Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

wissenschaftlichen Studien, besonders geographischen und geologischen, zuge¬
wandt. Er kam früh nach Zürich als Lehrer an der Industrieschule und
später auch an der Universität und erwarb sich bald einen Ruf als Fach¬
schriftsteller. Das rege politische Treiben der Schweiz in den dreißiger Jahren
mußte ihn anziehen, um so mehr, als es der Reflex einer allgemeinen euro¬
päischen Bewegung wär. Denn Fröbel war kein einseitiger Fachmensch, zu
nichts weniger angelegt, als zu einer sogenannten Specialität. Die universell
sittliche Befriedigung des Menschen und die Mittel, dieselbe in objectiven In¬
stitutionen zu sichern, waren das Augenmerk seines Geistes von Anfang seiner
Entwickelung und haben nie aufgehört, es zu sein. Wenn er bei einer sol¬
chen Richtung ähnlich wie Georg Forster von naturwissenschaftlichen Studien
ausging, so ist das einerseits das Zeugniß einer auf das Thatsächliche ge¬
wendeten Anlage, andererseits ein Beweis der Stärke des universellen Be¬
dürfnisses in ihm. Denn die Naturwissenschaft, die ein Gebiet von unerme߬
lichen Umfang und eine Totalität in sich ist, vermag sonst leicht, wie wir
hinlänglich erfahren haben und noch täglich erfahren, das Interesse auch be¬
deutender Köpfe von der ethischen Welt ganz abzuziehen.

Als Politiker wandelte Fröbel in den dreißiger Jahren die Bahnen der
radikalen Demokraten, Eine Erscheinung, die uns, so weit die wirkliche
Bildung heute von diesen Bahnen sich entfernt hat, doch vollkommen begreif¬
lich ist. Radikaler Demokrat fein, das hieß damals Niemanden von der Ver¬
waltung der sittlichen Angelegenheiten ausschließen wollen. Dabei dachte der
Idealismus jener Zeit freilich nicht an den Unterschied zwischen der Anlage
oder Bestimmung zum höchsten sittlichen Beruf und der Fähigkeit, diesen
Beruf auszuüben. Die Mittel der Erziehung und Uebung im politischen
Beruf wurden nicht erwogen. Man glaubte, die Uebertragung des Be¬
rufes in unmittelbarster Form sei das einfachste und beste Mittel, die Er¬
füllung zu verbürgen. Wer nicht dieses Glaubens war, der hatte kaum
einen anderen Weg, als den, die politischen Rechte an social bevorzugte
Stände zu binden. Dies aber erschien idealistischen Naturen als egoistische
Willkür oder auch als philisterhafte Aengstlichkeit. Nicht ganz mit Un¬
recht. Die elementarste Nothwendigkeit des Staates ist, daß er aus den
socialen Interessen herausgehoben sei. Welche Mittel aber boten sich dem
damaligen Auge, dies zu erlangen? Man hatte nur die Wahl, den
Staat einer abgeschlossenen Kaste zu überliefern, während doch das sitt¬
liche Bedürfniß der Völker nach Theilnahme an ihren höchsten Angelegen¬
heiten gegen den ausschließenden Beamtenstaat stärker und stärker reagirte.
Wollte man dies also nicht, was kein strebsamer Geist wollen konnte, so gab
es für das damalige Erkennen nur Einen Weg, der Auslieferung des Staats
an die socialen Interessen zu entrinnen- den Weg, den Staat zur Sache Aller


wissenschaftlichen Studien, besonders geographischen und geologischen, zuge¬
wandt. Er kam früh nach Zürich als Lehrer an der Industrieschule und
später auch an der Universität und erwarb sich bald einen Ruf als Fach¬
schriftsteller. Das rege politische Treiben der Schweiz in den dreißiger Jahren
mußte ihn anziehen, um so mehr, als es der Reflex einer allgemeinen euro¬
päischen Bewegung wär. Denn Fröbel war kein einseitiger Fachmensch, zu
nichts weniger angelegt, als zu einer sogenannten Specialität. Die universell
sittliche Befriedigung des Menschen und die Mittel, dieselbe in objectiven In¬
stitutionen zu sichern, waren das Augenmerk seines Geistes von Anfang seiner
Entwickelung und haben nie aufgehört, es zu sein. Wenn er bei einer sol¬
chen Richtung ähnlich wie Georg Forster von naturwissenschaftlichen Studien
ausging, so ist das einerseits das Zeugniß einer auf das Thatsächliche ge¬
wendeten Anlage, andererseits ein Beweis der Stärke des universellen Be¬
dürfnisses in ihm. Denn die Naturwissenschaft, die ein Gebiet von unerme߬
lichen Umfang und eine Totalität in sich ist, vermag sonst leicht, wie wir
hinlänglich erfahren haben und noch täglich erfahren, das Interesse auch be¬
deutender Köpfe von der ethischen Welt ganz abzuziehen.

Als Politiker wandelte Fröbel in den dreißiger Jahren die Bahnen der
radikalen Demokraten, Eine Erscheinung, die uns, so weit die wirkliche
Bildung heute von diesen Bahnen sich entfernt hat, doch vollkommen begreif¬
lich ist. Radikaler Demokrat fein, das hieß damals Niemanden von der Ver¬
waltung der sittlichen Angelegenheiten ausschließen wollen. Dabei dachte der
Idealismus jener Zeit freilich nicht an den Unterschied zwischen der Anlage
oder Bestimmung zum höchsten sittlichen Beruf und der Fähigkeit, diesen
Beruf auszuüben. Die Mittel der Erziehung und Uebung im politischen
Beruf wurden nicht erwogen. Man glaubte, die Uebertragung des Be¬
rufes in unmittelbarster Form sei das einfachste und beste Mittel, die Er¬
füllung zu verbürgen. Wer nicht dieses Glaubens war, der hatte kaum
einen anderen Weg, als den, die politischen Rechte an social bevorzugte
Stände zu binden. Dies aber erschien idealistischen Naturen als egoistische
Willkür oder auch als philisterhafte Aengstlichkeit. Nicht ganz mit Un¬
recht. Die elementarste Nothwendigkeit des Staates ist, daß er aus den
socialen Interessen herausgehoben sei. Welche Mittel aber boten sich dem
damaligen Auge, dies zu erlangen? Man hatte nur die Wahl, den
Staat einer abgeschlossenen Kaste zu überliefern, während doch das sitt¬
liche Bedürfniß der Völker nach Theilnahme an ihren höchsten Angelegen¬
heiten gegen den ausschließenden Beamtenstaat stärker und stärker reagirte.
Wollte man dies also nicht, was kein strebsamer Geist wollen konnte, so gab
es für das damalige Erkennen nur Einen Weg, der Auslieferung des Staats
an die socialen Interessen zu entrinnen- den Weg, den Staat zur Sache Aller


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0530" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/126806"/>
            <p xml:id="ID_1580" prev="#ID_1579"> wissenschaftlichen Studien, besonders geographischen und geologischen, zuge¬<lb/>
wandt. Er kam früh nach Zürich als Lehrer an der Industrieschule und<lb/>
später auch an der Universität und erwarb sich bald einen Ruf als Fach¬<lb/>
schriftsteller. Das rege politische Treiben der Schweiz in den dreißiger Jahren<lb/>
mußte ihn anziehen, um so mehr, als es der Reflex einer allgemeinen euro¬<lb/>
päischen Bewegung wär. Denn Fröbel war kein einseitiger Fachmensch, zu<lb/>
nichts weniger angelegt, als zu einer sogenannten Specialität. Die universell<lb/>
sittliche Befriedigung des Menschen und die Mittel, dieselbe in objectiven In¬<lb/>
stitutionen zu sichern, waren das Augenmerk seines Geistes von Anfang seiner<lb/>
Entwickelung und haben nie aufgehört, es zu sein. Wenn er bei einer sol¬<lb/>
chen Richtung ähnlich wie Georg Forster von naturwissenschaftlichen Studien<lb/>
ausging, so ist das einerseits das Zeugniß einer auf das Thatsächliche ge¬<lb/>
wendeten Anlage, andererseits ein Beweis der Stärke des universellen Be¬<lb/>
dürfnisses in ihm. Denn die Naturwissenschaft, die ein Gebiet von unerme߬<lb/>
lichen Umfang und eine Totalität in sich ist, vermag sonst leicht, wie wir<lb/>
hinlänglich erfahren haben und noch täglich erfahren, das Interesse auch be¬<lb/>
deutender Köpfe von der ethischen Welt ganz abzuziehen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1581" next="#ID_1582"> Als Politiker wandelte Fröbel in den dreißiger Jahren die Bahnen der<lb/>
radikalen Demokraten, Eine Erscheinung, die uns, so weit die wirkliche<lb/>
Bildung heute von diesen Bahnen sich entfernt hat, doch vollkommen begreif¬<lb/>
lich ist. Radikaler Demokrat fein, das hieß damals Niemanden von der Ver¬<lb/>
waltung der sittlichen Angelegenheiten ausschließen wollen. Dabei dachte der<lb/>
Idealismus jener Zeit freilich nicht an den Unterschied zwischen der Anlage<lb/>
oder Bestimmung zum höchsten sittlichen Beruf und der Fähigkeit, diesen<lb/>
Beruf auszuüben. Die Mittel der Erziehung und Uebung im politischen<lb/>
Beruf wurden nicht erwogen. Man glaubte, die Uebertragung des Be¬<lb/>
rufes in unmittelbarster Form sei das einfachste und beste Mittel, die Er¬<lb/>
füllung zu verbürgen. Wer nicht dieses Glaubens war, der hatte kaum<lb/>
einen anderen Weg, als den, die politischen Rechte an social bevorzugte<lb/>
Stände zu binden. Dies aber erschien idealistischen Naturen als egoistische<lb/>
Willkür oder auch als philisterhafte Aengstlichkeit. Nicht ganz mit Un¬<lb/>
recht. Die elementarste Nothwendigkeit des Staates ist, daß er aus den<lb/>
socialen Interessen herausgehoben sei. Welche Mittel aber boten sich dem<lb/>
damaligen Auge, dies zu erlangen? Man hatte nur die Wahl, den<lb/>
Staat einer abgeschlossenen Kaste zu überliefern, während doch das sitt¬<lb/>
liche Bedürfniß der Völker nach Theilnahme an ihren höchsten Angelegen¬<lb/>
heiten gegen den ausschließenden Beamtenstaat stärker und stärker reagirte.<lb/>
Wollte man dies also nicht, was kein strebsamer Geist wollen konnte, so gab<lb/>
es für das damalige Erkennen nur Einen Weg, der Auslieferung des Staats<lb/>
an die socialen Interessen zu entrinnen- den Weg, den Staat zur Sache Aller</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0530] wissenschaftlichen Studien, besonders geographischen und geologischen, zuge¬ wandt. Er kam früh nach Zürich als Lehrer an der Industrieschule und später auch an der Universität und erwarb sich bald einen Ruf als Fach¬ schriftsteller. Das rege politische Treiben der Schweiz in den dreißiger Jahren mußte ihn anziehen, um so mehr, als es der Reflex einer allgemeinen euro¬ päischen Bewegung wär. Denn Fröbel war kein einseitiger Fachmensch, zu nichts weniger angelegt, als zu einer sogenannten Specialität. Die universell sittliche Befriedigung des Menschen und die Mittel, dieselbe in objectiven In¬ stitutionen zu sichern, waren das Augenmerk seines Geistes von Anfang seiner Entwickelung und haben nie aufgehört, es zu sein. Wenn er bei einer sol¬ chen Richtung ähnlich wie Georg Forster von naturwissenschaftlichen Studien ausging, so ist das einerseits das Zeugniß einer auf das Thatsächliche ge¬ wendeten Anlage, andererseits ein Beweis der Stärke des universellen Be¬ dürfnisses in ihm. Denn die Naturwissenschaft, die ein Gebiet von unerme߬ lichen Umfang und eine Totalität in sich ist, vermag sonst leicht, wie wir hinlänglich erfahren haben und noch täglich erfahren, das Interesse auch be¬ deutender Köpfe von der ethischen Welt ganz abzuziehen. Als Politiker wandelte Fröbel in den dreißiger Jahren die Bahnen der radikalen Demokraten, Eine Erscheinung, die uns, so weit die wirkliche Bildung heute von diesen Bahnen sich entfernt hat, doch vollkommen begreif¬ lich ist. Radikaler Demokrat fein, das hieß damals Niemanden von der Ver¬ waltung der sittlichen Angelegenheiten ausschließen wollen. Dabei dachte der Idealismus jener Zeit freilich nicht an den Unterschied zwischen der Anlage oder Bestimmung zum höchsten sittlichen Beruf und der Fähigkeit, diesen Beruf auszuüben. Die Mittel der Erziehung und Uebung im politischen Beruf wurden nicht erwogen. Man glaubte, die Uebertragung des Be¬ rufes in unmittelbarster Form sei das einfachste und beste Mittel, die Er¬ füllung zu verbürgen. Wer nicht dieses Glaubens war, der hatte kaum einen anderen Weg, als den, die politischen Rechte an social bevorzugte Stände zu binden. Dies aber erschien idealistischen Naturen als egoistische Willkür oder auch als philisterhafte Aengstlichkeit. Nicht ganz mit Un¬ recht. Die elementarste Nothwendigkeit des Staates ist, daß er aus den socialen Interessen herausgehoben sei. Welche Mittel aber boten sich dem damaligen Auge, dies zu erlangen? Man hatte nur die Wahl, den Staat einer abgeschlossenen Kaste zu überliefern, während doch das sitt¬ liche Bedürfniß der Völker nach Theilnahme an ihren höchsten Angelegen¬ heiten gegen den ausschließenden Beamtenstaat stärker und stärker reagirte. Wollte man dies also nicht, was kein strebsamer Geist wollen konnte, so gab es für das damalige Erkennen nur Einen Weg, der Auslieferung des Staats an die socialen Interessen zu entrinnen- den Weg, den Staat zur Sache Aller

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/530
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/530>, abgerufen am 24.07.2024.