Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.Das Referat, das den Titel führt: "Die Grundlagen eines deutschen Das Referat, das den Titel führt: „Die Grundlagen eines deutschen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0076" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/126392"/> <p xml:id="ID_174" next="#ID_175"> Das Referat, das den Titel führt: „Die Grundlagen eines deutschen<lb/> Reichsgesetzes über die Presse/' geht gleichfalls von der oben im Eingange<lb/> ausgesprochenen Zuversicht aus, daß ein Reichspreßgesetz die mancherlei Be¬<lb/> schränkungen, Beargwöhnungen, Bedrückungen der Presse, welche die Preßgesetze<lb/> der Einzelstaaten mehr oder weniger noch enthalten, und welche mit einer rationel¬<lb/> len Behandlung dieses wichtigen Factors des öffentlichen Geistes sich nicht<lb/> vertragen, vollends beseitigen werde. In dieser Hoffnung legt es an das<lb/> künftige Reichspreßgesetz einen sehr hohen Maßstab an, nämlich den der con-<lb/> sequenten Durchführung jenes Systems, welches durch die Presse begangene<lb/> Verbrechen und Vergehen zwar strafen, dagegen dieselbe vor allen präventiver<lb/> Maßregeln und vor der von solchen schwer zu trennenden polizeilichen Will¬<lb/> kür schützen will. Schon vor mehr als SO Jahren, in einem an den alten<lb/> Bundestag erstatteten Ausschußberichte des oldenburgischen Gesandten v. Berg<lb/> (am 12. Octbr. 1818) sei das gedachte System — das sogenannte Justiz¬<lb/> oder Repressivsystem — empfohlen worden und der Bundestag selbst habe<lb/> damals — es war das vor den ominösen Carlsbader Conferenzen — nicht<lb/> übel Lust gezeigt, auf Grund dieses Systems die Zustände der deutschen<lb/> Presse zu regeln. Was vor 33 Jahren der alte Bundestag für unbedenklich<lb/> und angemessen erachtet, davor werde das neue deutsche Reich, stark wie es<lb/> ist durch seine freisinnigen Einrichtungen und den sichern Einklang zwischender Na¬<lb/> tion und der Reichsregierung, doch gewiß nicht zurückscheuen. Wörtlich heißt<lb/> es in dem Referat S. S: Die „Grundzüge zu einem Reichsgesetz über die<lb/> Presse," welche der Verf. des Referats vorschlagsweise formulirt, haben jeden¬<lb/> falls den Vorzug größter Kürze, denn sie umfassen nur 10 Paragraphen,<lb/> während noch das neueste königl. sächsische Preßgesetz etwas mehr als die<lb/> dreifache Zahl enthält. Alles ist ausgeschieden, was sich auf blos prä¬<lb/> ventive Maßregeln bezieht, z. B. die umständlichen Vorschriften der meisten<lb/> Preßgesetze über die Druckerfirmen, den Zwang zum Ausnehmen von Berich¬<lb/> tigungen, die polizeilichen Confiscationen, die Pflichtexemplare u. s. w. Der<lb/> Vers, geht von der Ansicht aus, daß diese präventiver Bestimmungen entweder<lb/> überflüssig sind, da sie durch ein wohlgeregeltes-System der strafrechtlichen<lb/> Verantwortlichkeit unnöthig gemacht würden, oder ungerechtfertigt, insofern<lb/> sie der Presse eine Ausnahmestellung anweisen, wie sie kein andres Gewerbe<lb/> hat, wozu kein rechtlicher Grund zu finden sei. Was diese eben berührte<lb/> Frage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit betrifft, so erklärt sich der Verf.<lb/> für das in Belgien und einigen thüringischen Staaten recipirte System der<lb/> sogenannten successiven Verantwortlichkeit, nach welcher einerseits Verbreiter,<lb/> Drucker, Verleger die Verantwortung für ein Preßerzeugniß auf sich nehmen<lb/> und dadurch den Verfasser davon befreien können, indem sie ihn nicht nennen.<lb/> Andrerseits aber, wenn der Verfasser haftbar gemacht worden, kann niemand</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0076]
Das Referat, das den Titel führt: „Die Grundlagen eines deutschen
Reichsgesetzes über die Presse/' geht gleichfalls von der oben im Eingange
ausgesprochenen Zuversicht aus, daß ein Reichspreßgesetz die mancherlei Be¬
schränkungen, Beargwöhnungen, Bedrückungen der Presse, welche die Preßgesetze
der Einzelstaaten mehr oder weniger noch enthalten, und welche mit einer rationel¬
len Behandlung dieses wichtigen Factors des öffentlichen Geistes sich nicht
vertragen, vollends beseitigen werde. In dieser Hoffnung legt es an das
künftige Reichspreßgesetz einen sehr hohen Maßstab an, nämlich den der con-
sequenten Durchführung jenes Systems, welches durch die Presse begangene
Verbrechen und Vergehen zwar strafen, dagegen dieselbe vor allen präventiver
Maßregeln und vor der von solchen schwer zu trennenden polizeilichen Will¬
kür schützen will. Schon vor mehr als SO Jahren, in einem an den alten
Bundestag erstatteten Ausschußberichte des oldenburgischen Gesandten v. Berg
(am 12. Octbr. 1818) sei das gedachte System — das sogenannte Justiz¬
oder Repressivsystem — empfohlen worden und der Bundestag selbst habe
damals — es war das vor den ominösen Carlsbader Conferenzen — nicht
übel Lust gezeigt, auf Grund dieses Systems die Zustände der deutschen
Presse zu regeln. Was vor 33 Jahren der alte Bundestag für unbedenklich
und angemessen erachtet, davor werde das neue deutsche Reich, stark wie es
ist durch seine freisinnigen Einrichtungen und den sichern Einklang zwischender Na¬
tion und der Reichsregierung, doch gewiß nicht zurückscheuen. Wörtlich heißt
es in dem Referat S. S: Die „Grundzüge zu einem Reichsgesetz über die
Presse," welche der Verf. des Referats vorschlagsweise formulirt, haben jeden¬
falls den Vorzug größter Kürze, denn sie umfassen nur 10 Paragraphen,
während noch das neueste königl. sächsische Preßgesetz etwas mehr als die
dreifache Zahl enthält. Alles ist ausgeschieden, was sich auf blos prä¬
ventive Maßregeln bezieht, z. B. die umständlichen Vorschriften der meisten
Preßgesetze über die Druckerfirmen, den Zwang zum Ausnehmen von Berich¬
tigungen, die polizeilichen Confiscationen, die Pflichtexemplare u. s. w. Der
Vers, geht von der Ansicht aus, daß diese präventiver Bestimmungen entweder
überflüssig sind, da sie durch ein wohlgeregeltes-System der strafrechtlichen
Verantwortlichkeit unnöthig gemacht würden, oder ungerechtfertigt, insofern
sie der Presse eine Ausnahmestellung anweisen, wie sie kein andres Gewerbe
hat, wozu kein rechtlicher Grund zu finden sei. Was diese eben berührte
Frage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit betrifft, so erklärt sich der Verf.
für das in Belgien und einigen thüringischen Staaten recipirte System der
sogenannten successiven Verantwortlichkeit, nach welcher einerseits Verbreiter,
Drucker, Verleger die Verantwortung für ein Preßerzeugniß auf sich nehmen
und dadurch den Verfasser davon befreien können, indem sie ihn nicht nennen.
Andrerseits aber, wenn der Verfasser haftbar gemacht worden, kann niemand
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