Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.auf Consolen und unter Baldachinen geschmückt sind. Rings am untern Wir steigen nun die breiten Stufen des naheliegenden Domes hinan, auf Consolen und unter Baldachinen geschmückt sind. Rings am untern Wir steigen nun die breiten Stufen des naheliegenden Domes hinan, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0064" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/126380"/> <p xml:id="ID_141" prev="#ID_140"> auf Consolen und unter Baldachinen geschmückt sind. Rings am untern<lb/> Saum dieses zweiten Beckens oder Troges zieht sich eine Inschrift hin, welche<lb/> angibt, daß der Brunnen im Jahre 1277 vom Fra Benvignate (aus Vene¬<lb/> dig) errichtet wurde, und daß die Sculpturen von Niccolo und Giovanni Pi-<lb/> sani herrühren. Ueber diesem Becken endlich erhebt sich eine runde Bronce-<lb/> schale mit Greifen und Najaden und der Inschrift: „IwdeuL (L-osso) me th-<lb/> eil ^. v. An den Sculpturen der beiden untern Becken schei¬<lb/> nen Niccolo und Giovanni neben einander gearbeitet zu haben, und nicht einmal<lb/> so, daß Niccolo etwa die unteren und Giovanni die oberen gefertigt hätte. We¬<lb/> nigstens ist beider Stil hier wie dort zu finden. Während die Reliefs mit<lb/> Scenen des alten Testaments, Aesop's, so wie der 12 Jahreszeiten voll von anti¬<lb/> ken, aber traditionellen Motiven sind, zeigen die Darstellungen der freien Künste<lb/> eine ganz neue, lebendige Auffassung, und eine poetische, originelle Erfindung.<lb/> Jene Reliefs sind daher ebenso wahrscheinlich Werke Niccolo's, wie die letzteren<lb/> des Giovanni. So stammen die Motive des Sündenfalls offenbar aus der<lb/> Ueberlieferung, und wurden auch nachher noch fast genau von Giacomo della<lb/> Guercia und vielfach selbst von Michelangelo festgehalten. Ebenso find die<lb/> Jahreszeiten hier ebenso charakterisirt, wie an den älteren Reliefs der Badia<lb/> in Arezzo, sowie von S. Martino in Lucca; nur daß allerdings im Detail<lb/> vielfach ein directes Studium der Antike sichtbar ist. — Der Simson ferner<lb/> der den Rachen des Löwen aufreißt, indem er auf ihm niedersitzt, ist ohne<lb/> .Zweifel ein antikes Herkulesmotiv, und findet sich später auch bei Niccolo<lb/> von Arezzo wieder; in einem andern Relief hat Niccolo deutlich den sterben¬<lb/> den Gallier oder eine andere ähnliche Antike zum Vorbild genommen. —<lb/> Dem Niccolo möchte am untern Becken endlich wohl auch der Löwe von<lb/> S. Marco zuzuschreiben sein, um dessen antike Linieneleganz und Feurigkeit<lb/> des Ausdrucks gar mancher moderne Künstler jenen alten Meister beneiden<lb/> dürfte. — Die sieben freien Künste dagegen tragen ganz den Charakter von<lb/> Jugendwerken Giovanni's an sich, indem sie dessen frische Auffassung mit<lb/> Niccolo's Formgefühl verbinden, und noch nicht die Härten und Extrava¬<lb/> ganzen späterer Werke Giovanni's hervortreten lassen. — Was vor Allem an<lb/> diesen Allegorien überrascht, ist, daß sie, statt durch steife symbolbeladene<lb/> Paradefiguren, durch Gruppen von handelnden Personen darge¬<lb/> stellt sind, ein Verfahren, von dem Giovanni wie seine Nachfolger nachher<lb/> leider meist wieder abkamen. So wird die Grammatik durch eine Frau<lb/> versinnlicht, die ein Kind lesen lehrt, die Rethorik durch eine Frau, die<lb/> einem Mädchen einen begeisterten Vortrag hält, von welchem dieses tief er¬<lb/> griffen und, mit gekreuzten Armen und geneigtem Haupte zuhörend, hingerissen<lb/> wird, während die edelsten Vorsätze sein Gesicht verklären.</p><lb/> <p xml:id="ID_142" next="#ID_143"> Wir steigen nun die breiten Stufen des naheliegenden Domes hinan,</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0064]
auf Consolen und unter Baldachinen geschmückt sind. Rings am untern
Saum dieses zweiten Beckens oder Troges zieht sich eine Inschrift hin, welche
angibt, daß der Brunnen im Jahre 1277 vom Fra Benvignate (aus Vene¬
dig) errichtet wurde, und daß die Sculpturen von Niccolo und Giovanni Pi-
sani herrühren. Ueber diesem Becken endlich erhebt sich eine runde Bronce-
schale mit Greifen und Najaden und der Inschrift: „IwdeuL (L-osso) me th-
eil ^. v. An den Sculpturen der beiden untern Becken schei¬
nen Niccolo und Giovanni neben einander gearbeitet zu haben, und nicht einmal
so, daß Niccolo etwa die unteren und Giovanni die oberen gefertigt hätte. We¬
nigstens ist beider Stil hier wie dort zu finden. Während die Reliefs mit
Scenen des alten Testaments, Aesop's, so wie der 12 Jahreszeiten voll von anti¬
ken, aber traditionellen Motiven sind, zeigen die Darstellungen der freien Künste
eine ganz neue, lebendige Auffassung, und eine poetische, originelle Erfindung.
Jene Reliefs sind daher ebenso wahrscheinlich Werke Niccolo's, wie die letzteren
des Giovanni. So stammen die Motive des Sündenfalls offenbar aus der
Ueberlieferung, und wurden auch nachher noch fast genau von Giacomo della
Guercia und vielfach selbst von Michelangelo festgehalten. Ebenso find die
Jahreszeiten hier ebenso charakterisirt, wie an den älteren Reliefs der Badia
in Arezzo, sowie von S. Martino in Lucca; nur daß allerdings im Detail
vielfach ein directes Studium der Antike sichtbar ist. — Der Simson ferner
der den Rachen des Löwen aufreißt, indem er auf ihm niedersitzt, ist ohne
.Zweifel ein antikes Herkulesmotiv, und findet sich später auch bei Niccolo
von Arezzo wieder; in einem andern Relief hat Niccolo deutlich den sterben¬
den Gallier oder eine andere ähnliche Antike zum Vorbild genommen. —
Dem Niccolo möchte am untern Becken endlich wohl auch der Löwe von
S. Marco zuzuschreiben sein, um dessen antike Linieneleganz und Feurigkeit
des Ausdrucks gar mancher moderne Künstler jenen alten Meister beneiden
dürfte. — Die sieben freien Künste dagegen tragen ganz den Charakter von
Jugendwerken Giovanni's an sich, indem sie dessen frische Auffassung mit
Niccolo's Formgefühl verbinden, und noch nicht die Härten und Extrava¬
ganzen späterer Werke Giovanni's hervortreten lassen. — Was vor Allem an
diesen Allegorien überrascht, ist, daß sie, statt durch steife symbolbeladene
Paradefiguren, durch Gruppen von handelnden Personen darge¬
stellt sind, ein Verfahren, von dem Giovanni wie seine Nachfolger nachher
leider meist wieder abkamen. So wird die Grammatik durch eine Frau
versinnlicht, die ein Kind lesen lehrt, die Rethorik durch eine Frau, die
einem Mädchen einen begeisterten Vortrag hält, von welchem dieses tief er¬
griffen und, mit gekreuzten Armen und geneigtem Haupte zuhörend, hingerissen
wird, während die edelsten Vorsätze sein Gesicht verklären.
Wir steigen nun die breiten Stufen des naheliegenden Domes hinan,
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