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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.

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Frau Herzogin und Euren fürstlichen Geschwistern und dem hohen Adel
Eures Landes mit Eurem fürstlichen Handschlag, Unterschrift und Siegel!"

"So wahr uns Gott helfe, wir wollen es!" -- und die jungen Fürsten
schlagen kräftig in die Rechte des Kanzlers ein und unterschreiben und unter-
fiegeln das Pergament eigenhändig.

In ähnlicher Weise werden der Hofmeister, Magister, Küchenmeister,
Koch und Barbier, die Edelknaben und Diener in "Pflicht und Eid" ge¬
nommen.

Bei dem herzlichen Abschiede beschenken die Mutter und Schwestern und
Fräulein Georgia die glücklichen Studenten mit selbstgearbeiteten "Schleiern",
um den Hals zu tragen, und feinen Nastüchlein -- Herzog Johann Friedrich
reicht ihnen schöne Rapiere und sagt traurig: "Ich und Herzog Bogislav
möchten wohl herzlich gern mit Euer Liebden in die schöne weite Welt ziehn --
aber wir müssen gar gewaltig regieren! Doch wollen wir Euch eine Weile
das Geleit geben."

Draußen auf dem Schloßhof halten schon lange einige Rollwägen, mit
stattlichen Fässern Butter und gepökeltem Ochsenfleisch, Talglichtern und ge¬
trockneten Fischen und Kleidertruhen beladen.

Der ganze Hof führt die Reisenden zu den Wagen -- und hinein geht's
in die blühende Frühlingswelt, in das freie, selige Studentenleben. --

Bis Treptow begleiten Johann Friedrich und Bogislav zu Pferde die
Brüder. Beim Abschiede verspricht Johann Friedrich die Brüder Studio in
Wittenberg zu besuchen. Dann kehren sie traurig nach Wolgast zurück. In
Mecklenburg und in der Mark widerfährt den jungen fürstlichen Studenten
und ihren 16 Begleitern "eine stattliche Kur- und fürstliche Ausrichtung".
Sie erhalte" Wagen und Pferde und der Hofmeister kann die eigenen Ge¬
spanne in die Heimat zurücksenden. Der Kurfürst zu Sachsen läßt sie an der
Landesgrenze mit vielen ehrerbietigen Worten empfangen. Wie sie aber zu
Belzick ankommen, erhalten nur die beiden Fürsten allein Herberge im Schloß
und eine "Ausrichtung auf einem Tisch!" Zur großen Entrüstung des Hof¬
meisters muß das Gesinde mit den Junkern in der Herberge des Städtleins
bleiben und um I. F. G. Geld zehren. Wie der Fourier den kurfürstlichen
Schaffner um einen oder zwei Wagen für Geld anspricht, erhält er die spitze
Antwort: "Wenn der Herr Kurfürst reist, ist er auch so gerüstet, daß er fort
kann; das sollten Eure Herren auch thun!"

Am 14. Mai langen unsere Reisenden in Wittenberg an. Aus Pietät
gegen den großen Reformator nehmen sie in Luther's früherer Behausung
Quartier, im ehemaligen Augustinerkloster. Professor Georg Kracow hat die
Wohnung von dem Doctor Martin, Luther's zweitem Sohne, der zwar
Theologie studirt hat, aber kein Amt bekleidet, gemiethet. Diese Wohnung


Frau Herzogin und Euren fürstlichen Geschwistern und dem hohen Adel
Eures Landes mit Eurem fürstlichen Handschlag, Unterschrift und Siegel!"

„So wahr uns Gott helfe, wir wollen es!" — und die jungen Fürsten
schlagen kräftig in die Rechte des Kanzlers ein und unterschreiben und unter-
fiegeln das Pergament eigenhändig.

In ähnlicher Weise werden der Hofmeister, Magister, Küchenmeister,
Koch und Barbier, die Edelknaben und Diener in „Pflicht und Eid" ge¬
nommen.

Bei dem herzlichen Abschiede beschenken die Mutter und Schwestern und
Fräulein Georgia die glücklichen Studenten mit selbstgearbeiteten „Schleiern",
um den Hals zu tragen, und feinen Nastüchlein — Herzog Johann Friedrich
reicht ihnen schöne Rapiere und sagt traurig: „Ich und Herzog Bogislav
möchten wohl herzlich gern mit Euer Liebden in die schöne weite Welt ziehn —
aber wir müssen gar gewaltig regieren! Doch wollen wir Euch eine Weile
das Geleit geben."

Draußen auf dem Schloßhof halten schon lange einige Rollwägen, mit
stattlichen Fässern Butter und gepökeltem Ochsenfleisch, Talglichtern und ge¬
trockneten Fischen und Kleidertruhen beladen.

Der ganze Hof führt die Reisenden zu den Wagen — und hinein geht's
in die blühende Frühlingswelt, in das freie, selige Studentenleben. —

Bis Treptow begleiten Johann Friedrich und Bogislav zu Pferde die
Brüder. Beim Abschiede verspricht Johann Friedrich die Brüder Studio in
Wittenberg zu besuchen. Dann kehren sie traurig nach Wolgast zurück. In
Mecklenburg und in der Mark widerfährt den jungen fürstlichen Studenten
und ihren 16 Begleitern „eine stattliche Kur- und fürstliche Ausrichtung".
Sie erhalte« Wagen und Pferde und der Hofmeister kann die eigenen Ge¬
spanne in die Heimat zurücksenden. Der Kurfürst zu Sachsen läßt sie an der
Landesgrenze mit vielen ehrerbietigen Worten empfangen. Wie sie aber zu
Belzick ankommen, erhalten nur die beiden Fürsten allein Herberge im Schloß
und eine „Ausrichtung auf einem Tisch!" Zur großen Entrüstung des Hof¬
meisters muß das Gesinde mit den Junkern in der Herberge des Städtleins
bleiben und um I. F. G. Geld zehren. Wie der Fourier den kurfürstlichen
Schaffner um einen oder zwei Wagen für Geld anspricht, erhält er die spitze
Antwort: „Wenn der Herr Kurfürst reist, ist er auch so gerüstet, daß er fort
kann; das sollten Eure Herren auch thun!"

Am 14. Mai langen unsere Reisenden in Wittenberg an. Aus Pietät
gegen den großen Reformator nehmen sie in Luther's früherer Behausung
Quartier, im ehemaligen Augustinerkloster. Professor Georg Kracow hat die
Wohnung von dem Doctor Martin, Luther's zweitem Sohne, der zwar
Theologie studirt hat, aber kein Amt bekleidet, gemiethet. Diese Wohnung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299/18>, abgerufen am 05.02.2025.