Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Jahre 1870 und 1871. gaben das Verlangen einer Verlängerung des Pausch¬
quantums auf drei Jahre ein. Aus der Thronrede dagegen ergibt sich, daß
die Reichsregierung nicht daran denkt, einem solchen Verlangen zu willfah¬
ren, geschweige dasselbe ihrerseits zu hegen. Man muß vielmehr annehmen,
daß die Reichsregierung entschlossen ist, die Frage der Ausgaben für das
Reichsheer nunmehr in der Session von 1872 zugleich mit dem Gesetz über
die Organisation des Reichsheeres, welches Artikel 61 der Reichsverfassung
vorschreibt und durch dieses Gesetz, wie es Artikel 62 derselben Verfassung
verlangt, zu erledigen.

Im Uebrigen ist aus der Thronrede zu entnehmen, daß die gegenwär¬
tige außerordentliche Session des Reichstags eine kurze sein wird, wie das
allseitige Bedürfniß fordert. Die Aufgaben der Session sind: Die Be¬
willigung eiserner Fonds für die Reichsverwaltung aus den Mitteln der
französischen Kriegsentschädigung; die erste budgetmäßige Aufstellung der Aus¬
gaben für die unmittelbaren Reichslande; die bessere Gehaltsstellung der
Reichsbeamten. Diese Maßregeln werden grundlegende Theile des Reichs¬
budgets bilden.

Eine Maßregel von höchster Wichtigkeit ist die Münzreform, deren Re¬
gelungsvorschlag aber noch dem Bundesrath vorliegt, und bei welcher über¬
dies für jetzt nur die ersten grundlegenden Schritte in's Auge gefaßt sind.
Vielleicht verdient bemerkt zu werden, daß die kaiserliche Thronrede die
Vorlage des Münzgesetzes schon in der diesmaligen Session zwar nicht aus¬
schließt, aber auch nicht ankündigt. Man muß demnach auf die Möglichkeit
gefaßt sein, daß der Bundesrath die Entscheidung über die Münzgesetzvor¬
lage so schwierig findet, um die Einbringung derselben auf das kommende
Frühjahr zu verschieben. Es fehlt nicht an Stimmen der Sachkenner, welche
einen solchen Aufschub rathsam finden. Der bisherige Vorschlag, wie er an
den Bundesrath gelangt ist, flößt tief greifende Bedenken ein, während die
Einigung über Vorschläge von wesentlich anderer Natur in wenigen Wochen
weder gelingen, noch die öffentliche Meinung hinlänglich vorbereitet finden
durfte.

Außer Budget- und Münzwesen wird sich der Reichstag diesmal nur
noch mit wenigen, heilsamen aber leicht zu erledigenden Vorlagen zu beschäf¬
O--i'. tigen haben.




Jahre 1870 und 1871. gaben das Verlangen einer Verlängerung des Pausch¬
quantums auf drei Jahre ein. Aus der Thronrede dagegen ergibt sich, daß
die Reichsregierung nicht daran denkt, einem solchen Verlangen zu willfah¬
ren, geschweige dasselbe ihrerseits zu hegen. Man muß vielmehr annehmen,
daß die Reichsregierung entschlossen ist, die Frage der Ausgaben für das
Reichsheer nunmehr in der Session von 1872 zugleich mit dem Gesetz über
die Organisation des Reichsheeres, welches Artikel 61 der Reichsverfassung
vorschreibt und durch dieses Gesetz, wie es Artikel 62 derselben Verfassung
verlangt, zu erledigen.

Im Uebrigen ist aus der Thronrede zu entnehmen, daß die gegenwär¬
tige außerordentliche Session des Reichstags eine kurze sein wird, wie das
allseitige Bedürfniß fordert. Die Aufgaben der Session sind: Die Be¬
willigung eiserner Fonds für die Reichsverwaltung aus den Mitteln der
französischen Kriegsentschädigung; die erste budgetmäßige Aufstellung der Aus¬
gaben für die unmittelbaren Reichslande; die bessere Gehaltsstellung der
Reichsbeamten. Diese Maßregeln werden grundlegende Theile des Reichs¬
budgets bilden.

Eine Maßregel von höchster Wichtigkeit ist die Münzreform, deren Re¬
gelungsvorschlag aber noch dem Bundesrath vorliegt, und bei welcher über¬
dies für jetzt nur die ersten grundlegenden Schritte in's Auge gefaßt sind.
Vielleicht verdient bemerkt zu werden, daß die kaiserliche Thronrede die
Vorlage des Münzgesetzes schon in der diesmaligen Session zwar nicht aus¬
schließt, aber auch nicht ankündigt. Man muß demnach auf die Möglichkeit
gefaßt sein, daß der Bundesrath die Entscheidung über die Münzgesetzvor¬
lage so schwierig findet, um die Einbringung derselben auf das kommende
Frühjahr zu verschieben. Es fehlt nicht an Stimmen der Sachkenner, welche
einen solchen Aufschub rathsam finden. Der bisherige Vorschlag, wie er an
den Bundesrath gelangt ist, flößt tief greifende Bedenken ein, während die
Einigung über Vorschläge von wesentlich anderer Natur in wenigen Wochen
weder gelingen, noch die öffentliche Meinung hinlänglich vorbereitet finden
durfte.

Außer Budget- und Münzwesen wird sich der Reichstag diesmal nur
noch mit wenigen, heilsamen aber leicht zu erledigenden Vorlagen zu beschäf¬
O—i'. tigen haben.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0125" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/192425"/>
          <p xml:id="ID_481" prev="#ID_480"> Jahre 1870 und 1871. gaben das Verlangen einer Verlängerung des Pausch¬<lb/>
quantums auf drei Jahre ein. Aus der Thronrede dagegen ergibt sich, daß<lb/>
die Reichsregierung nicht daran denkt, einem solchen Verlangen zu willfah¬<lb/>
ren, geschweige dasselbe ihrerseits zu hegen. Man muß vielmehr annehmen,<lb/>
daß die Reichsregierung entschlossen ist, die Frage der Ausgaben für das<lb/>
Reichsheer nunmehr in der Session von 1872 zugleich mit dem Gesetz über<lb/>
die Organisation des Reichsheeres, welches Artikel 61 der Reichsverfassung<lb/>
vorschreibt und durch dieses Gesetz, wie es Artikel 62 derselben Verfassung<lb/>
verlangt, zu erledigen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_482"> Im Uebrigen ist aus der Thronrede zu entnehmen, daß die gegenwär¬<lb/>
tige außerordentliche Session des Reichstags eine kurze sein wird, wie das<lb/>
allseitige Bedürfniß fordert. Die Aufgaben der Session sind: Die Be¬<lb/>
willigung eiserner Fonds für die Reichsverwaltung aus den Mitteln der<lb/>
französischen Kriegsentschädigung; die erste budgetmäßige Aufstellung der Aus¬<lb/>
gaben für die unmittelbaren Reichslande; die bessere Gehaltsstellung der<lb/>
Reichsbeamten. Diese Maßregeln werden grundlegende Theile des Reichs¬<lb/>
budgets bilden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_483"> Eine Maßregel von höchster Wichtigkeit ist die Münzreform, deren Re¬<lb/>
gelungsvorschlag aber noch dem Bundesrath vorliegt, und bei welcher über¬<lb/>
dies für jetzt nur die ersten grundlegenden Schritte in's Auge gefaßt sind.<lb/>
Vielleicht verdient bemerkt zu werden, daß die kaiserliche Thronrede die<lb/>
Vorlage des Münzgesetzes schon in der diesmaligen Session zwar nicht aus¬<lb/>
schließt, aber auch nicht ankündigt. Man muß demnach auf die Möglichkeit<lb/>
gefaßt sein, daß der Bundesrath die Entscheidung über die Münzgesetzvor¬<lb/>
lage so schwierig findet, um die Einbringung derselben auf das kommende<lb/>
Frühjahr zu verschieben. Es fehlt nicht an Stimmen der Sachkenner, welche<lb/>
einen solchen Aufschub rathsam finden. Der bisherige Vorschlag, wie er an<lb/>
den Bundesrath gelangt ist, flößt tief greifende Bedenken ein, während die<lb/>
Einigung über Vorschläge von wesentlich anderer Natur in wenigen Wochen<lb/>
weder gelingen, noch die öffentliche Meinung hinlänglich vorbereitet finden<lb/>
durfte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_484"> Außer Budget- und Münzwesen wird sich der Reichstag diesmal nur<lb/>
noch mit wenigen, heilsamen aber leicht zu erledigenden Vorlagen zu beschäf¬<lb/><note type="byline"> O&#x2014;i'.</note> tigen haben. </p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0125] Jahre 1870 und 1871. gaben das Verlangen einer Verlängerung des Pausch¬ quantums auf drei Jahre ein. Aus der Thronrede dagegen ergibt sich, daß die Reichsregierung nicht daran denkt, einem solchen Verlangen zu willfah¬ ren, geschweige dasselbe ihrerseits zu hegen. Man muß vielmehr annehmen, daß die Reichsregierung entschlossen ist, die Frage der Ausgaben für das Reichsheer nunmehr in der Session von 1872 zugleich mit dem Gesetz über die Organisation des Reichsheeres, welches Artikel 61 der Reichsverfassung vorschreibt und durch dieses Gesetz, wie es Artikel 62 derselben Verfassung verlangt, zu erledigen. Im Uebrigen ist aus der Thronrede zu entnehmen, daß die gegenwär¬ tige außerordentliche Session des Reichstags eine kurze sein wird, wie das allseitige Bedürfniß fordert. Die Aufgaben der Session sind: Die Be¬ willigung eiserner Fonds für die Reichsverwaltung aus den Mitteln der französischen Kriegsentschädigung; die erste budgetmäßige Aufstellung der Aus¬ gaben für die unmittelbaren Reichslande; die bessere Gehaltsstellung der Reichsbeamten. Diese Maßregeln werden grundlegende Theile des Reichs¬ budgets bilden. Eine Maßregel von höchster Wichtigkeit ist die Münzreform, deren Re¬ gelungsvorschlag aber noch dem Bundesrath vorliegt, und bei welcher über¬ dies für jetzt nur die ersten grundlegenden Schritte in's Auge gefaßt sind. Vielleicht verdient bemerkt zu werden, daß die kaiserliche Thronrede die Vorlage des Münzgesetzes schon in der diesmaligen Session zwar nicht aus¬ schließt, aber auch nicht ankündigt. Man muß demnach auf die Möglichkeit gefaßt sein, daß der Bundesrath die Entscheidung über die Münzgesetzvor¬ lage so schwierig findet, um die Einbringung derselben auf das kommende Frühjahr zu verschieben. Es fehlt nicht an Stimmen der Sachkenner, welche einen solchen Aufschub rathsam finden. Der bisherige Vorschlag, wie er an den Bundesrath gelangt ist, flößt tief greifende Bedenken ein, während die Einigung über Vorschläge von wesentlich anderer Natur in wenigen Wochen weder gelingen, noch die öffentliche Meinung hinlänglich vorbereitet finden durfte. Außer Budget- und Münzwesen wird sich der Reichstag diesmal nur noch mit wenigen, heilsamen aber leicht zu erledigenden Vorlagen zu beschäf¬ O—i'. tigen haben.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299/125
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_192299/125>, abgerufen am 05.02.2025.