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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.

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als existirend anerkennen und zu gleicher Zeit erklären, daß er nichts damit
zu thun habe. Aber wenn er es für die Grundursache der socialen, politi¬
schen und internationalen Sclaverei erklärt, so spricht er damit dem monar¬
chischen, dem aristokratischen, dem kirchlichen Erbrechte und dem der Eroberung
das Todesurtheil, d. h. er erklärt logisch jeder Unterdrückung den Krieg und
empfiehlt Frieden und Unterwerfung im Hinblick auf das individuelle Wohl¬
befinden. Jedermann weiß, daß der Credit sich auf die Menge der produc-
tiven Arbeit und nicht auf die Menge des Metalls gründet, welches das Ka¬
pital vertritt, d. h. für den Augenblick das Mittel vertritt, die productive
Arbeit zu seiner Verfügung zu haben. Folglich ersetzen die Arbeitergenossen¬
schaften ihren Mangel an Geld durch eine Collectivgarantie der Arbeiter. Sie
werden nicht nur den unmittelbaren Credit heben, sondern das Todesurtheil
über jede andere Art von Credit aussprechen, d. h. über alle Besitzenden und
folglich über alle Staaten, die sich auf die ihnen Steuerpflichtigen stützen."..
"Euer Werk ist groß. Freunde! Es trägt in sich das Heil der Welt. Ver¬
sucht, euch zur Höhe eurer Aufgabe zu erheben."

In Nummer 22 desselben Journals aber finden wir Folgendes: " Wir
verlangen, daß der Grund und Boden und alle Arbeitswerkzeuge als Ge¬
meinde-Eigenthum anerkannt werden, ohne welches es keine politische Gleich¬
heit giebt. Wir verlangen die Zutheilung aus den Gemeinde-Erzeugnissen an
die Familienmutter, ohne welche es keine sociale Freiheit giebt. Wir ver¬
langen die Abschaffung jedes religiösen Monopols, ohne welche es keine Ge¬
wissensfreiheit giebt."

Der Verfasser des von uns hier benutzten Buches führt noch verschiedene
andere Beispiele für die Denkart und die Ziele der demokratischen polnische"
Gesellschaft unter Mieroslawski's Leitung an. Indem aus dem von un^
Mitgetheilten schon hervorgeht, daß diese Gesellschaft sich in ihren Grundsätze"
von der polnischen Commune kaum unterschied, wundern wir uns nicht, daß
so viele Polen für die rothe Fahne des 18. März 1871 gefochten haben. Mieros-
lawski allerdings versuchte nicht, Dictator von Frankreich zu werden, aber nur
deshalb nicht, weil er dabei mit seiner Person hätte eintreten müssen und dieß
ihm widerstrebte.-

Vom Jahre 1869 bis zum Juli 1870 überschwemmten die Polen Lan
dowski, Babinski, Jaroslav Dombrowski, Microslawski und I, B. Ostrowski
die radicale Presse von Paris mit Versicherungen ihrer Hingebung an die de¬
mokratische und sociale Sache. Ein anderer Pole. Bronislav Wolowski,
hatte, nachdem er Mitarbeiter am " Phare de la Loire", dem "Progres de
Lyon", am ., Peuple de Marseille" gewesen, die Dreistigkeit, in Lyon eine
öffentliche Versammlung zu veranstalten, um vor derselben ein socialistisches
Programm zu entwickeln. Man empfing ihn mit Hohngelächter; denn man


als existirend anerkennen und zu gleicher Zeit erklären, daß er nichts damit
zu thun habe. Aber wenn er es für die Grundursache der socialen, politi¬
schen und internationalen Sclaverei erklärt, so spricht er damit dem monar¬
chischen, dem aristokratischen, dem kirchlichen Erbrechte und dem der Eroberung
das Todesurtheil, d. h. er erklärt logisch jeder Unterdrückung den Krieg und
empfiehlt Frieden und Unterwerfung im Hinblick auf das individuelle Wohl¬
befinden. Jedermann weiß, daß der Credit sich auf die Menge der produc-
tiven Arbeit und nicht auf die Menge des Metalls gründet, welches das Ka¬
pital vertritt, d. h. für den Augenblick das Mittel vertritt, die productive
Arbeit zu seiner Verfügung zu haben. Folglich ersetzen die Arbeitergenossen¬
schaften ihren Mangel an Geld durch eine Collectivgarantie der Arbeiter. Sie
werden nicht nur den unmittelbaren Credit heben, sondern das Todesurtheil
über jede andere Art von Credit aussprechen, d. h. über alle Besitzenden und
folglich über alle Staaten, die sich auf die ihnen Steuerpflichtigen stützen."..
„Euer Werk ist groß. Freunde! Es trägt in sich das Heil der Welt. Ver¬
sucht, euch zur Höhe eurer Aufgabe zu erheben."

In Nummer 22 desselben Journals aber finden wir Folgendes: „ Wir
verlangen, daß der Grund und Boden und alle Arbeitswerkzeuge als Ge¬
meinde-Eigenthum anerkannt werden, ohne welches es keine politische Gleich¬
heit giebt. Wir verlangen die Zutheilung aus den Gemeinde-Erzeugnissen an
die Familienmutter, ohne welche es keine sociale Freiheit giebt. Wir ver¬
langen die Abschaffung jedes religiösen Monopols, ohne welche es keine Ge¬
wissensfreiheit giebt."

Der Verfasser des von uns hier benutzten Buches führt noch verschiedene
andere Beispiele für die Denkart und die Ziele der demokratischen polnische"
Gesellschaft unter Mieroslawski's Leitung an. Indem aus dem von un^
Mitgetheilten schon hervorgeht, daß diese Gesellschaft sich in ihren Grundsätze»
von der polnischen Commune kaum unterschied, wundern wir uns nicht, daß
so viele Polen für die rothe Fahne des 18. März 1871 gefochten haben. Mieros-
lawski allerdings versuchte nicht, Dictator von Frankreich zu werden, aber nur
deshalb nicht, weil er dabei mit seiner Person hätte eintreten müssen und dieß
ihm widerstrebte.-

Vom Jahre 1869 bis zum Juli 1870 überschwemmten die Polen Lan
dowski, Babinski, Jaroslav Dombrowski, Microslawski und I, B. Ostrowski
die radicale Presse von Paris mit Versicherungen ihrer Hingebung an die de¬
mokratische und sociale Sache. Ein anderer Pole. Bronislav Wolowski,
hatte, nachdem er Mitarbeiter am „ Phare de la Loire", dem „Progres de
Lyon", am ., Peuple de Marseille" gewesen, die Dreistigkeit, in Lyon eine
öffentliche Versammlung zu veranstalten, um vor derselben ein socialistisches
Programm zu entwickeln. Man empfing ihn mit Hohngelächter; denn man


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[0256] als existirend anerkennen und zu gleicher Zeit erklären, daß er nichts damit zu thun habe. Aber wenn er es für die Grundursache der socialen, politi¬ schen und internationalen Sclaverei erklärt, so spricht er damit dem monar¬ chischen, dem aristokratischen, dem kirchlichen Erbrechte und dem der Eroberung das Todesurtheil, d. h. er erklärt logisch jeder Unterdrückung den Krieg und empfiehlt Frieden und Unterwerfung im Hinblick auf das individuelle Wohl¬ befinden. Jedermann weiß, daß der Credit sich auf die Menge der produc- tiven Arbeit und nicht auf die Menge des Metalls gründet, welches das Ka¬ pital vertritt, d. h. für den Augenblick das Mittel vertritt, die productive Arbeit zu seiner Verfügung zu haben. Folglich ersetzen die Arbeitergenossen¬ schaften ihren Mangel an Geld durch eine Collectivgarantie der Arbeiter. Sie werden nicht nur den unmittelbaren Credit heben, sondern das Todesurtheil über jede andere Art von Credit aussprechen, d. h. über alle Besitzenden und folglich über alle Staaten, die sich auf die ihnen Steuerpflichtigen stützen.".. „Euer Werk ist groß. Freunde! Es trägt in sich das Heil der Welt. Ver¬ sucht, euch zur Höhe eurer Aufgabe zu erheben." In Nummer 22 desselben Journals aber finden wir Folgendes: „ Wir verlangen, daß der Grund und Boden und alle Arbeitswerkzeuge als Ge¬ meinde-Eigenthum anerkannt werden, ohne welches es keine politische Gleich¬ heit giebt. Wir verlangen die Zutheilung aus den Gemeinde-Erzeugnissen an die Familienmutter, ohne welche es keine sociale Freiheit giebt. Wir ver¬ langen die Abschaffung jedes religiösen Monopols, ohne welche es keine Ge¬ wissensfreiheit giebt." Der Verfasser des von uns hier benutzten Buches führt noch verschiedene andere Beispiele für die Denkart und die Ziele der demokratischen polnische" Gesellschaft unter Mieroslawski's Leitung an. Indem aus dem von un^ Mitgetheilten schon hervorgeht, daß diese Gesellschaft sich in ihren Grundsätze» von der polnischen Commune kaum unterschied, wundern wir uns nicht, daß so viele Polen für die rothe Fahne des 18. März 1871 gefochten haben. Mieros- lawski allerdings versuchte nicht, Dictator von Frankreich zu werden, aber nur deshalb nicht, weil er dabei mit seiner Person hätte eintreten müssen und dieß ihm widerstrebte.- Vom Jahre 1869 bis zum Juli 1870 überschwemmten die Polen Lan dowski, Babinski, Jaroslav Dombrowski, Microslawski und I, B. Ostrowski die radicale Presse von Paris mit Versicherungen ihrer Hingebung an die de¬ mokratische und sociale Sache. Ein anderer Pole. Bronislav Wolowski, hatte, nachdem er Mitarbeiter am „ Phare de la Loire", dem „Progres de Lyon", am ., Peuple de Marseille" gewesen, die Dreistigkeit, in Lyon eine öffentliche Versammlung zu veranstalten, um vor derselben ein socialistisches Programm zu entwickeln. Man empfing ihn mit Hohngelächter; denn man

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299/256>, abgerufen am 06.02.2025.