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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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Demselben Meister, oder doch seiner Schule, möchte eine Altartafel von
Marmor im linken Seitenschiffe zuzuschreiben sein. Auf blaubemaltem Grund
befindet sich zwischen zwei Candelabern das ausdrucksvolle, doch grimassen¬
hafte Brustbild Christi, zu beiden Seiten die beiden Marien, voller Gefühl
im Ausdruck. Die Haare, Bänder und sonstiger Schmuck der Figuren sind
vergoldet. Ueber dieser Basreliefgruppe befindet sich in Hochrelief Gottvater
umgeben von Seraphim, sowie zwei schönen, bärtigen Halbfiguren.

Ein kleines Meisterwerk decorativer Renaissancesculptur dient sodann zur
Bewahrung des heiligen Ringes, in der diesem geweihten Kapelle. Die¬
ser Ring wurde den Peruginern im Jahre 1472 von Bruder Winterius aus
Mainz geschenkt, nachdem dieser ihn zuvor dem Franziskanerkloster in Chiust
entwendet hatte. Das silberne Tabernakel, das ihn birgt, ist ein Werk des
berühmten Peruginer Goldschmieds Cesarino Rosetti, vom Jahre 1S16. Auf
4 Löwenfüßen ruht der zweistufige, reichornamentirte Untersatz und trägt einen
4seitigen Aufbau, dessen vier Nischen von korinthischen Doppelpilastern flan-
kirt und mit den sitzenden Statuen der vier Evangelisten ausgefüllt sind. Zu
oberst trägt eine kleine Krone den Ring. Die Verhältnisse des Ganzen, sowie
die Vertheilung des reichen Schmuckes sind vortrefflich, und es böte dasselbe
ein schönes Motiv zum Postament für eine Statue dar.

Perugia ist einer der Hauptorte, wo sich Schnitzarbeiten und Intarsien
der Renaissance befinden, und wir werden noch mehrmals Gelegenheit haben,
hierauf zurückzukommen. Auch im Dom sind mehrere Meisterwerke der
Schnitzerei zu finden. So zunächst in der Capelle rechts vom Eingang die
reichen, prächtig geschnitzten, wenn auch etwas barocken Stühle, mit braunem
Grund und goldenen Ornamenten, die im Auftrag der Kaufmannzunft von
Ercole ti Tommaso und Jacopo Fiorentino im Jahre 1365 herge¬
stellt wurden. Ebenso sind in der Sakristei schöne intarsiirte Wandschränke
von Marietto ti Paolo, genannt Torquato de Gubbio, vom Jahre
1494 zu sehen, sowie im Chor die geschnitzten Chorstühle des Giuliano da
Majano und des Domen ico Tasso von Florenz im Jahre 1491. Wir
müssen uns leider versagen, sie alle eingehend zu schildern, um so mehr, da
Worte den Reiz von Liniendetails doch nimmer wiedergeben können.

Viele andere Sehenswürdigkeiten des Domes müssen wir übergehen; da¬
gegen können wir nicht umhin, mit kurzen Worten des prächtigen Tafelbildes
des Luca Signorelli zu erwähnen, das die Sakristei schmückt. Dasselbe stellt
die Madonna auf dem Thron dar, mit den Heiligen Onofrius, Johannes
Baptista, Stephanus und Herculanus ihr zur Seite. Vor ihrem Thron sitzt
ein Mandoline spielender schlanker Engelknabe. Wir hoben schon im vorigen
Briefe die Verwandtschaft dieses Bildes mit einem andern des Luca in Cor-
tona hervor; auch hier tritt neben der großen, originellen Kraft des Meisters


Demselben Meister, oder doch seiner Schule, möchte eine Altartafel von
Marmor im linken Seitenschiffe zuzuschreiben sein. Auf blaubemaltem Grund
befindet sich zwischen zwei Candelabern das ausdrucksvolle, doch grimassen¬
hafte Brustbild Christi, zu beiden Seiten die beiden Marien, voller Gefühl
im Ausdruck. Die Haare, Bänder und sonstiger Schmuck der Figuren sind
vergoldet. Ueber dieser Basreliefgruppe befindet sich in Hochrelief Gottvater
umgeben von Seraphim, sowie zwei schönen, bärtigen Halbfiguren.

Ein kleines Meisterwerk decorativer Renaissancesculptur dient sodann zur
Bewahrung des heiligen Ringes, in der diesem geweihten Kapelle. Die¬
ser Ring wurde den Peruginern im Jahre 1472 von Bruder Winterius aus
Mainz geschenkt, nachdem dieser ihn zuvor dem Franziskanerkloster in Chiust
entwendet hatte. Das silberne Tabernakel, das ihn birgt, ist ein Werk des
berühmten Peruginer Goldschmieds Cesarino Rosetti, vom Jahre 1S16. Auf
4 Löwenfüßen ruht der zweistufige, reichornamentirte Untersatz und trägt einen
4seitigen Aufbau, dessen vier Nischen von korinthischen Doppelpilastern flan-
kirt und mit den sitzenden Statuen der vier Evangelisten ausgefüllt sind. Zu
oberst trägt eine kleine Krone den Ring. Die Verhältnisse des Ganzen, sowie
die Vertheilung des reichen Schmuckes sind vortrefflich, und es böte dasselbe
ein schönes Motiv zum Postament für eine Statue dar.

Perugia ist einer der Hauptorte, wo sich Schnitzarbeiten und Intarsien
der Renaissance befinden, und wir werden noch mehrmals Gelegenheit haben,
hierauf zurückzukommen. Auch im Dom sind mehrere Meisterwerke der
Schnitzerei zu finden. So zunächst in der Capelle rechts vom Eingang die
reichen, prächtig geschnitzten, wenn auch etwas barocken Stühle, mit braunem
Grund und goldenen Ornamenten, die im Auftrag der Kaufmannzunft von
Ercole ti Tommaso und Jacopo Fiorentino im Jahre 1365 herge¬
stellt wurden. Ebenso sind in der Sakristei schöne intarsiirte Wandschränke
von Marietto ti Paolo, genannt Torquato de Gubbio, vom Jahre
1494 zu sehen, sowie im Chor die geschnitzten Chorstühle des Giuliano da
Majano und des Domen ico Tasso von Florenz im Jahre 1491. Wir
müssen uns leider versagen, sie alle eingehend zu schildern, um so mehr, da
Worte den Reiz von Liniendetails doch nimmer wiedergeben können.

Viele andere Sehenswürdigkeiten des Domes müssen wir übergehen; da¬
gegen können wir nicht umhin, mit kurzen Worten des prächtigen Tafelbildes
des Luca Signorelli zu erwähnen, das die Sakristei schmückt. Dasselbe stellt
die Madonna auf dem Thron dar, mit den Heiligen Onofrius, Johannes
Baptista, Stephanus und Herculanus ihr zur Seite. Vor ihrem Thron sitzt
ein Mandoline spielender schlanker Engelknabe. Wir hoben schon im vorigen
Briefe die Verwandtschaft dieses Bildes mit einem andern des Luca in Cor-
tona hervor; auch hier tritt neben der großen, originellen Kraft des Meisters


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[0066] Demselben Meister, oder doch seiner Schule, möchte eine Altartafel von Marmor im linken Seitenschiffe zuzuschreiben sein. Auf blaubemaltem Grund befindet sich zwischen zwei Candelabern das ausdrucksvolle, doch grimassen¬ hafte Brustbild Christi, zu beiden Seiten die beiden Marien, voller Gefühl im Ausdruck. Die Haare, Bänder und sonstiger Schmuck der Figuren sind vergoldet. Ueber dieser Basreliefgruppe befindet sich in Hochrelief Gottvater umgeben von Seraphim, sowie zwei schönen, bärtigen Halbfiguren. Ein kleines Meisterwerk decorativer Renaissancesculptur dient sodann zur Bewahrung des heiligen Ringes, in der diesem geweihten Kapelle. Die¬ ser Ring wurde den Peruginern im Jahre 1472 von Bruder Winterius aus Mainz geschenkt, nachdem dieser ihn zuvor dem Franziskanerkloster in Chiust entwendet hatte. Das silberne Tabernakel, das ihn birgt, ist ein Werk des berühmten Peruginer Goldschmieds Cesarino Rosetti, vom Jahre 1S16. Auf 4 Löwenfüßen ruht der zweistufige, reichornamentirte Untersatz und trägt einen 4seitigen Aufbau, dessen vier Nischen von korinthischen Doppelpilastern flan- kirt und mit den sitzenden Statuen der vier Evangelisten ausgefüllt sind. Zu oberst trägt eine kleine Krone den Ring. Die Verhältnisse des Ganzen, sowie die Vertheilung des reichen Schmuckes sind vortrefflich, und es böte dasselbe ein schönes Motiv zum Postament für eine Statue dar. Perugia ist einer der Hauptorte, wo sich Schnitzarbeiten und Intarsien der Renaissance befinden, und wir werden noch mehrmals Gelegenheit haben, hierauf zurückzukommen. Auch im Dom sind mehrere Meisterwerke der Schnitzerei zu finden. So zunächst in der Capelle rechts vom Eingang die reichen, prächtig geschnitzten, wenn auch etwas barocken Stühle, mit braunem Grund und goldenen Ornamenten, die im Auftrag der Kaufmannzunft von Ercole ti Tommaso und Jacopo Fiorentino im Jahre 1365 herge¬ stellt wurden. Ebenso sind in der Sakristei schöne intarsiirte Wandschränke von Marietto ti Paolo, genannt Torquato de Gubbio, vom Jahre 1494 zu sehen, sowie im Chor die geschnitzten Chorstühle des Giuliano da Majano und des Domen ico Tasso von Florenz im Jahre 1491. Wir müssen uns leider versagen, sie alle eingehend zu schildern, um so mehr, da Worte den Reiz von Liniendetails doch nimmer wiedergeben können. Viele andere Sehenswürdigkeiten des Domes müssen wir übergehen; da¬ gegen können wir nicht umhin, mit kurzen Worten des prächtigen Tafelbildes des Luca Signorelli zu erwähnen, das die Sakristei schmückt. Dasselbe stellt die Madonna auf dem Thron dar, mit den Heiligen Onofrius, Johannes Baptista, Stephanus und Herculanus ihr zur Seite. Vor ihrem Thron sitzt ein Mandoline spielender schlanker Engelknabe. Wir hoben schon im vorigen Briefe die Verwandtschaft dieses Bildes mit einem andern des Luca in Cor- tona hervor; auch hier tritt neben der großen, originellen Kraft des Meisters

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/66>, abgerufen am 24.07.2024.