Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.verdiente und in der That als eine glückliche Lösung dieser Verwicklungen Der Historiker, der an der Geschichte des 16. Jahrhunderts diesen Ent¬ verdiente und in der That als eine glückliche Lösung dieser Verwicklungen Der Historiker, der an der Geschichte des 16. Jahrhunderts diesen Ent¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0180" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192481"/> <p xml:id="ID_699" prev="#ID_698"> verdiente und in der That als eine glückliche Lösung dieser Verwicklungen<lb/> und Differenzen auch von uns bezeichnet werden muß. Ueber seinen Plan<lb/> verhandelte er mit Frankreich 1303—1509, und auch 1513 nahm er ihn<lb/> wieder auf: oft nur in Andeutungen, oft auf verhüllenden Umwegen, von<lb/> den verschiedensten Ausgangspunkten aus, ist das immer der Mittelpunkt<lb/> seiner Combinationen, daß die Habsburgischen und die französischen Ansprüche<lb/> in einem Ehepaare zusammengelegt werden sollen, dem die beiden Rivalen<lb/> freundlich gesinnt wären und an dessen Entwickelung beide Seiten Interesse<lb/> besäßen. Die ungeheuere Machtanhäufung in einem einzigen Habsburger,<lb/> welche Kaiser Max sich zum Ziele gesetzt, wünschte Ferdinand zu vermeiden:<lb/> er schlug vor, dem jüngeren Enkel Ferdinand Mailand zu verleihen und ihn<lb/> dann mit einer französischen Prinzessin zu verheirathern er selbst zeigte an,<lb/> daß er daran denke, diesem Paare Neapel zu geben. In diesem Gedanken¬<lb/> kreise entsprang auch die Differenz, in der er sich Max gegenüber wegen der<lb/> Vertheilung der gemeinschaftlichen Ländermassen befand. Max ließ sich nicht<lb/> davon abbringen, daß alle die Länder, so verschieden auch ihre Nationalität,<lb/> ihr Charakter, ihre Zustände sein möchten, auf den ältesten Enkel Karl ver¬<lb/> erbt werden müßten. Ferdinand wünschte Karl zum Herrn der Niederlande,<lb/> Oestreichs und der östlichen Königreiche, zum Kaiser von Deutschland bestimmt<lb/> zu sehen: dem jüngeren Bruder, Ferdinand, hatte er Ober- und Unteritalien<lb/> zuweisen und demselben auch die Negierung von Spanien übertragen wollen.<lb/> Allerdings, nicht die Einheit Spaniens brauchte er zu zerreißen, wenn er<lb/> Karls Macht von hier entfernen wollte; nein, dies Spanien, das Werk seines<lb/> Lebens, würde er gewiß nicht zerstören; — aber nach seinem Tode war ja<lb/> doch die Königin in Castilien wie in Aragon jene unglückliche Juana, und<lb/> zunächst noch nicht ihre Söhne; und war sie selbst unfähig zu regieren, so<lb/> mußte also für sie einer der Söhne Regent werden. Der Regel nach war na¬<lb/> türlich der ältere, Karl, der Vertreter seiner Mutter; aber war es nothwendig<lb/> dieser Regel zu folgen? Ferdinand meinte den jüngeren in Spanien gebo¬<lb/> renen und erzogenen Ferdinand vorziehen und ihm die Regentschaft testamen¬<lb/> tarisch übertragen zu sollen. Als Regent von Spanien, als König von Ne¬<lb/> apel, als Herzog von Mailand würde dieser Ferdinand seinem Bruder, dem<lb/> Kaiser Karl zur Seite getreten sein! Ein deutsch-niederländisches und ein<lb/> spanisch-italienisches Reich — darin summirt sich Ferdinand des Katholischen<lb/> Zukunftspolitik.</p><lb/> <p xml:id="ID_700" next="#ID_701"> Der Historiker, der an der Geschichte des 16. Jahrhunderts diesen Ent¬<lb/> wurf messen will, wird nicht übersehen können, welche Vorzüge ihm vor dem<lb/> thatsächlichen Verlauf der Erbschaftsfrage beiwohnen: jene verhängnißvolle<lb/> Verkettung deutsch-niederländischer mit spanischen Gebieten, die so oft als<lb/> falsch erkannte und trotz besserer Einsicht beibehaltene Prämisse der Geschichte</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0180]
verdiente und in der That als eine glückliche Lösung dieser Verwicklungen
und Differenzen auch von uns bezeichnet werden muß. Ueber seinen Plan
verhandelte er mit Frankreich 1303—1509, und auch 1513 nahm er ihn
wieder auf: oft nur in Andeutungen, oft auf verhüllenden Umwegen, von
den verschiedensten Ausgangspunkten aus, ist das immer der Mittelpunkt
seiner Combinationen, daß die Habsburgischen und die französischen Ansprüche
in einem Ehepaare zusammengelegt werden sollen, dem die beiden Rivalen
freundlich gesinnt wären und an dessen Entwickelung beide Seiten Interesse
besäßen. Die ungeheuere Machtanhäufung in einem einzigen Habsburger,
welche Kaiser Max sich zum Ziele gesetzt, wünschte Ferdinand zu vermeiden:
er schlug vor, dem jüngeren Enkel Ferdinand Mailand zu verleihen und ihn
dann mit einer französischen Prinzessin zu verheirathern er selbst zeigte an,
daß er daran denke, diesem Paare Neapel zu geben. In diesem Gedanken¬
kreise entsprang auch die Differenz, in der er sich Max gegenüber wegen der
Vertheilung der gemeinschaftlichen Ländermassen befand. Max ließ sich nicht
davon abbringen, daß alle die Länder, so verschieden auch ihre Nationalität,
ihr Charakter, ihre Zustände sein möchten, auf den ältesten Enkel Karl ver¬
erbt werden müßten. Ferdinand wünschte Karl zum Herrn der Niederlande,
Oestreichs und der östlichen Königreiche, zum Kaiser von Deutschland bestimmt
zu sehen: dem jüngeren Bruder, Ferdinand, hatte er Ober- und Unteritalien
zuweisen und demselben auch die Negierung von Spanien übertragen wollen.
Allerdings, nicht die Einheit Spaniens brauchte er zu zerreißen, wenn er
Karls Macht von hier entfernen wollte; nein, dies Spanien, das Werk seines
Lebens, würde er gewiß nicht zerstören; — aber nach seinem Tode war ja
doch die Königin in Castilien wie in Aragon jene unglückliche Juana, und
zunächst noch nicht ihre Söhne; und war sie selbst unfähig zu regieren, so
mußte also für sie einer der Söhne Regent werden. Der Regel nach war na¬
türlich der ältere, Karl, der Vertreter seiner Mutter; aber war es nothwendig
dieser Regel zu folgen? Ferdinand meinte den jüngeren in Spanien gebo¬
renen und erzogenen Ferdinand vorziehen und ihm die Regentschaft testamen¬
tarisch übertragen zu sollen. Als Regent von Spanien, als König von Ne¬
apel, als Herzog von Mailand würde dieser Ferdinand seinem Bruder, dem
Kaiser Karl zur Seite getreten sein! Ein deutsch-niederländisches und ein
spanisch-italienisches Reich — darin summirt sich Ferdinand des Katholischen
Zukunftspolitik.
Der Historiker, der an der Geschichte des 16. Jahrhunderts diesen Ent¬
wurf messen will, wird nicht übersehen können, welche Vorzüge ihm vor dem
thatsächlichen Verlauf der Erbschaftsfrage beiwohnen: jene verhängnißvolle
Verkettung deutsch-niederländischer mit spanischen Gebieten, die so oft als
falsch erkannte und trotz besserer Einsicht beibehaltene Prämisse der Geschichte
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