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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.

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preußischen Feldlager nach Paris gesendet, in welchem die Rede ist von den
Erwerbungen, welche Preußen damals auf Kosten seiner besiegten Feinde in
Deutschland zu machen beabsichtigte, und welche Frankreich nur zulassen wollte,
wenn es seinerseits auf Kosten Deutschlands sich vergrößern dürfe. Da soll
Fürst Bismarck die Augen der Franzosen, wie schon bei früheren Gelegenheiten,
auf Belgien gelenkt haben. Dies der vornehmste Beweis des Herrn Benedetti.

Aber was beweist er in der That? Wir glaubeNj herzlich, gern, daß
Fürst Bismarck in der Nothlage, die Früchte der preußischen Siege auf dem
Schlachtfelde durch die Begehrlichkeit Frankreichs nach deutschem Boden schmä¬
lern lassen zu sollen, nach der vorläufigen Auskunft gegriffen hat, die begehr¬
lichen Blicke anderswo hinzulenken. Wer sagt nicht einem Räuber, den man
nicht gleich zu Boden schlagen kann: "Warum willst du just meine Schätze?
Die Welt hat so viel andere Schätze und viel schönere". Die Hauptsache ist,
daß Fürst Bismarck, wie Herr Benedetti selbst berichtet, diesem begreiflich
machte, wie Preußen nach einem glorreichen Siege am wenigsten in der Lage
sei, durch Frankreich deutsches Gebiet wegnehmen zu lassen. Daß Preußen,
im Felde gegen Oestreich stehend, bei noch völlig unentschiedener Fortdauer
des Krieges, nicht in der Lage war, der französischen Begehrlichkeit alle er¬
denklichen Aussichten abzuschneiden, sieht ein Blinder. Herr Benedetti indeß
unterzog sich damals der Aufgabe, die preußischen Annexionen zu verhindern,
was ihm nicht gelang.

Kaum waren die Präliminarien zu Nikolsburg abgeschlossen, so erhob
Frankreich durch Herrn Benedetti seine bekannte Compensationsforderung,
welche Rheinbaiern, Rheinhessen und Mainz nebst preußischen Gebietstheilen
umfaßte. Herr Benedetti zeigt sich einigermaßen besorgt, daß er nicht für
den Urheber dieser Forderung gehalten werde. Seine Berichte erweisen in der
That, daß er sich die Schwierigkeit, Frankreich mit deutschem Gebiet zu ver¬
größern, keiner Zeit verborgen, daß er den allseitigen Entschluß der deutschen
Nation, dergleichen nicht zu dulden, recht gut gekannt hat. Dies schließt
freilich nicht aus, daß er den Augenblick, wo der definitive Friede zwischen
Preußen und Oestreich noch nicht abgeschlossen war, für geeignet gehalten,
den deutschen Regierungen durch Gewalt und Drohungen abzupressen, was
sie bei einiger Freiheit des Entschlusses nie gewähren durften.

Wenn man den französischen Zeitungen glauben darf, so stände der da¬
malige Minister des Auswärtigen, Herr Drouin de L'huys, im Begriff, der¬
artige Berichte des Herrn Benedetti zu veröffentlichen, weil er nicht Lust habe,
die ihm bereits vom Kaiser Napoleon in einem Brief an Herrn de Lavalette
vom 12. August 1866 zugewälzte Verantwortlichkeit für die unzeitige franzö¬
sische Compensationsforderung auf die Dauer allein zu tragen. Wie dem sei,


Grenzboten II. 1871. 95

preußischen Feldlager nach Paris gesendet, in welchem die Rede ist von den
Erwerbungen, welche Preußen damals auf Kosten seiner besiegten Feinde in
Deutschland zu machen beabsichtigte, und welche Frankreich nur zulassen wollte,
wenn es seinerseits auf Kosten Deutschlands sich vergrößern dürfe. Da soll
Fürst Bismarck die Augen der Franzosen, wie schon bei früheren Gelegenheiten,
auf Belgien gelenkt haben. Dies der vornehmste Beweis des Herrn Benedetti.

Aber was beweist er in der That? Wir glaubeNj herzlich, gern, daß
Fürst Bismarck in der Nothlage, die Früchte der preußischen Siege auf dem
Schlachtfelde durch die Begehrlichkeit Frankreichs nach deutschem Boden schmä¬
lern lassen zu sollen, nach der vorläufigen Auskunft gegriffen hat, die begehr¬
lichen Blicke anderswo hinzulenken. Wer sagt nicht einem Räuber, den man
nicht gleich zu Boden schlagen kann: „Warum willst du just meine Schätze?
Die Welt hat so viel andere Schätze und viel schönere". Die Hauptsache ist,
daß Fürst Bismarck, wie Herr Benedetti selbst berichtet, diesem begreiflich
machte, wie Preußen nach einem glorreichen Siege am wenigsten in der Lage
sei, durch Frankreich deutsches Gebiet wegnehmen zu lassen. Daß Preußen,
im Felde gegen Oestreich stehend, bei noch völlig unentschiedener Fortdauer
des Krieges, nicht in der Lage war, der französischen Begehrlichkeit alle er¬
denklichen Aussichten abzuschneiden, sieht ein Blinder. Herr Benedetti indeß
unterzog sich damals der Aufgabe, die preußischen Annexionen zu verhindern,
was ihm nicht gelang.

Kaum waren die Präliminarien zu Nikolsburg abgeschlossen, so erhob
Frankreich durch Herrn Benedetti seine bekannte Compensationsforderung,
welche Rheinbaiern, Rheinhessen und Mainz nebst preußischen Gebietstheilen
umfaßte. Herr Benedetti zeigt sich einigermaßen besorgt, daß er nicht für
den Urheber dieser Forderung gehalten werde. Seine Berichte erweisen in der
That, daß er sich die Schwierigkeit, Frankreich mit deutschem Gebiet zu ver¬
größern, keiner Zeit verborgen, daß er den allseitigen Entschluß der deutschen
Nation, dergleichen nicht zu dulden, recht gut gekannt hat. Dies schließt
freilich nicht aus, daß er den Augenblick, wo der definitive Friede zwischen
Preußen und Oestreich noch nicht abgeschlossen war, für geeignet gehalten,
den deutschen Regierungen durch Gewalt und Drohungen abzupressen, was
sie bei einiger Freiheit des Entschlusses nie gewähren durften.

Wenn man den französischen Zeitungen glauben darf, so stände der da¬
malige Minister des Auswärtigen, Herr Drouin de L'huys, im Begriff, der¬
artige Berichte des Herrn Benedetti zu veröffentlichen, weil er nicht Lust habe,
die ihm bereits vom Kaiser Napoleon in einem Brief an Herrn de Lavalette
vom 12. August 1866 zugewälzte Verantwortlichkeit für die unzeitige franzö¬
sische Compensationsforderung auf die Dauer allein zu tragen. Wie dem sei,


Grenzboten II. 1871. 95
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[0201] preußischen Feldlager nach Paris gesendet, in welchem die Rede ist von den Erwerbungen, welche Preußen damals auf Kosten seiner besiegten Feinde in Deutschland zu machen beabsichtigte, und welche Frankreich nur zulassen wollte, wenn es seinerseits auf Kosten Deutschlands sich vergrößern dürfe. Da soll Fürst Bismarck die Augen der Franzosen, wie schon bei früheren Gelegenheiten, auf Belgien gelenkt haben. Dies der vornehmste Beweis des Herrn Benedetti. Aber was beweist er in der That? Wir glaubeNj herzlich, gern, daß Fürst Bismarck in der Nothlage, die Früchte der preußischen Siege auf dem Schlachtfelde durch die Begehrlichkeit Frankreichs nach deutschem Boden schmä¬ lern lassen zu sollen, nach der vorläufigen Auskunft gegriffen hat, die begehr¬ lichen Blicke anderswo hinzulenken. Wer sagt nicht einem Räuber, den man nicht gleich zu Boden schlagen kann: „Warum willst du just meine Schätze? Die Welt hat so viel andere Schätze und viel schönere". Die Hauptsache ist, daß Fürst Bismarck, wie Herr Benedetti selbst berichtet, diesem begreiflich machte, wie Preußen nach einem glorreichen Siege am wenigsten in der Lage sei, durch Frankreich deutsches Gebiet wegnehmen zu lassen. Daß Preußen, im Felde gegen Oestreich stehend, bei noch völlig unentschiedener Fortdauer des Krieges, nicht in der Lage war, der französischen Begehrlichkeit alle er¬ denklichen Aussichten abzuschneiden, sieht ein Blinder. Herr Benedetti indeß unterzog sich damals der Aufgabe, die preußischen Annexionen zu verhindern, was ihm nicht gelang. Kaum waren die Präliminarien zu Nikolsburg abgeschlossen, so erhob Frankreich durch Herrn Benedetti seine bekannte Compensationsforderung, welche Rheinbaiern, Rheinhessen und Mainz nebst preußischen Gebietstheilen umfaßte. Herr Benedetti zeigt sich einigermaßen besorgt, daß er nicht für den Urheber dieser Forderung gehalten werde. Seine Berichte erweisen in der That, daß er sich die Schwierigkeit, Frankreich mit deutschem Gebiet zu ver¬ größern, keiner Zeit verborgen, daß er den allseitigen Entschluß der deutschen Nation, dergleichen nicht zu dulden, recht gut gekannt hat. Dies schließt freilich nicht aus, daß er den Augenblick, wo der definitive Friede zwischen Preußen und Oestreich noch nicht abgeschlossen war, für geeignet gehalten, den deutschen Regierungen durch Gewalt und Drohungen abzupressen, was sie bei einiger Freiheit des Entschlusses nie gewähren durften. Wenn man den französischen Zeitungen glauben darf, so stände der da¬ malige Minister des Auswärtigen, Herr Drouin de L'huys, im Begriff, der¬ artige Berichte des Herrn Benedetti zu veröffentlichen, weil er nicht Lust habe, die ihm bereits vom Kaiser Napoleon in einem Brief an Herrn de Lavalette vom 12. August 1866 zugewälzte Verantwortlichkeit für die unzeitige franzö¬ sische Compensationsforderung auf die Dauer allein zu tragen. Wie dem sei, Grenzboten II. 1871. 95

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299/201>, abgerufen am 06.02.2025.