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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.

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russischen Despotismus auf Europa durch Anwendung des Rechts der Völker,
über sich selbst zu bestimmen, und durch Wiederherstellung Polens auf social¬
demokratischen Grundlagen zu vernichten/' Der Pole Cwierciakiewicz forderte
den Congreß auf, nicht aus den Augen zu lassen, daß die russische Regierung
das mächtigste Hinderniß des Triumphes der socialen Revolution sei. Ein
anderer Pole, der General Bossak, protestirte im Namen seiner Landsleute
gegen den neunten Paragraphen, der von der Abschaffung der stehenden Heere
handelte, mit folgenden Worten: "Wie ihr, verdammen wir die stehenden
Heere, aber wir wollen die allgemeine Volksbewaffnung. Die Polen werden
stets bewaffnet bleiben, so lange Polen nicht frei ist. Ihr Feldgeschrei ist:
Für unsere Freiheit und sür die eure."

Als der Kaiser Alexander 1867 Paris besuchte, veröffentlichte der Graf
Victor de Röcheln in den dortigen radicalen Blättern eine von circa fünf¬
hundert zur Internationale gehörigen Arbeitern unterzeichnete Adresse, in
welcher es hieß:

"Vor vier Jahren forderten wir für Polen Hülfe, Unterstützung, Gerechtig¬
keit, Schutz. Andere Kundgebungen haben damals die Oberhand behalten.
Heute bitten wir, sämmtlich Wähler, französische Arbeiter in Paris, sämmt¬
lich gleich, Väter, Brüder, niedergeschlagen in der Erinnerung an unsere Ohn¬
macht und zu gleicher Zeit ergriffen von dem Unglück Polens, den gesetz¬
gebenden Körper, dem Beispiele glorreicher Vorgänger zu folgen und ge-
wogentlich in seiner AnsMche an den Kaiser Alexander den Zweiten bei
seinem bevorstehenden Besuch im Palast des allgemeinen Stimmrechts an
den früheren Beschluß zu erinnern: die polnische Nationalität bleibt allezeit
ungeschmälert bestehen."

Und so ging dieses herzliche EinVerständniß und dieses wechselseitige Auf¬
treten für einander zwischen den Polen und der kommunistischen Arbeiterpartei
in den Jahren bis zum deutsch-französischen Kriege fort.

Auf dem Congreß von Lausanne (2. September 1867) unterzeichneten
die Polen eine Adresse an den Genfer Friedenskongreß, in der sie sich "die
Soldaten der socialen Revolution" nannten. Am 23. September
desselben Jahres erschien eine von dem obenerwähnten Ognisko verfaßte
Adresse an den jungen Berezowski (der während der Anwesenheit Alexanders
des Zweiten einen Schuß auf denselben abgefeuert), in welcher die Demokratie
gebeten wurde, sich für das Schicksal "dieses Opfers der moskowitischen Ty¬
rannei zu interessiren und Verwahrung einzulegen gegen das ungerechte Ur¬
theil der verderbten Richter, welche diesen edlen Jüngling verurtheilt haben."

Im September 1868, während des Congresses der Internationale zu
Brüssel, lud die polnische Section die andern Abgeordneten des Bundes ein,
hinsichtlich der Frage: "Welche Stellung müssen die Arbeiter im Fall eines


russischen Despotismus auf Europa durch Anwendung des Rechts der Völker,
über sich selbst zu bestimmen, und durch Wiederherstellung Polens auf social¬
demokratischen Grundlagen zu vernichten/' Der Pole Cwierciakiewicz forderte
den Congreß auf, nicht aus den Augen zu lassen, daß die russische Regierung
das mächtigste Hinderniß des Triumphes der socialen Revolution sei. Ein
anderer Pole, der General Bossak, protestirte im Namen seiner Landsleute
gegen den neunten Paragraphen, der von der Abschaffung der stehenden Heere
handelte, mit folgenden Worten: „Wie ihr, verdammen wir die stehenden
Heere, aber wir wollen die allgemeine Volksbewaffnung. Die Polen werden
stets bewaffnet bleiben, so lange Polen nicht frei ist. Ihr Feldgeschrei ist:
Für unsere Freiheit und sür die eure."

Als der Kaiser Alexander 1867 Paris besuchte, veröffentlichte der Graf
Victor de Röcheln in den dortigen radicalen Blättern eine von circa fünf¬
hundert zur Internationale gehörigen Arbeitern unterzeichnete Adresse, in
welcher es hieß:

„Vor vier Jahren forderten wir für Polen Hülfe, Unterstützung, Gerechtig¬
keit, Schutz. Andere Kundgebungen haben damals die Oberhand behalten.
Heute bitten wir, sämmtlich Wähler, französische Arbeiter in Paris, sämmt¬
lich gleich, Väter, Brüder, niedergeschlagen in der Erinnerung an unsere Ohn¬
macht und zu gleicher Zeit ergriffen von dem Unglück Polens, den gesetz¬
gebenden Körper, dem Beispiele glorreicher Vorgänger zu folgen und ge-
wogentlich in seiner AnsMche an den Kaiser Alexander den Zweiten bei
seinem bevorstehenden Besuch im Palast des allgemeinen Stimmrechts an
den früheren Beschluß zu erinnern: die polnische Nationalität bleibt allezeit
ungeschmälert bestehen."

Und so ging dieses herzliche EinVerständniß und dieses wechselseitige Auf¬
treten für einander zwischen den Polen und der kommunistischen Arbeiterpartei
in den Jahren bis zum deutsch-französischen Kriege fort.

Auf dem Congreß von Lausanne (2. September 1867) unterzeichneten
die Polen eine Adresse an den Genfer Friedenskongreß, in der sie sich „die
Soldaten der socialen Revolution" nannten. Am 23. September
desselben Jahres erschien eine von dem obenerwähnten Ognisko verfaßte
Adresse an den jungen Berezowski (der während der Anwesenheit Alexanders
des Zweiten einen Schuß auf denselben abgefeuert), in welcher die Demokratie
gebeten wurde, sich für das Schicksal „dieses Opfers der moskowitischen Ty¬
rannei zu interessiren und Verwahrung einzulegen gegen das ungerechte Ur¬
theil der verderbten Richter, welche diesen edlen Jüngling verurtheilt haben."

Im September 1868, während des Congresses der Internationale zu
Brüssel, lud die polnische Section die andern Abgeordneten des Bundes ein,
hinsichtlich der Frage: „Welche Stellung müssen die Arbeiter im Fall eines


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[0252] russischen Despotismus auf Europa durch Anwendung des Rechts der Völker, über sich selbst zu bestimmen, und durch Wiederherstellung Polens auf social¬ demokratischen Grundlagen zu vernichten/' Der Pole Cwierciakiewicz forderte den Congreß auf, nicht aus den Augen zu lassen, daß die russische Regierung das mächtigste Hinderniß des Triumphes der socialen Revolution sei. Ein anderer Pole, der General Bossak, protestirte im Namen seiner Landsleute gegen den neunten Paragraphen, der von der Abschaffung der stehenden Heere handelte, mit folgenden Worten: „Wie ihr, verdammen wir die stehenden Heere, aber wir wollen die allgemeine Volksbewaffnung. Die Polen werden stets bewaffnet bleiben, so lange Polen nicht frei ist. Ihr Feldgeschrei ist: Für unsere Freiheit und sür die eure." Als der Kaiser Alexander 1867 Paris besuchte, veröffentlichte der Graf Victor de Röcheln in den dortigen radicalen Blättern eine von circa fünf¬ hundert zur Internationale gehörigen Arbeitern unterzeichnete Adresse, in welcher es hieß: „Vor vier Jahren forderten wir für Polen Hülfe, Unterstützung, Gerechtig¬ keit, Schutz. Andere Kundgebungen haben damals die Oberhand behalten. Heute bitten wir, sämmtlich Wähler, französische Arbeiter in Paris, sämmt¬ lich gleich, Väter, Brüder, niedergeschlagen in der Erinnerung an unsere Ohn¬ macht und zu gleicher Zeit ergriffen von dem Unglück Polens, den gesetz¬ gebenden Körper, dem Beispiele glorreicher Vorgänger zu folgen und ge- wogentlich in seiner AnsMche an den Kaiser Alexander den Zweiten bei seinem bevorstehenden Besuch im Palast des allgemeinen Stimmrechts an den früheren Beschluß zu erinnern: die polnische Nationalität bleibt allezeit ungeschmälert bestehen." Und so ging dieses herzliche EinVerständniß und dieses wechselseitige Auf¬ treten für einander zwischen den Polen und der kommunistischen Arbeiterpartei in den Jahren bis zum deutsch-französischen Kriege fort. Auf dem Congreß von Lausanne (2. September 1867) unterzeichneten die Polen eine Adresse an den Genfer Friedenskongreß, in der sie sich „die Soldaten der socialen Revolution" nannten. Am 23. September desselben Jahres erschien eine von dem obenerwähnten Ognisko verfaßte Adresse an den jungen Berezowski (der während der Anwesenheit Alexanders des Zweiten einen Schuß auf denselben abgefeuert), in welcher die Demokratie gebeten wurde, sich für das Schicksal „dieses Opfers der moskowitischen Ty¬ rannei zu interessiren und Verwahrung einzulegen gegen das ungerechte Ur¬ theil der verderbten Richter, welche diesen edlen Jüngling verurtheilt haben." Im September 1868, während des Congresses der Internationale zu Brüssel, lud die polnische Section die andern Abgeordneten des Bundes ein, hinsichtlich der Frage: „Welche Stellung müssen die Arbeiter im Fall eines

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299/252>, abgerufen am 06.02.2025.