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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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war der "Föderalist", an dem Jay undMadison Theil nahmen, dessen grö߬
ter Theil aber von Hamilton geschrieben wurde. Dieses Journal machte sich
zur Hauptaufgabe, die junge Konstitution zu commentiren und zu vertheidigen,
und der Menge den Mechanismus derselben zu erklären, sowie die eontra-
dictorischen Angriffe zurückzuweisen, denen der neue Pact vom ersten Tage an
ausgesetzt war. Keine leichte Aufgabe ist, dem Verständniß der Menge die
höchsten Principien der Staatsverwaltung und der Politik darzulegen; doch
Hamilton entledigte sich derselben mit seltenem Glück, und der Federalist, ein
Meisterwerk der Analyse, der Klarheit und Schärfe, wird so lange leben, wie
die Konstitution, deren leuchtender Commentar er ist und deren Annahme er
herbeiführte.

Dies war das letzte literarische Unternehmen Hamilton's, den das Ver¬
trauen Washington's, der inzwischen Präsident geworden war, zu hohen
Staatsämtern berief, in denen ihm keine Zeit zum Schriftstellern mehr blieb.
Nach dem Autor des "Federalist" findet man nur noch zwei politische
Schriftsteller, die einer Erwähnung verdienen, Fisher Auch und I. Quincy
Adams, von denen der Erste unter dem Pseudonym Publicola, der zweite
unter dem von Marcellus im Boston Journal ihre Lorbeeren errangen. Als
nun die bedeutenden Männer, die noch hin und wieder in den ersten Zeiten
des Verfalls der Presse geleuchtet hatten, aus der Zahl der Publicisten ge¬
schieden waren, da sank der Ton der amerikanischen Journale über alle Ma¬
ßen tief herab. Der Stil, den man während der französischen Revolution
adoptirte, ähnlich wie die schamlosen Ausfälle der französischen Blätter gegen
Deutschland, geben nur einen schwachen Begriff von dem, wie man damals schrieb.
Kaum ist zu verstehen, wie ein civilisirtes Volk inmitten eines tiefen Friedens
und eines stets wachsenden Reichthums so lange Zeit geduldig und ohne
sichtbaren Widerwillen ein so reguläres System von Verleumdungen und
Schmähungen gegen alle seine Functionäre, alle seine Magistratspersonen,
alle seine öffentlichen Männer ertragen konnte. Nicht ein Journal vermochte
dieser Ansteckung zu widerstehen, selbst nicht die National Gazette, welche, von
Jefferson und Madison in Virginien gegründet, in ihren Angriffen gegen
Washington alle Grenzen des Anstandes überschritt; doch das gemeinste aller
Blätter war die "Aurora" zu Philadelphia, ein Journal, welches, leider muß
es gesagt werden, durch den Enkel Franklin's, Benjamin F. Bache, den letz¬
ten und unwürdigen Erben dieses glorreichen Namens, redigirr wurde. Doch
nicht allein der Rücktritt und das Aussterben der großen Männer waren die
Ursachen des Verfalls der Presse, noch zwei andere Umstände trugen mächtig
dazu bei. Erstens die Menge kleiner Staaten, die alle ohne Ausnahme dem
gröbsten Particularismus huldigten und dadurch auf die Kirchthurmsinteressen,
ihrer Leser speculirten; anstatt sie zur Besprechung großer allgemeiner Fragen


war der „Föderalist", an dem Jay undMadison Theil nahmen, dessen grö߬
ter Theil aber von Hamilton geschrieben wurde. Dieses Journal machte sich
zur Hauptaufgabe, die junge Konstitution zu commentiren und zu vertheidigen,
und der Menge den Mechanismus derselben zu erklären, sowie die eontra-
dictorischen Angriffe zurückzuweisen, denen der neue Pact vom ersten Tage an
ausgesetzt war. Keine leichte Aufgabe ist, dem Verständniß der Menge die
höchsten Principien der Staatsverwaltung und der Politik darzulegen; doch
Hamilton entledigte sich derselben mit seltenem Glück, und der Federalist, ein
Meisterwerk der Analyse, der Klarheit und Schärfe, wird so lange leben, wie
die Konstitution, deren leuchtender Commentar er ist und deren Annahme er
herbeiführte.

Dies war das letzte literarische Unternehmen Hamilton's, den das Ver¬
trauen Washington's, der inzwischen Präsident geworden war, zu hohen
Staatsämtern berief, in denen ihm keine Zeit zum Schriftstellern mehr blieb.
Nach dem Autor des „Federalist" findet man nur noch zwei politische
Schriftsteller, die einer Erwähnung verdienen, Fisher Auch und I. Quincy
Adams, von denen der Erste unter dem Pseudonym Publicola, der zweite
unter dem von Marcellus im Boston Journal ihre Lorbeeren errangen. Als
nun die bedeutenden Männer, die noch hin und wieder in den ersten Zeiten
des Verfalls der Presse geleuchtet hatten, aus der Zahl der Publicisten ge¬
schieden waren, da sank der Ton der amerikanischen Journale über alle Ma¬
ßen tief herab. Der Stil, den man während der französischen Revolution
adoptirte, ähnlich wie die schamlosen Ausfälle der französischen Blätter gegen
Deutschland, geben nur einen schwachen Begriff von dem, wie man damals schrieb.
Kaum ist zu verstehen, wie ein civilisirtes Volk inmitten eines tiefen Friedens
und eines stets wachsenden Reichthums so lange Zeit geduldig und ohne
sichtbaren Widerwillen ein so reguläres System von Verleumdungen und
Schmähungen gegen alle seine Functionäre, alle seine Magistratspersonen,
alle seine öffentlichen Männer ertragen konnte. Nicht ein Journal vermochte
dieser Ansteckung zu widerstehen, selbst nicht die National Gazette, welche, von
Jefferson und Madison in Virginien gegründet, in ihren Angriffen gegen
Washington alle Grenzen des Anstandes überschritt; doch das gemeinste aller
Blätter war die „Aurora" zu Philadelphia, ein Journal, welches, leider muß
es gesagt werden, durch den Enkel Franklin's, Benjamin F. Bache, den letz¬
ten und unwürdigen Erben dieses glorreichen Namens, redigirr wurde. Doch
nicht allein der Rücktritt und das Aussterben der großen Männer waren die
Ursachen des Verfalls der Presse, noch zwei andere Umstände trugen mächtig
dazu bei. Erstens die Menge kleiner Staaten, die alle ohne Ausnahme dem
gröbsten Particularismus huldigten und dadurch auf die Kirchthurmsinteressen,
ihrer Leser speculirten; anstatt sie zur Besprechung großer allgemeiner Fragen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/507>, abgerufen am 25.07.2024.