalls
unsauber, mindestens voll bedenklicher Stellen. Vor 1863 war er Musikmeister
in einem russischen Regiments. In dem genannten Jahre trat er zu den
Polnischen Insurgenten über, die ihn zum Organisateur und zum Chef einer
ihrer Banden machten. In dieser Eigenschaft zeichnete er sich durch wilde
Grausamkeit aus. Man sagt, die Zahl der Unglücklichen, die er habe henken
lassen, habe mehr als dreihundert betragen. Zuletzt gelang ihm die Flucht
über die russische Grenze, und er kam 1864 nach Paris, wo er Mitglied des
Comite's der polnischen Emigration wurde. Seine Landsleute klagen ihn
an, in Polen beträchtliche Summen den Zwecken, für die sie bestimmt ge¬
wesen, entfremdet zu haben, auch soll er die Mitschuld tragen, wenn gewisse
der Emigration gehörige Gelder vergeudet wurden.

Theophil Dombrowski, der Bruder Jaroslav's, ist verschollen. Er
war 1870 in eine Untersuchung wegen der Verbreitung falscher Fünfzig-Rubel-
Noten der russischen Bank verwickelt, und als er unter der Commune Oberst
geworden, rächte er sich an dem Jnstructionsrichter Bernier. welcher den


Grenzten II. 187t. 103

brechens der Anfertigung und Ausgabe falscher russischer Bankbillets ver¬
wickelt, wurde er kraft einer Freisprechung wegen Mangel mehreren Verdachts
entlassen. Er erschien ein zweites Mal unter derselben Anklage vor dem
Assisenhofe der Seine und wurde freigesprochen.

Jaroslav Dombrowski fabricirte falsche Pässe und falsche Bescheinigungen,
in welchen er bezeugte, daß gewisse von seinen Landsleuten, die er mit er¬
fundenen Graden bedachte, an der Jnsurrection activ Theil genommen hätten,
während sie derselben vollkommen fremd geblieben waren. Diese Bescheini¬
gungen hatten den Zweck, Flüchtlingen, welche um Staatsunterstützung ein¬
kamen, zur Erlangung derselben zu verhelfen. Im Laufe des letzten Februar
war Dombrowski bemüht, die Jnsurrection in Bordeaux zu schüren, und es
erging ein Verhaftsbefehl gegen ihn. Er entwischte, indem er sich in die
Schweiz begab, wo er bis in die letzten Tage des März verblieb. Während
der Belagerung von Paris wurde er, in Verdacht gerathen, mit den Preußen
im Einverständniß zu sein, mehrmals arretirt. Er soll selbst die feindlichen
Linien mit einem falschen Passirschein durchschritten haben. Kurz vor den
letzten Ereignissen wurde er in dem Augenblick verhaftet, wo er den Wunsch
verrieth, die französische Armee völlig vernichtet zu sehen. (?)

Das ist der Mensch, dem die aufständische Commune den Oberbefehl in
Paris anvertraut hat."

Der zweite polnische Flüchtling, der während des Bürgerkriegs in und
bei Paris von sich reden machte, war Valerius Wroblewski. Er war
General der Commune und gilt jetzt für verschollen. Doch wird von anderer
Seite behauptet, daß es ihm gelungen, nach London zu entkommen, und daß
er hier ein neues polnisches Comite gegründet. Sein Vorleben ist ebenfalls
unsauber, mindestens voll bedenklicher Stellen. Vor 1863 war er Musikmeister
in einem russischen Regiments. In dem genannten Jahre trat er zu den
Polnischen Insurgenten über, die ihn zum Organisateur und zum Chef einer
ihrer Banden machten. In dieser Eigenschaft zeichnete er sich durch wilde
Grausamkeit aus. Man sagt, die Zahl der Unglücklichen, die er habe henken
lassen, habe mehr als dreihundert betragen. Zuletzt gelang ihm die Flucht
über die russische Grenze, und er kam 1864 nach Paris, wo er Mitglied des
Comite's der polnischen Emigration wurde. Seine Landsleute klagen ihn
an, in Polen beträchtliche Summen den Zwecken, für die sie bestimmt ge¬
wesen, entfremdet zu haben, auch soll er die Mitschuld tragen, wenn gewisse
der Emigration gehörige Gelder vergeudet wurden.

Theophil Dombrowski, der Bruder Jaroslav's, ist verschollen. Er
war 1870 in eine Untersuchung wegen der Verbreitung falscher Fünfzig-Rubel-
Noten der russischen Bank verwickelt, und als er unter der Commune Oberst
geworden, rächte er sich an dem Jnstructionsrichter Bernier. welcher den


Grenzten II. 187t. 103
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0265" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192566"/>
          <p xml:id="ID_1027" prev="#ID_1026"> brechens der Anfertigung und Ausgabe falscher russischer Bankbillets ver¬<lb/>
wickelt, wurde er kraft einer Freisprechung wegen Mangel mehreren Verdachts<lb/>
entlassen. Er erschien ein zweites Mal unter derselben Anklage vor dem<lb/>
Assisenhofe der Seine und wurde freigesprochen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1028"> Jaroslav Dombrowski fabricirte falsche Pässe und falsche Bescheinigungen,<lb/>
in welchen er bezeugte, daß gewisse von seinen Landsleuten, die er mit er¬<lb/>
fundenen Graden bedachte, an der Jnsurrection activ Theil genommen hätten,<lb/>
während sie derselben vollkommen fremd geblieben waren. Diese Bescheini¬<lb/>
gungen hatten den Zweck, Flüchtlingen, welche um Staatsunterstützung ein¬<lb/>
kamen, zur Erlangung derselben zu verhelfen. Im Laufe des letzten Februar<lb/>
war Dombrowski bemüht, die Jnsurrection in Bordeaux zu schüren, und es<lb/>
erging ein Verhaftsbefehl gegen ihn. Er entwischte, indem er sich in die<lb/>
Schweiz begab, wo er bis in die letzten Tage des März verblieb. Während<lb/>
der Belagerung von Paris wurde er, in Verdacht gerathen, mit den Preußen<lb/>
im Einverständniß zu sein, mehrmals arretirt. Er soll selbst die feindlichen<lb/>
Linien mit einem falschen Passirschein durchschritten haben. Kurz vor den<lb/>
letzten Ereignissen wurde er in dem Augenblick verhaftet, wo er den Wunsch<lb/>
verrieth, die französische Armee völlig vernichtet zu sehen. (?)</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1029"> Das ist der Mensch, dem die aufständische Commune den Oberbefehl in<lb/>
Paris anvertraut hat."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1030"> Der zweite polnische Flüchtling, der während des Bürgerkriegs in und<lb/>
bei Paris von sich reden machte, war Valerius Wroblewski. Er war<lb/>
General der Commune und gilt jetzt für verschollen. Doch wird von anderer<lb/>
Seite behauptet, daß es ihm gelungen, nach London zu entkommen, und daß<lb/>
er hier ein neues polnisches Comite gegründet. Sein Vorleben ist ebenfalls<lb/>
unsauber, mindestens voll bedenklicher Stellen. Vor 1863 war er Musikmeister<lb/>
in einem russischen Regiments. In dem genannten Jahre trat er zu den<lb/>
Polnischen Insurgenten über, die ihn zum Organisateur und zum Chef einer<lb/>
ihrer Banden machten. In dieser Eigenschaft zeichnete er sich durch wilde<lb/>
Grausamkeit aus. Man sagt, die Zahl der Unglücklichen, die er habe henken<lb/>
lassen, habe mehr als dreihundert betragen. Zuletzt gelang ihm die Flucht<lb/>
über die russische Grenze, und er kam 1864 nach Paris, wo er Mitglied des<lb/>
Comite's der polnischen Emigration wurde. Seine Landsleute klagen ihn<lb/>
an, in Polen beträchtliche Summen den Zwecken, für die sie bestimmt ge¬<lb/>
wesen, entfremdet zu haben, auch soll er die Mitschuld tragen, wenn gewisse<lb/>
der Emigration gehörige Gelder vergeudet wurden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1031" next="#ID_1032"> Theophil Dombrowski, der Bruder Jaroslav's, ist verschollen. Er<lb/>
war 1870 in eine Untersuchung wegen der Verbreitung falscher Fünfzig-Rubel-<lb/>
Noten der russischen Bank verwickelt, und als er unter der Commune Oberst<lb/>
geworden, rächte er sich an dem Jnstructionsrichter Bernier. welcher den</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzten II. 187t. 103</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0265] brechens der Anfertigung und Ausgabe falscher russischer Bankbillets ver¬ wickelt, wurde er kraft einer Freisprechung wegen Mangel mehreren Verdachts entlassen. Er erschien ein zweites Mal unter derselben Anklage vor dem Assisenhofe der Seine und wurde freigesprochen. Jaroslav Dombrowski fabricirte falsche Pässe und falsche Bescheinigungen, in welchen er bezeugte, daß gewisse von seinen Landsleuten, die er mit er¬ fundenen Graden bedachte, an der Jnsurrection activ Theil genommen hätten, während sie derselben vollkommen fremd geblieben waren. Diese Bescheini¬ gungen hatten den Zweck, Flüchtlingen, welche um Staatsunterstützung ein¬ kamen, zur Erlangung derselben zu verhelfen. Im Laufe des letzten Februar war Dombrowski bemüht, die Jnsurrection in Bordeaux zu schüren, und es erging ein Verhaftsbefehl gegen ihn. Er entwischte, indem er sich in die Schweiz begab, wo er bis in die letzten Tage des März verblieb. Während der Belagerung von Paris wurde er, in Verdacht gerathen, mit den Preußen im Einverständniß zu sein, mehrmals arretirt. Er soll selbst die feindlichen Linien mit einem falschen Passirschein durchschritten haben. Kurz vor den letzten Ereignissen wurde er in dem Augenblick verhaftet, wo er den Wunsch verrieth, die französische Armee völlig vernichtet zu sehen. (?) Das ist der Mensch, dem die aufständische Commune den Oberbefehl in Paris anvertraut hat." Der zweite polnische Flüchtling, der während des Bürgerkriegs in und bei Paris von sich reden machte, war Valerius Wroblewski. Er war General der Commune und gilt jetzt für verschollen. Doch wird von anderer Seite behauptet, daß es ihm gelungen, nach London zu entkommen, und daß er hier ein neues polnisches Comite gegründet. Sein Vorleben ist ebenfalls unsauber, mindestens voll bedenklicher Stellen. Vor 1863 war er Musikmeister in einem russischen Regiments. In dem genannten Jahre trat er zu den Polnischen Insurgenten über, die ihn zum Organisateur und zum Chef einer ihrer Banden machten. In dieser Eigenschaft zeichnete er sich durch wilde Grausamkeit aus. Man sagt, die Zahl der Unglücklichen, die er habe henken lassen, habe mehr als dreihundert betragen. Zuletzt gelang ihm die Flucht über die russische Grenze, und er kam 1864 nach Paris, wo er Mitglied des Comite's der polnischen Emigration wurde. Seine Landsleute klagen ihn an, in Polen beträchtliche Summen den Zwecken, für die sie bestimmt ge¬ wesen, entfremdet zu haben, auch soll er die Mitschuld tragen, wenn gewisse der Emigration gehörige Gelder vergeudet wurden. Theophil Dombrowski, der Bruder Jaroslav's, ist verschollen. Er war 1870 in eine Untersuchung wegen der Verbreitung falscher Fünfzig-Rubel- Noten der russischen Bank verwickelt, und als er unter der Commune Oberst geworden, rächte er sich an dem Jnstructionsrichter Bernier. welcher den Grenzten II. 187t. 103

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299/265
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299/265>, abgerufen am 06.02.2025.