Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.Lin antiker Uonmn. Die Babyloniaka des Jamblichos. Wir sind gewöhnt, in der classischen Literatur des Alterthums die Typen In der That erfreut sich der Roman in der modernen Welt vorzugs¬ In der antiken Welt sehen wir uns vergeblich nach einem Romane um, Grenzboten II. 1871. 96
Lin antiker Uonmn. Die Babyloniaka des Jamblichos. Wir sind gewöhnt, in der classischen Literatur des Alterthums die Typen In der That erfreut sich der Roman in der modernen Welt vorzugs¬ In der antiken Welt sehen wir uns vergeblich nach einem Romane um, Grenzboten II. 1871. 96
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Lin antiker Uonmn.
Die Babyloniaka des Jamblichos.
Wir sind gewöhnt, in der classischen Literatur des Alterthums die Typen
einer jeden Dichtungsart zu suchen und zu finden. Ueberraschen muß daher,
wenn diese Gewohnheit auf einem Gebiet der Literatur einer Täuschung be¬
gegnet, umsomehr aber muß überraschen und dabei das Interesse fesseln, wenn
dieses Gebiet gerade dasjenige ist, welches in der Gegenwart die hervorragendste
Stelle einnimmt: wir meinen den Roman.
In der That erfreut sich der Roman in der modernen Welt vorzugs¬
weise vor anderen Dichtungsarten in alleiA Kreisen der Gesellschaft, und bei
beiden Geschlechtern, trotz des verschiedenen Bildungsganges derselben gleicher
Theilnahme, er ist überhaupt jetzt die einzig wirklich populäre Dichtungsart.
Vom nationalen Standpunkt aus dürfen wir hinzufügen: er ist auch die dem
germanischen Geiste entsprechendste Dichtungsart, besteht doch sein Haupt¬
wesen in der Entwickelung und Schilderung von Charakteren und der Indi-
vidualisirung der Menschen und Dinge. Auf diesem Gebiet der Literatur
errang daher der deutsche Geist durch Göthe in Werther, Wilhelm Meister und
den Wahlverwandtschaften die Palme, welche uns in Epos und Drama andere
Nationen noch streitig machen mögen.
In der antiken Welt sehen wir uns vergeblich nach einem Romane um,
welcher, wie im Epos Ilias und Odyssee, wie im Drama die vier großen
Athener, uns mit dem Nimbus eines Werkes ersten Ranges entgegenträte.
Daher kommt wohl auch, daß die — immerhin vorhandene und nicht werth¬
lose — Nomanliteratur des Alterthums selbst in solchen Kreisen verhältni߬
mäßig fremd ist, in denen die antiken Epiker, Dramatiker, Geschichtsschreiber und
Philosophen völlig geläufig sind. Daher dürfte gerechtfertig sein, die Blicke
der Leser ein Mal diesem so wenig besuchten Gebiet der classischen Literatur
zuzuwenden und zwar, der ältesten bedeutendsten Erscheinung dieser Dichtungs¬
weise aus den Zeiten des griechischen Alterthums, den in der Ueberschrift ge¬
nannten: Babyloniaka des Jamblichos. —
Grenzboten II. 1871. 96
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