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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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Die statistischen Details, in die wir eingetreten, sind Zeugnisse eines wun¬
derbaren Fortschritts: man muß aber auch, um gerecht zu sein, hinzufügen,
daß die amerikanische Presse sich nicht vermehrte, ohne sich zu verbessern. Sie
ist heute unendlich viel besser als vor 30 Jahren, und diese Verbesserung hat
sie vor allem dem im Jahre 1782 geborenen großen Journalisten Robert
Walsh zu danken, der 18 l7 zu Philadelphia den American Register gründete,
sowie den drei intelligenten Redacteuren des New-Uork-American, King,
Hamilton und Verplan!, so daß heute auf dem ganzen weiten Gebiet der
Vereinigten Staaten eine große Menge Journale mit großer Ehrbarkeit und
bedeutendem Talent redigirt werden. und von ihnen ein jedes in seinem Wir¬
kungskreis einen großen Einfluß besitzt. Von New-Uorker Zeitungen er¬
wähnen wir nur: Courier and Enquirer, Evening Post, Journal of Commerce,
Commercial Advertiser, Herald; zu Boston, Courier und Atlas; zu Phila¬
delphia. United american Gazette und Ledger. Doch keines dieser Blätter
hat, sei es nun als politisches Organ, sei es als commercielle Unternehmung,
die Bedeutung eines der großen Londoner oder Pariser Journale, noch übt
es auch nur annähernd einen so directen und mächtigen Einfluß auf die
öffentliche Meinung aus, wie jene. Die Ursache dieses unvermeidlich geringen
Gewichtes liegt im wesentlichen in der politischen Constitution des Landes.
Obgleich die Vereinigten Staaten eine homogene Nation bilden, so sind sie
doch vor allem eine Aggregation kleiner Staaten, von denen jeder seine beson¬
dere Hauptstadt und seinen eigenen Herd der Thätigkeit besitzt; kein Land der
Welt ähnelt hierin den Vereinigten Staaten, nicht einmal Deutschland bis 1866
ausgenommen; vielleicht auch, aber in weit geringerem Maße, Italien; in Eng¬
land und Frankreich besonders wird die öffentliche Meinung nur von den
großen Blättern der Hauptstädte beeinflußt, die Provinzialorgane ganz und
gar in den Schatten gestellt und zu einfachen Anzeigern reducirt. Aus der
eigenthümlichen Gestaltung der Vereinigten Staaten geht cousequenter Weise
hervor, daß keine Stadt auch nur irgend einen ernstlichen Einfluß über einen
gewissen Umkreis hinaus ausübt, vor allem aber, daß es nicht, wie in
Frankreich, eine Hauptstadt gibt, welche alle Kräfte des Landes an sich zieht
und von der dann, naturgemäß als Rückgabe, ein präponderirender Impuls
ausgehen muß. Unter allen amerikanischen Journalen genießen nur die zu
Washington erscheinenden gewisse Vortheile und Chancen, die mit dem Sitze
der Regierungsgewalt zusammenhängen; doch alles in allem genommen, ver-


blätter, 35 wöchentliche, 12 halbwöchcntliche, oder 1 Zeitung auf 14,125 Personen; Nord-
Carolina 26 Wochenblätter, 1 halbwöchentliches, oder 1 Zeitung auf 17,500 Personen; was
eine Durchschnittssumme für die damaligen Sclavenstaaten von einer Zeitung auf 10,787
Freie (die Schwarzen find in dieser Berechnung nicht mitgezählt) ergibt, und in den freien
Staaten 1 Zeitung auf 8285 Personen.

Die statistischen Details, in die wir eingetreten, sind Zeugnisse eines wun¬
derbaren Fortschritts: man muß aber auch, um gerecht zu sein, hinzufügen,
daß die amerikanische Presse sich nicht vermehrte, ohne sich zu verbessern. Sie
ist heute unendlich viel besser als vor 30 Jahren, und diese Verbesserung hat
sie vor allem dem im Jahre 1782 geborenen großen Journalisten Robert
Walsh zu danken, der 18 l7 zu Philadelphia den American Register gründete,
sowie den drei intelligenten Redacteuren des New-Uork-American, King,
Hamilton und Verplan!, so daß heute auf dem ganzen weiten Gebiet der
Vereinigten Staaten eine große Menge Journale mit großer Ehrbarkeit und
bedeutendem Talent redigirt werden. und von ihnen ein jedes in seinem Wir¬
kungskreis einen großen Einfluß besitzt. Von New-Uorker Zeitungen er¬
wähnen wir nur: Courier and Enquirer, Evening Post, Journal of Commerce,
Commercial Advertiser, Herald; zu Boston, Courier und Atlas; zu Phila¬
delphia. United american Gazette und Ledger. Doch keines dieser Blätter
hat, sei es nun als politisches Organ, sei es als commercielle Unternehmung,
die Bedeutung eines der großen Londoner oder Pariser Journale, noch übt
es auch nur annähernd einen so directen und mächtigen Einfluß auf die
öffentliche Meinung aus, wie jene. Die Ursache dieses unvermeidlich geringen
Gewichtes liegt im wesentlichen in der politischen Constitution des Landes.
Obgleich die Vereinigten Staaten eine homogene Nation bilden, so sind sie
doch vor allem eine Aggregation kleiner Staaten, von denen jeder seine beson¬
dere Hauptstadt und seinen eigenen Herd der Thätigkeit besitzt; kein Land der
Welt ähnelt hierin den Vereinigten Staaten, nicht einmal Deutschland bis 1866
ausgenommen; vielleicht auch, aber in weit geringerem Maße, Italien; in Eng¬
land und Frankreich besonders wird die öffentliche Meinung nur von den
großen Blättern der Hauptstädte beeinflußt, die Provinzialorgane ganz und
gar in den Schatten gestellt und zu einfachen Anzeigern reducirt. Aus der
eigenthümlichen Gestaltung der Vereinigten Staaten geht cousequenter Weise
hervor, daß keine Stadt auch nur irgend einen ernstlichen Einfluß über einen
gewissen Umkreis hinaus ausübt, vor allem aber, daß es nicht, wie in
Frankreich, eine Hauptstadt gibt, welche alle Kräfte des Landes an sich zieht
und von der dann, naturgemäß als Rückgabe, ein präponderirender Impuls
ausgehen muß. Unter allen amerikanischen Journalen genießen nur die zu
Washington erscheinenden gewisse Vortheile und Chancen, die mit dem Sitze
der Regierungsgewalt zusammenhängen; doch alles in allem genommen, ver-


blätter, 35 wöchentliche, 12 halbwöchcntliche, oder 1 Zeitung auf 14,125 Personen; Nord-
Carolina 26 Wochenblätter, 1 halbwöchentliches, oder 1 Zeitung auf 17,500 Personen; was
eine Durchschnittssumme für die damaligen Sclavenstaaten von einer Zeitung auf 10,787
Freie (die Schwarzen find in dieser Berechnung nicht mitgezählt) ergibt, und in den freien
Staaten 1 Zeitung auf 8285 Personen.
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[0509] Die statistischen Details, in die wir eingetreten, sind Zeugnisse eines wun¬ derbaren Fortschritts: man muß aber auch, um gerecht zu sein, hinzufügen, daß die amerikanische Presse sich nicht vermehrte, ohne sich zu verbessern. Sie ist heute unendlich viel besser als vor 30 Jahren, und diese Verbesserung hat sie vor allem dem im Jahre 1782 geborenen großen Journalisten Robert Walsh zu danken, der 18 l7 zu Philadelphia den American Register gründete, sowie den drei intelligenten Redacteuren des New-Uork-American, King, Hamilton und Verplan!, so daß heute auf dem ganzen weiten Gebiet der Vereinigten Staaten eine große Menge Journale mit großer Ehrbarkeit und bedeutendem Talent redigirt werden. und von ihnen ein jedes in seinem Wir¬ kungskreis einen großen Einfluß besitzt. Von New-Uorker Zeitungen er¬ wähnen wir nur: Courier and Enquirer, Evening Post, Journal of Commerce, Commercial Advertiser, Herald; zu Boston, Courier und Atlas; zu Phila¬ delphia. United american Gazette und Ledger. Doch keines dieser Blätter hat, sei es nun als politisches Organ, sei es als commercielle Unternehmung, die Bedeutung eines der großen Londoner oder Pariser Journale, noch übt es auch nur annähernd einen so directen und mächtigen Einfluß auf die öffentliche Meinung aus, wie jene. Die Ursache dieses unvermeidlich geringen Gewichtes liegt im wesentlichen in der politischen Constitution des Landes. Obgleich die Vereinigten Staaten eine homogene Nation bilden, so sind sie doch vor allem eine Aggregation kleiner Staaten, von denen jeder seine beson¬ dere Hauptstadt und seinen eigenen Herd der Thätigkeit besitzt; kein Land der Welt ähnelt hierin den Vereinigten Staaten, nicht einmal Deutschland bis 1866 ausgenommen; vielleicht auch, aber in weit geringerem Maße, Italien; in Eng¬ land und Frankreich besonders wird die öffentliche Meinung nur von den großen Blättern der Hauptstädte beeinflußt, die Provinzialorgane ganz und gar in den Schatten gestellt und zu einfachen Anzeigern reducirt. Aus der eigenthümlichen Gestaltung der Vereinigten Staaten geht cousequenter Weise hervor, daß keine Stadt auch nur irgend einen ernstlichen Einfluß über einen gewissen Umkreis hinaus ausübt, vor allem aber, daß es nicht, wie in Frankreich, eine Hauptstadt gibt, welche alle Kräfte des Landes an sich zieht und von der dann, naturgemäß als Rückgabe, ein präponderirender Impuls ausgehen muß. Unter allen amerikanischen Journalen genießen nur die zu Washington erscheinenden gewisse Vortheile und Chancen, die mit dem Sitze der Regierungsgewalt zusammenhängen; doch alles in allem genommen, ver- blätter, 35 wöchentliche, 12 halbwöchcntliche, oder 1 Zeitung auf 14,125 Personen; Nord- Carolina 26 Wochenblätter, 1 halbwöchentliches, oder 1 Zeitung auf 17,500 Personen; was eine Durchschnittssumme für die damaligen Sclavenstaaten von einer Zeitung auf 10,787 Freie (die Schwarzen find in dieser Berechnung nicht mitgezählt) ergibt, und in den freien Staaten 1 Zeitung auf 8285 Personen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/509>, abgerufen am 25.07.2024.