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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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Lin Abenteurer aus alter Zeit.

Die Vorzüge des Mannes, welcher beinahe zwanzig Jahre hindurch, be¬
vor Cäsars Stern obsiegte, den römischen Staat beherrscht hat, sind vielfach
von seiner an mittelmäßigen Köpfen sehr reichen Zeit überschätzt worden, am
meisten von ihm selbst. Unbestritten bleibt ihm der Ruhm eines tapferen
Offiziers; aber auch als Hausvater und Ehemann galt Cnejus Pompejus
als ein Muster von Liebenswürdigkeit und Treue, und daß er nicht weniger
als fünf Frauen nach einander heirathete, hatte allerdings seinen Grund nicht,
wie bei vielen anderen seiner Zeitgenossen, in der Flatterhaftigkeit seiner Nei¬
gungen. Die Scheidung von seiner ersten Gattin, Antistia, war aber ein
Schritt kühl berechnender Politik und Herzlosigkeit. Nachdem er dieselbe als
zwanzigjähriger Jüngling geehlicht hatte, um durch ihren Vater, den Prätor
Antistius, ein günstiges Urtheil in einem Processe zu erlangen, und nachdem
dieser um seines zu Sulla haltenden Schwiegersohnes willen von den Ma¬
rianern ermordet worden war, worauf sich seine Gattin Calpurnia aus Ver¬
zweiflung selbst den Tod gab, verstieß er sie, weil des allmächtigen Dictators
Gemahlin ihre eigne Tochter aus früherer Ehe für ihn passend fand! Obgleich
diese nun bereits verheirathet war und ihrer Niederkunft entgegen fah, mußte
sie ihr Mann freigeben und sie zog in das Haus des Pompejus, wo sie bald
darauf an den Folgen ihrer Entbindung starb. Bereits im nächsten Jahre
heirathete der junge Wittwer Mucia Tertia, die Tochter des durch seine
Rechtlichkeit und juristische Gelehrsamkeit berühmten Oberpriesters Mucius
Scävola. Dieses Ehebündniß hatte 19 Jahre Bestand und Mucia beschenkte
den Pompejus in den ersten sechs Jahren desselben mit zwei Söhnen und
einer Tochter. Während seiner langen Abwesenheit in Asien bewies sie jedoch,
daß sie sich in Nichts von den damaligen römischen Modedamen unterschied,
bei denen galante Liaisons durchaus zum guten Ton gehörten: sie unterhielt
ein zärtliches Verhältniß mit dem Alcibiades der Hauptstadt -- Julius Cäsar.
Pompejus wurde zwar mancherlei zugetragen und er nannte, wie Sueton er¬
wähnt, den Nebenbuhler zuweilen seufzend seinen Aegisthus; die volle Wahr¬
heit erfuhr er aber erst auf der Rückreise. Er faßte schnell seinen Entschluß


Grenzboten II. 1871. 1
Lin Abenteurer aus alter Zeit.

Die Vorzüge des Mannes, welcher beinahe zwanzig Jahre hindurch, be¬
vor Cäsars Stern obsiegte, den römischen Staat beherrscht hat, sind vielfach
von seiner an mittelmäßigen Köpfen sehr reichen Zeit überschätzt worden, am
meisten von ihm selbst. Unbestritten bleibt ihm der Ruhm eines tapferen
Offiziers; aber auch als Hausvater und Ehemann galt Cnejus Pompejus
als ein Muster von Liebenswürdigkeit und Treue, und daß er nicht weniger
als fünf Frauen nach einander heirathete, hatte allerdings seinen Grund nicht,
wie bei vielen anderen seiner Zeitgenossen, in der Flatterhaftigkeit seiner Nei¬
gungen. Die Scheidung von seiner ersten Gattin, Antistia, war aber ein
Schritt kühl berechnender Politik und Herzlosigkeit. Nachdem er dieselbe als
zwanzigjähriger Jüngling geehlicht hatte, um durch ihren Vater, den Prätor
Antistius, ein günstiges Urtheil in einem Processe zu erlangen, und nachdem
dieser um seines zu Sulla haltenden Schwiegersohnes willen von den Ma¬
rianern ermordet worden war, worauf sich seine Gattin Calpurnia aus Ver¬
zweiflung selbst den Tod gab, verstieß er sie, weil des allmächtigen Dictators
Gemahlin ihre eigne Tochter aus früherer Ehe für ihn passend fand! Obgleich
diese nun bereits verheirathet war und ihrer Niederkunft entgegen fah, mußte
sie ihr Mann freigeben und sie zog in das Haus des Pompejus, wo sie bald
darauf an den Folgen ihrer Entbindung starb. Bereits im nächsten Jahre
heirathete der junge Wittwer Mucia Tertia, die Tochter des durch seine
Rechtlichkeit und juristische Gelehrsamkeit berühmten Oberpriesters Mucius
Scävola. Dieses Ehebündniß hatte 19 Jahre Bestand und Mucia beschenkte
den Pompejus in den ersten sechs Jahren desselben mit zwei Söhnen und
einer Tochter. Während seiner langen Abwesenheit in Asien bewies sie jedoch,
daß sie sich in Nichts von den damaligen römischen Modedamen unterschied,
bei denen galante Liaisons durchaus zum guten Ton gehörten: sie unterhielt
ein zärtliches Verhältniß mit dem Alcibiades der Hauptstadt — Julius Cäsar.
Pompejus wurde zwar mancherlei zugetragen und er nannte, wie Sueton er¬
wähnt, den Nebenbuhler zuweilen seufzend seinen Aegisthus; die volle Wahr¬
heit erfuhr er aber erst auf der Rückreise. Er faßte schnell seinen Entschluß


Grenzboten II. 1871. 1
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[0009] Lin Abenteurer aus alter Zeit. Die Vorzüge des Mannes, welcher beinahe zwanzig Jahre hindurch, be¬ vor Cäsars Stern obsiegte, den römischen Staat beherrscht hat, sind vielfach von seiner an mittelmäßigen Köpfen sehr reichen Zeit überschätzt worden, am meisten von ihm selbst. Unbestritten bleibt ihm der Ruhm eines tapferen Offiziers; aber auch als Hausvater und Ehemann galt Cnejus Pompejus als ein Muster von Liebenswürdigkeit und Treue, und daß er nicht weniger als fünf Frauen nach einander heirathete, hatte allerdings seinen Grund nicht, wie bei vielen anderen seiner Zeitgenossen, in der Flatterhaftigkeit seiner Nei¬ gungen. Die Scheidung von seiner ersten Gattin, Antistia, war aber ein Schritt kühl berechnender Politik und Herzlosigkeit. Nachdem er dieselbe als zwanzigjähriger Jüngling geehlicht hatte, um durch ihren Vater, den Prätor Antistius, ein günstiges Urtheil in einem Processe zu erlangen, und nachdem dieser um seines zu Sulla haltenden Schwiegersohnes willen von den Ma¬ rianern ermordet worden war, worauf sich seine Gattin Calpurnia aus Ver¬ zweiflung selbst den Tod gab, verstieß er sie, weil des allmächtigen Dictators Gemahlin ihre eigne Tochter aus früherer Ehe für ihn passend fand! Obgleich diese nun bereits verheirathet war und ihrer Niederkunft entgegen fah, mußte sie ihr Mann freigeben und sie zog in das Haus des Pompejus, wo sie bald darauf an den Folgen ihrer Entbindung starb. Bereits im nächsten Jahre heirathete der junge Wittwer Mucia Tertia, die Tochter des durch seine Rechtlichkeit und juristische Gelehrsamkeit berühmten Oberpriesters Mucius Scävola. Dieses Ehebündniß hatte 19 Jahre Bestand und Mucia beschenkte den Pompejus in den ersten sechs Jahren desselben mit zwei Söhnen und einer Tochter. Während seiner langen Abwesenheit in Asien bewies sie jedoch, daß sie sich in Nichts von den damaligen römischen Modedamen unterschied, bei denen galante Liaisons durchaus zum guten Ton gehörten: sie unterhielt ein zärtliches Verhältniß mit dem Alcibiades der Hauptstadt — Julius Cäsar. Pompejus wurde zwar mancherlei zugetragen und er nannte, wie Sueton er¬ wähnt, den Nebenbuhler zuweilen seufzend seinen Aegisthus; die volle Wahr¬ heit erfuhr er aber erst auf der Rückreise. Er faßte schnell seinen Entschluß Grenzboten II. 1871. 1

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/9>, abgerufen am 24.07.2024.