Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.Texas und Kalifornien, oder sei es in den Bürgerkrieg; daher kommt ferner, daß Texas und Kalifornien, oder sei es in den Bürgerkrieg; daher kommt ferner, daß <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0512" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/126788"/> <p xml:id="ID_1540" prev="#ID_1539" next="#ID_1541"> Texas und Kalifornien, oder sei es in den Bürgerkrieg; daher kommt ferner, daß<lb/> kein unvorhergesehenes Ereigniß die öffentliche Meinung absorbiren kann;<lb/> das unaufhörliche Predigen der Journale endigt immer damit, den Strom der<lb/> öffentlichen Meinung, dem nichts widerstehen kann, zu bestimmen. Das ist<lb/> eine große Macht, aber jedes Journal besitzt davon nur einen mikroskopischen<lb/> Theil, der nicht genügt, irgend einem Mann zum Piedestal zu dienen. Die<lb/> Mitarbeiterschaft an einem, selbst bedeutenden Journal gewährt in den Ver¬<lb/> einigten Staaten nicht das Prestige, welches sich in Europa an den politischen<lb/> Schriftsteller heftet: selten führt sie zu Einfluß, noch seltener zu Ruhm.<lb/> Was nun die moralische Führung der amerikanischen Journale anbetrifft, so<lb/> haben wir schon darauf hingewiesen, daß sie sehr häusig nachlässig redigirt<lb/> werden, doch fast ohne Ausnahme vermeiden sie, die Moralität außer Augen<lb/> zu setzen. Angriffe auf die Religion oder Sittlichkeit sind scrupulös aus<lb/> ihren Spalten verbannt und das Publicum unterstützt sie darin. Niemals<lb/> haben schamlose Publicationen und unzüchtige Angriffe, besonders auf Frauen,<lb/> in den Vereinigten Staaten Glück gemacht und Skribler wie Rochefort und<lb/> Genossen würde man febern, d. h. in schmerzhafter Weise lynchen. Die po¬<lb/> litische Presse ist zuweilen allerdings sehr barsch im Ton, Parteigefühle gewin¬<lb/> nen oft die Oberhand über nüchternes Urtheil, doch selten und nicht allge¬<lb/> mein. Nicht mehr als billig ist zu bekennen, daß ein Hinneigen zu Persön¬<lb/> lichkeiten der amerikanischen Presse nicht zur Last gelegt werden kann; die<lb/> wenigen schmutzigen Blätter, welche sich damit abgeben, sind Ausnahmen und<lb/> Auswüchse. Eine mächtige moralische Kraft findet sich in den Vereinigten<lb/> Staaten in der religiösen Presse concentrirt; es gibt 123 Blätter dieser Ten¬<lb/> denz mit einer Auflage von über 500,000 Exemplaren! welches Volk auf<lb/> der Erde kann sich damit vergleichen? Der Journalismus in den Vereinigten<lb/> Staaten gleicht dem Charakter des Volkes, er ist verfällt. biegsam, praktisch.<lb/> Jedes Interesse, jede gesellschaftliche und jede politische Doctrin hat ihr Or¬<lb/> gan. Kürze, schlagendes Urtheil, prägnanter Ausdruck charakterisiren die Leit¬<lb/> artikel: der Redacteur gibt weniger auf feinen Stil, als auf Erfassung<lb/> und Erschöpfung seines Gegenstandes. In der That, zu bewundern ist, wie<lb/> eine Person fertig bringt, so viel, so gut und täglich zu schreiben, wie manche<lb/> amerikanische Redacteure thun. Unter den Hervorragenden und fähigen<lb/> Tageblättern in den Vereinigten Staaten hat der National Intelligenter zu<lb/> Washington, was moralischen wie literarischen Werth anbetrifft, kaum einen<lb/> Rivalen in Europa, der ihn übertrifft. Das Journal of Commerce, Evening-<lb/> Post, Courier and Jnquirer, Commercial Advertiser, Tribune, Times, zu<lb/> New-Aork; Pennsylvania Jnquirer, Preß- und Evening-Bulletin zu Phila¬<lb/> delphia; Patriot und American zu Baltimore; Courier und Bulletin zu<lb/> Neu-Orleans; Traveller, Post, Advertiser und Courier zu Boston; Jnquirer</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0512]
Texas und Kalifornien, oder sei es in den Bürgerkrieg; daher kommt ferner, daß
kein unvorhergesehenes Ereigniß die öffentliche Meinung absorbiren kann;
das unaufhörliche Predigen der Journale endigt immer damit, den Strom der
öffentlichen Meinung, dem nichts widerstehen kann, zu bestimmen. Das ist
eine große Macht, aber jedes Journal besitzt davon nur einen mikroskopischen
Theil, der nicht genügt, irgend einem Mann zum Piedestal zu dienen. Die
Mitarbeiterschaft an einem, selbst bedeutenden Journal gewährt in den Ver¬
einigten Staaten nicht das Prestige, welches sich in Europa an den politischen
Schriftsteller heftet: selten führt sie zu Einfluß, noch seltener zu Ruhm.
Was nun die moralische Führung der amerikanischen Journale anbetrifft, so
haben wir schon darauf hingewiesen, daß sie sehr häusig nachlässig redigirt
werden, doch fast ohne Ausnahme vermeiden sie, die Moralität außer Augen
zu setzen. Angriffe auf die Religion oder Sittlichkeit sind scrupulös aus
ihren Spalten verbannt und das Publicum unterstützt sie darin. Niemals
haben schamlose Publicationen und unzüchtige Angriffe, besonders auf Frauen,
in den Vereinigten Staaten Glück gemacht und Skribler wie Rochefort und
Genossen würde man febern, d. h. in schmerzhafter Weise lynchen. Die po¬
litische Presse ist zuweilen allerdings sehr barsch im Ton, Parteigefühle gewin¬
nen oft die Oberhand über nüchternes Urtheil, doch selten und nicht allge¬
mein. Nicht mehr als billig ist zu bekennen, daß ein Hinneigen zu Persön¬
lichkeiten der amerikanischen Presse nicht zur Last gelegt werden kann; die
wenigen schmutzigen Blätter, welche sich damit abgeben, sind Ausnahmen und
Auswüchse. Eine mächtige moralische Kraft findet sich in den Vereinigten
Staaten in der religiösen Presse concentrirt; es gibt 123 Blätter dieser Ten¬
denz mit einer Auflage von über 500,000 Exemplaren! welches Volk auf
der Erde kann sich damit vergleichen? Der Journalismus in den Vereinigten
Staaten gleicht dem Charakter des Volkes, er ist verfällt. biegsam, praktisch.
Jedes Interesse, jede gesellschaftliche und jede politische Doctrin hat ihr Or¬
gan. Kürze, schlagendes Urtheil, prägnanter Ausdruck charakterisiren die Leit¬
artikel: der Redacteur gibt weniger auf feinen Stil, als auf Erfassung
und Erschöpfung seines Gegenstandes. In der That, zu bewundern ist, wie
eine Person fertig bringt, so viel, so gut und täglich zu schreiben, wie manche
amerikanische Redacteure thun. Unter den Hervorragenden und fähigen
Tageblättern in den Vereinigten Staaten hat der National Intelligenter zu
Washington, was moralischen wie literarischen Werth anbetrifft, kaum einen
Rivalen in Europa, der ihn übertrifft. Das Journal of Commerce, Evening-
Post, Courier and Jnquirer, Commercial Advertiser, Tribune, Times, zu
New-Aork; Pennsylvania Jnquirer, Preß- und Evening-Bulletin zu Phila¬
delphia; Patriot und American zu Baltimore; Courier und Bulletin zu
Neu-Orleans; Traveller, Post, Advertiser und Courier zu Boston; Jnquirer
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