Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.dreistesten und schlauesten Werkzeuge des Kaisers Napoleon, der überlegenen Fürst Bismarck hat mit einem geriebenen und zudringlichen Diplomaten Als Fürst Bismarck durch seine Note vom 29. Juli 1870 die geheimen Wenn nun gerade Bismarck im Augenblick der Eröffnung des Krieges Da galt es denn, nicht damit zu säumen, der betroffenen Diplomatie dreistesten und schlauesten Werkzeuge des Kaisers Napoleon, der überlegenen Fürst Bismarck hat mit einem geriebenen und zudringlichen Diplomaten Als Fürst Bismarck durch seine Note vom 29. Juli 1870 die geheimen Wenn nun gerade Bismarck im Augenblick der Eröffnung des Krieges Da galt es denn, nicht damit zu säumen, der betroffenen Diplomatie <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0167" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192468"/> <p xml:id="ID_654" prev="#ID_653"> dreistesten und schlauesten Werkzeuge des Kaisers Napoleon, der überlegenen<lb/> Kunst eines Meisters zum willenlosen Spielball gedient hatte. Dabei ist es jedoch<lb/> die Sache der öffentlichen Meinung Deutschlands, über den wesentlichsten<lb/> Punkt des in Frage kommenden Sachverhalts sich nicht täuschen zu lassen,<lb/> weder durch die Freude an der Ueberlegenheit des deutschen Staatsmannes,<lb/> noch durch die Betroffenheit, welche Europa bei dem Anblick dieser Ueber¬<lb/> legenheit empfand.</p><lb/> <p xml:id="ID_655"> Fürst Bismarck hat mit einem geriebenen und zudringlichen Diplomaten<lb/> nicht aus Muthwillen gespielt, und auch nicht darum, weil er der Negierung,<lb/> welche dieser Diplomat vertrat, etwas nehmen oder sie ins Unglück stürzen<lb/> wollte. Fürst Bismarck hat während seines ganzen Verkehrs mit Herrn<lb/> Benedetti unter dem Druck der Nothwehr gegen die napoleonische Politik<lb/> gestanden. Derselbe Drang der Nothwehr ist' es auch gewesen, welcher im<lb/> Juli 1870 deutscherseits zur Veröffentlichung der geheimen, durch Herrn<lb/> Benedetti geführten Verhandlungen über Belgien den Grund gegeben hat,<lb/> und nicht minder ist es die Nothwehr, welche die Berichtigung verlangt hat,<lb/> die Herrn Benedetti's Darstellung seiner Verhandlungen mit der preußischen<lb/> Regierung soeben durch den Reichsanzeiger erfährt.</p><lb/> <p xml:id="ID_656"> Als Fürst Bismarck durch seine Note vom 29. Juli 1870 die geheimen<lb/> Anträge Frankreichs der Öffentlichkeit übergab, that er einen Schritt, der<lb/> seiner diplomatischen Praxis zuwider lief, und zu dem er wahrscheinlich ungern<lb/> und schwer sich entschloß. In der Epoche, welche vom Krimkrieg bis zur<lb/> Berufung des Fürsten Bismarck an die Spitze der auswärtigen Angelegenheiten<lb/> Preußens reicht, war es Mode geworden und geblieben, diplomatische Schrift¬<lb/> stücke nur auszuarbeiten, um sie, abgesendet, alsbald zu veröffentlichen. Bis¬<lb/> marck war es, der diese üble Gewohnheit durch sein Beispiel sofort abstellte;<lb/> eine Gewohnheit, die lediglich aus der geringen Sicherheit entsprang, welche<lb/> die Leiter der auswärtigen Angelegenheiten aller europäischen Staaten in<lb/> ihrem Berufe empfanden. Sobald unter den staatsmännischen Mittelmäßig¬<lb/> keiten der Epoche ein Minister erschien, der sich vertraute und wie ein Selbst¬<lb/> vertrauender handelte, wuchs auch das Selbstgefühl der anderen gegenüber<lb/> dem europäischen Publicum. Nicht die Bedeutung der einzelnen Personen im<lb/> Verhältniß zu ihres Gleichen wurde gehoben, aber das Niveau der ganzen<lb/> Zunft hob sich, sobald sie wieder einen Meister zählte.</p><lb/> <p xml:id="ID_657"> Wenn nun gerade Bismarck im Augenblick der Eröffnung des Krieges<lb/> mit Frankreich vertrauliche Verhandlungen der verantwortlichsten Art seiner¬<lb/> seits in die Oeffentlichkeit brachte, so konnte ihn nur ein zwingendes Gebot<lb/> der Staatslage dazu bringen. Die napoleonische Negierung hatte ein wüthen¬<lb/> des Geschrei anstimmen lassen über den Ehrgeiz Preußens, der sich angeschickt<lb/> habe, das harmlose Frankreich durch Besetzung des spanischen Thrones in<lb/> den Rücken zu nehmen. Freilich war das angebliche Werkzeug dieses welt¬<lb/> umspannenden Ehrgeizes von der spanischen Thronecmdidatur auf die erste<lb/> Nachricht von den' Anschuldigungen und von der heuchlerischen Entrüstung,<lb/> zu welchen diese Candidatur den Vorwand gab, zurückgetreten. Nichts desto-<lb/> weniger fuhr die napoleonische Negierung fort, die Lage so darzustellen, als<lb/> habe Frankreich zum Schwert gegriffen, weil Preußen die Universal-Monarchie<lb/> Carls des Fünften zu erneuern auf dem Wege sei.</p><lb/> <p xml:id="ID_658" next="#ID_659"> Da galt es denn, nicht damit zu säumen, der betroffenen Diplomatie<lb/> und öffentlichen Meinung Europas den wahren Kriegsanlaß vor Augen zu<lb/> bringen, den Anlaß, der in nichts anderem bestand, als daß Preußen sich<lb/> geweigert hatte, der französischen Eroberungssucht zum Schilde zu dienen.<lb/> Deutschland hatte begonnen, 'sich unter Preußens Führung theils mittels des</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0167]
dreistesten und schlauesten Werkzeuge des Kaisers Napoleon, der überlegenen
Kunst eines Meisters zum willenlosen Spielball gedient hatte. Dabei ist es jedoch
die Sache der öffentlichen Meinung Deutschlands, über den wesentlichsten
Punkt des in Frage kommenden Sachverhalts sich nicht täuschen zu lassen,
weder durch die Freude an der Ueberlegenheit des deutschen Staatsmannes,
noch durch die Betroffenheit, welche Europa bei dem Anblick dieser Ueber¬
legenheit empfand.
Fürst Bismarck hat mit einem geriebenen und zudringlichen Diplomaten
nicht aus Muthwillen gespielt, und auch nicht darum, weil er der Negierung,
welche dieser Diplomat vertrat, etwas nehmen oder sie ins Unglück stürzen
wollte. Fürst Bismarck hat während seines ganzen Verkehrs mit Herrn
Benedetti unter dem Druck der Nothwehr gegen die napoleonische Politik
gestanden. Derselbe Drang der Nothwehr ist' es auch gewesen, welcher im
Juli 1870 deutscherseits zur Veröffentlichung der geheimen, durch Herrn
Benedetti geführten Verhandlungen über Belgien den Grund gegeben hat,
und nicht minder ist es die Nothwehr, welche die Berichtigung verlangt hat,
die Herrn Benedetti's Darstellung seiner Verhandlungen mit der preußischen
Regierung soeben durch den Reichsanzeiger erfährt.
Als Fürst Bismarck durch seine Note vom 29. Juli 1870 die geheimen
Anträge Frankreichs der Öffentlichkeit übergab, that er einen Schritt, der
seiner diplomatischen Praxis zuwider lief, und zu dem er wahrscheinlich ungern
und schwer sich entschloß. In der Epoche, welche vom Krimkrieg bis zur
Berufung des Fürsten Bismarck an die Spitze der auswärtigen Angelegenheiten
Preußens reicht, war es Mode geworden und geblieben, diplomatische Schrift¬
stücke nur auszuarbeiten, um sie, abgesendet, alsbald zu veröffentlichen. Bis¬
marck war es, der diese üble Gewohnheit durch sein Beispiel sofort abstellte;
eine Gewohnheit, die lediglich aus der geringen Sicherheit entsprang, welche
die Leiter der auswärtigen Angelegenheiten aller europäischen Staaten in
ihrem Berufe empfanden. Sobald unter den staatsmännischen Mittelmäßig¬
keiten der Epoche ein Minister erschien, der sich vertraute und wie ein Selbst¬
vertrauender handelte, wuchs auch das Selbstgefühl der anderen gegenüber
dem europäischen Publicum. Nicht die Bedeutung der einzelnen Personen im
Verhältniß zu ihres Gleichen wurde gehoben, aber das Niveau der ganzen
Zunft hob sich, sobald sie wieder einen Meister zählte.
Wenn nun gerade Bismarck im Augenblick der Eröffnung des Krieges
mit Frankreich vertrauliche Verhandlungen der verantwortlichsten Art seiner¬
seits in die Oeffentlichkeit brachte, so konnte ihn nur ein zwingendes Gebot
der Staatslage dazu bringen. Die napoleonische Negierung hatte ein wüthen¬
des Geschrei anstimmen lassen über den Ehrgeiz Preußens, der sich angeschickt
habe, das harmlose Frankreich durch Besetzung des spanischen Thrones in
den Rücken zu nehmen. Freilich war das angebliche Werkzeug dieses welt¬
umspannenden Ehrgeizes von der spanischen Thronecmdidatur auf die erste
Nachricht von den' Anschuldigungen und von der heuchlerischen Entrüstung,
zu welchen diese Candidatur den Vorwand gab, zurückgetreten. Nichts desto-
weniger fuhr die napoleonische Negierung fort, die Lage so darzustellen, als
habe Frankreich zum Schwert gegriffen, weil Preußen die Universal-Monarchie
Carls des Fünften zu erneuern auf dem Wege sei.
Da galt es denn, nicht damit zu säumen, der betroffenen Diplomatie
und öffentlichen Meinung Europas den wahren Kriegsanlaß vor Augen zu
bringen, den Anlaß, der in nichts anderem bestand, als daß Preußen sich
geweigert hatte, der französischen Eroberungssucht zum Schilde zu dienen.
Deutschland hatte begonnen, 'sich unter Preußens Führung theils mittels des
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