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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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8 Uhr aus Berlin, und 4 Uhr Nachmittags aus Potsdam, Fahrzeit 4 Stun¬
den. Drei Monate später wurde eine zweite errichtet, beide brachten schon
im ersten Jahre 1418 Thaler reinen Ueberschuß, der dem Könige viel Freude
machte, so daß er den General-Postmeister Grafen Götter persönlich belobte
und den Expeditionsbeamten "zu ihrem Encouragement" 25 Thaler Gratifica-
tion verlieh. Im Jahre 1766 wurde der erste Briefkasten "zur Gemäch¬
lichkeit der Correspondenten und Facilitirung derer Corre-
spondence" im Flure des Berliner PostHauses aufgestellt; der Kasten mußte
aber später wieder eingezogen werden "wegen des Unfugs so damit getrieben
und wegen derer untreuen Bedienten die das Porto unterschlagen, die Brieffe
aber in den Kasten einwerfen." Die Briefbestellung in Berlin fand von 1770
ab zweimal täglich statt, um 11 Uhr und 6 Uhr; jeder Schein kostete 6 Pf.,
jeder Brief 3 Pf. Bestellgeld, "ausgenommen von denen Briefen in die äußer¬
st en Vorstädte, als jenseits der Roßstraßenbrücke, auf dem Schiffbauerdamm,
in der Köpenicker Vorstadt und am Oberbaum," wofür 6 Pf. zu zahlen waren.
Nach dem Frieden von Basel, welchen Preußen am 5. April 1795 nach Be¬
endigung des mißglückter Champagne-Feldzuges mit der französischen Repu¬
blik hatte schließen müssen, kam das linke Rheinufer an Frankreich, und die
Franzosen begannen dort mit Einführung ihrer eigenen Verwaltung. Die
preußischen Postillone mußten in dem Gebiet von Geldern, Eleve und Mörs
(1798) die dreifarbige Cocarde aufstecken, der preußische Adler an den Post¬
wagen erhielt einen blauen Ueberzug. Diese Zeit und die darauf folgende
der französischen Occupation Deutschlands in Folge des unglücklichen Krieges
(1806) ist die traurigste Epoche der preußischen Post. Erst das staatsmän¬
nische Genie eines Hardenberg hat sie aus den Wirren emporgehoben, denen
das ganze politische und wirthschaftliche Leben der deutschen Nation unter
dem Joche der Fremdherrschaft anheimgefallen war. An die Stelle unnatür¬
licher, den Interessen des Siegers dienender Einrichtungen traten nach langem
Interregnum wieder die nationalen, aus den natürlichen Grundlagen ent¬
wickelten Verkehrsbeziehungen, deren Pflege der Ruhm und der Stolz des
Postinstituts ist. 1808 -- 1817 wurde das Postwesen durch Seegeberg's rüh¬
rige Kraft reorganisirt, und es begann eine neue Aera glücklicher Entwicke¬
Tybusch. lung des großen Culturinstituts.




Grenzboten 17. 1871.65

8 Uhr aus Berlin, und 4 Uhr Nachmittags aus Potsdam, Fahrzeit 4 Stun¬
den. Drei Monate später wurde eine zweite errichtet, beide brachten schon
im ersten Jahre 1418 Thaler reinen Ueberschuß, der dem Könige viel Freude
machte, so daß er den General-Postmeister Grafen Götter persönlich belobte
und den Expeditionsbeamten „zu ihrem Encouragement" 25 Thaler Gratifica-
tion verlieh. Im Jahre 1766 wurde der erste Briefkasten „zur Gemäch¬
lichkeit der Correspondenten und Facilitirung derer Corre-
spondence" im Flure des Berliner PostHauses aufgestellt; der Kasten mußte
aber später wieder eingezogen werden „wegen des Unfugs so damit getrieben
und wegen derer untreuen Bedienten die das Porto unterschlagen, die Brieffe
aber in den Kasten einwerfen." Die Briefbestellung in Berlin fand von 1770
ab zweimal täglich statt, um 11 Uhr und 6 Uhr; jeder Schein kostete 6 Pf.,
jeder Brief 3 Pf. Bestellgeld, „ausgenommen von denen Briefen in die äußer¬
st en Vorstädte, als jenseits der Roßstraßenbrücke, auf dem Schiffbauerdamm,
in der Köpenicker Vorstadt und am Oberbaum," wofür 6 Pf. zu zahlen waren.
Nach dem Frieden von Basel, welchen Preußen am 5. April 1795 nach Be¬
endigung des mißglückter Champagne-Feldzuges mit der französischen Repu¬
blik hatte schließen müssen, kam das linke Rheinufer an Frankreich, und die
Franzosen begannen dort mit Einführung ihrer eigenen Verwaltung. Die
preußischen Postillone mußten in dem Gebiet von Geldern, Eleve und Mörs
(1798) die dreifarbige Cocarde aufstecken, der preußische Adler an den Post¬
wagen erhielt einen blauen Ueberzug. Diese Zeit und die darauf folgende
der französischen Occupation Deutschlands in Folge des unglücklichen Krieges
(1806) ist die traurigste Epoche der preußischen Post. Erst das staatsmän¬
nische Genie eines Hardenberg hat sie aus den Wirren emporgehoben, denen
das ganze politische und wirthschaftliche Leben der deutschen Nation unter
dem Joche der Fremdherrschaft anheimgefallen war. An die Stelle unnatür¬
licher, den Interessen des Siegers dienender Einrichtungen traten nach langem
Interregnum wieder die nationalen, aus den natürlichen Grundlagen ent¬
wickelten Verkehrsbeziehungen, deren Pflege der Ruhm und der Stolz des
Postinstituts ist. 1808 — 1817 wurde das Postwesen durch Seegeberg's rüh¬
rige Kraft reorganisirt, und es begann eine neue Aera glücklicher Entwicke¬
Tybusch. lung des großen Culturinstituts.




Grenzboten 17. 1871.65
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[0521] 8 Uhr aus Berlin, und 4 Uhr Nachmittags aus Potsdam, Fahrzeit 4 Stun¬ den. Drei Monate später wurde eine zweite errichtet, beide brachten schon im ersten Jahre 1418 Thaler reinen Ueberschuß, der dem Könige viel Freude machte, so daß er den General-Postmeister Grafen Götter persönlich belobte und den Expeditionsbeamten „zu ihrem Encouragement" 25 Thaler Gratifica- tion verlieh. Im Jahre 1766 wurde der erste Briefkasten „zur Gemäch¬ lichkeit der Correspondenten und Facilitirung derer Corre- spondence" im Flure des Berliner PostHauses aufgestellt; der Kasten mußte aber später wieder eingezogen werden „wegen des Unfugs so damit getrieben und wegen derer untreuen Bedienten die das Porto unterschlagen, die Brieffe aber in den Kasten einwerfen." Die Briefbestellung in Berlin fand von 1770 ab zweimal täglich statt, um 11 Uhr und 6 Uhr; jeder Schein kostete 6 Pf., jeder Brief 3 Pf. Bestellgeld, „ausgenommen von denen Briefen in die äußer¬ st en Vorstädte, als jenseits der Roßstraßenbrücke, auf dem Schiffbauerdamm, in der Köpenicker Vorstadt und am Oberbaum," wofür 6 Pf. zu zahlen waren. Nach dem Frieden von Basel, welchen Preußen am 5. April 1795 nach Be¬ endigung des mißglückter Champagne-Feldzuges mit der französischen Repu¬ blik hatte schließen müssen, kam das linke Rheinufer an Frankreich, und die Franzosen begannen dort mit Einführung ihrer eigenen Verwaltung. Die preußischen Postillone mußten in dem Gebiet von Geldern, Eleve und Mörs (1798) die dreifarbige Cocarde aufstecken, der preußische Adler an den Post¬ wagen erhielt einen blauen Ueberzug. Diese Zeit und die darauf folgende der französischen Occupation Deutschlands in Folge des unglücklichen Krieges (1806) ist die traurigste Epoche der preußischen Post. Erst das staatsmän¬ nische Genie eines Hardenberg hat sie aus den Wirren emporgehoben, denen das ganze politische und wirthschaftliche Leben der deutschen Nation unter dem Joche der Fremdherrschaft anheimgefallen war. An die Stelle unnatür¬ licher, den Interessen des Siegers dienender Einrichtungen traten nach langem Interregnum wieder die nationalen, aus den natürlichen Grundlagen ent¬ wickelten Verkehrsbeziehungen, deren Pflege der Ruhm und der Stolz des Postinstituts ist. 1808 — 1817 wurde das Postwesen durch Seegeberg's rüh¬ rige Kraft reorganisirt, und es begann eine neue Aera glücklicher Entwicke¬ Tybusch. lung des großen Culturinstituts. Grenzboten 17. 1871.65

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/521>, abgerufen am 24.07.2024.