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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.

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hohes Interesse. Das merkwürdige Verhalten Oestreichs und Preußens zu
einander steht hier im Mittelpunkt: dort Joseph und Kaunitz, hier Friedrich
Wilhelm und Hertzberg, welch interessante Parallele ist in diesen Namen ent¬
halten! Eine gewisse Ähnlichkeit in den Beziehungen zwischen Souverain
und Minister drängt sich uns auf hüben und drüben. Und die beiden
Staatsminister sind es, welche das Princip der Machtstellung ihres Staates
sicherer erfaßt haben, als die Fürsten selbst: von dem Gegensatz preußischer
und östreichischer Interessen ist ihre ganze Politik erfüllt, während doch die
Fürsten Gelegenheit zu persönlicher Annäherung suchen und sogar von einem
intimen Verständniß zu reden beginnen. Diesen Velleitäten Joseph's begeg¬
nete Kaunitz mit schneidender Kritik in einer vollkommen freimüthigen Aus¬
einandersetzung: er hielt geradezu für unmöglich, daß Oestreich und Preußen
jemals Vertrauen zu einander fassen sollten; ihre Interessen seien einander
diametral entgegengesetzt: das einzig Gemeinschaftliche zwischen ihnen liege
in dem Streben eines jeden, den anderen so weit herabzudrücken, daß ihm
derselbe nicht mehr gefährlich werde. Und auf preußischer Seite gab Hertzberg
ganz ähnlichen Erwägungen Ausdruck, indem er von einem Anschluß an
Oestreich abrieth und vielmehr ein gutes Einvernehmen mit Rußland befür¬
wortete. Und diese politischen Gesichtspunkte der erfahrenen Minister haben
denn auch, wenigstens noch eine Weile, das Verhalten ihrer Fürsten bestimmt.

Gelegenheit sich zu erproben hatte Preußen in den holländischen Ver¬
wicklungen 1787. Es ist ein ganz unbestreitbares Verdienst Ranke's, daß er
die Intervention Friedrich Wilhelm's in Holland zuerst unter die richtigen
Gesichtspunkte gebracht hat: die eigentliche Bedeutung der militärisch-diplo¬
matischen Action ist zuerst von ihm erkannt und der politische Zusammenhang
zuerst hier aufgezeigt worden.

Die deutsche Politik, welche mit der Stiftung des Fürstenbundes inaugu-
rirt war, entsprach durchaus den persönlichen Ansichten des neuen Königes.
Schon als Prinz hatte er sich dafür interessirt und Verbindungen in dieser
Richtung ohne Vorwissen Friedrichs, aber im Einverständniß mit Hertzberg
an verschiedenen Höfen angeknüpft. Als König hielt er daran fest. Und der
Herzog Karl August von Weimar, hierin des Königs Gesinnungsgenosse und
Vertrauter, regte nun damals weitere Plane an, die man vermittelst des
Fürstenbundes in's Werk setzen wollte. Man machte sich damals wirklich
daran zu versuchen, "in wie fern eine enger zusammenschließende Gestaltung
von Deutschland mit den bestehenden Formen der Reichsverfassung sich würde
vereinigen lassen oder nicht."

Es war nicht möglich, solche Absichten zu verwirklichen. "Aber, wie Ranke
sehr treffend bemerkt: Von dem, was vorgeht, ist nicht immer das Wichtigste,
was dabei zu Stande kommt. Die Entwürfe, mit denen man sich damals


hohes Interesse. Das merkwürdige Verhalten Oestreichs und Preußens zu
einander steht hier im Mittelpunkt: dort Joseph und Kaunitz, hier Friedrich
Wilhelm und Hertzberg, welch interessante Parallele ist in diesen Namen ent¬
halten! Eine gewisse Ähnlichkeit in den Beziehungen zwischen Souverain
und Minister drängt sich uns auf hüben und drüben. Und die beiden
Staatsminister sind es, welche das Princip der Machtstellung ihres Staates
sicherer erfaßt haben, als die Fürsten selbst: von dem Gegensatz preußischer
und östreichischer Interessen ist ihre ganze Politik erfüllt, während doch die
Fürsten Gelegenheit zu persönlicher Annäherung suchen und sogar von einem
intimen Verständniß zu reden beginnen. Diesen Velleitäten Joseph's begeg¬
nete Kaunitz mit schneidender Kritik in einer vollkommen freimüthigen Aus¬
einandersetzung: er hielt geradezu für unmöglich, daß Oestreich und Preußen
jemals Vertrauen zu einander fassen sollten; ihre Interessen seien einander
diametral entgegengesetzt: das einzig Gemeinschaftliche zwischen ihnen liege
in dem Streben eines jeden, den anderen so weit herabzudrücken, daß ihm
derselbe nicht mehr gefährlich werde. Und auf preußischer Seite gab Hertzberg
ganz ähnlichen Erwägungen Ausdruck, indem er von einem Anschluß an
Oestreich abrieth und vielmehr ein gutes Einvernehmen mit Rußland befür¬
wortete. Und diese politischen Gesichtspunkte der erfahrenen Minister haben
denn auch, wenigstens noch eine Weile, das Verhalten ihrer Fürsten bestimmt.

Gelegenheit sich zu erproben hatte Preußen in den holländischen Ver¬
wicklungen 1787. Es ist ein ganz unbestreitbares Verdienst Ranke's, daß er
die Intervention Friedrich Wilhelm's in Holland zuerst unter die richtigen
Gesichtspunkte gebracht hat: die eigentliche Bedeutung der militärisch-diplo¬
matischen Action ist zuerst von ihm erkannt und der politische Zusammenhang
zuerst hier aufgezeigt worden.

Die deutsche Politik, welche mit der Stiftung des Fürstenbundes inaugu-
rirt war, entsprach durchaus den persönlichen Ansichten des neuen Königes.
Schon als Prinz hatte er sich dafür interessirt und Verbindungen in dieser
Richtung ohne Vorwissen Friedrichs, aber im Einverständniß mit Hertzberg
an verschiedenen Höfen angeknüpft. Als König hielt er daran fest. Und der
Herzog Karl August von Weimar, hierin des Königs Gesinnungsgenosse und
Vertrauter, regte nun damals weitere Plane an, die man vermittelst des
Fürstenbundes in's Werk setzen wollte. Man machte sich damals wirklich
daran zu versuchen, „in wie fern eine enger zusammenschließende Gestaltung
von Deutschland mit den bestehenden Formen der Reichsverfassung sich würde
vereinigen lassen oder nicht."

Es war nicht möglich, solche Absichten zu verwirklichen. „Aber, wie Ranke
sehr treffend bemerkt: Von dem, was vorgeht, ist nicht immer das Wichtigste,
was dabei zu Stande kommt. Die Entwürfe, mit denen man sich damals


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299/230>, abgerufen am 05.02.2025.