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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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klären; die Verdienste dieses ebenso großen wie unermüdlichen und braven
Mannes sind in Europa noch immer nicht genug bekannt. Der Krieg hatte
alle Jnconvenienzen der improvisirten Regierung, welche die Vereinigten
Staaten lenkte, klar dargethan. Der Mangel aller Oberleitung und Einheit
im Commando, die Conflicte zwischen dem Congreß und den Staatenversamm¬
lungen, die steten Scharmützel zwischen den Autoritäten, deren Ursprung ein
verschiedener war, hatten zu wiederholten malen die Sache der Colonien com-
promittirt. Hamilton war einer der Ersten, die sich damit beschäftigten, ein
Heilmittel für diese Uebel aufzusuchen. Um ihn herum wogten die Geister
mit tausend chimärischen Combinationen: die große Mehrzahl dachte daran,
die schwache, hinfällige Kraft des Kongresses noch zu vermindern, andere da¬
gegen waren bereit, die provinziale Souveränität ohne weiteres aufzugeben.
Das durchdringende Auge Hamilton's sah das Heil der jungen Republik
allein in der besseren Vertheilung der Attribute, welche die Verwaltung den
localen Assembleen beließen und dem Congresse die allgemeinen Interessen
ganz und gar anvertrauten, und, indem sie die gegenseitige Unabhängigkeit
der alten Colonien respectirten, eine dauerhafte Föderation an die Stelle einer
precären Allianz setzten. Hamilton gründete ein Journal um seine Ideen
erponiren zu können und nannte es "Continentalist", damit seiner Lieblings¬
theorie über die Einheit der amerikanischen Nation eine Art Ehrenbezeigung
erweisend. Die meisten Nummern dieses Journals, oder vielmehr dieser
periodischen Publication, sind heute nicht mehr aufzufinden, aber diejenigen,
welche man noch aufbewahrt hat, genügen, um die Ansichten des Autors fest¬
zustellen: der Verfasser zeigt in ihnen offen und klar alle Fehler der bestehen¬
den Regierung und bricht der Konstitution, die heute die Vereinigten Staaten
regiert, Bahn, indem er ihre Grundlagen entwirft. Auf den Continentalist
folgten die I^vttcirs ot klwoion, die in einem New-Uorker Journal veröffent¬
licht wurden, aus Anlaß eines Gesetzes, das der Congreß erlassen und wel¬
ches über alle dem Mutterlande treu gebliebenen Amerikaner ein Verban¬
nungsurtheil und Güterconfiscation aussprach. Tief grämte sich der edele
Hamilton darüber, daß man den Sieg des Volkes durch unnütze Verbannungs-
decrete entwürdigen wollte, und mit aller Beredtsamkeit seines Herzens griff
er diese Maßregel an; doch, wer möchte heute glauben, daß dieses edelmüthige
Auftreten ihm beinahe das Leben gekostet hätte. Einige exaltirte junge Re¬
publikaner in New-Uork nämlich hatten den unheilvollen Vorsatz gefaßt, ihn
für seine Vertheidigung der Loyalisten zu todten, ein Vorsatz, der glücklicher
Weise durch eine zeitige Warnung vereitelt wurde.

Als die mit der Ausarbeitung der Convention beauftragte Commission
zusammentrat, erschien ein Blatt, dessen Name unsterblich geworden ist; es


klären; die Verdienste dieses ebenso großen wie unermüdlichen und braven
Mannes sind in Europa noch immer nicht genug bekannt. Der Krieg hatte
alle Jnconvenienzen der improvisirten Regierung, welche die Vereinigten
Staaten lenkte, klar dargethan. Der Mangel aller Oberleitung und Einheit
im Commando, die Conflicte zwischen dem Congreß und den Staatenversamm¬
lungen, die steten Scharmützel zwischen den Autoritäten, deren Ursprung ein
verschiedener war, hatten zu wiederholten malen die Sache der Colonien com-
promittirt. Hamilton war einer der Ersten, die sich damit beschäftigten, ein
Heilmittel für diese Uebel aufzusuchen. Um ihn herum wogten die Geister
mit tausend chimärischen Combinationen: die große Mehrzahl dachte daran,
die schwache, hinfällige Kraft des Kongresses noch zu vermindern, andere da¬
gegen waren bereit, die provinziale Souveränität ohne weiteres aufzugeben.
Das durchdringende Auge Hamilton's sah das Heil der jungen Republik
allein in der besseren Vertheilung der Attribute, welche die Verwaltung den
localen Assembleen beließen und dem Congresse die allgemeinen Interessen
ganz und gar anvertrauten, und, indem sie die gegenseitige Unabhängigkeit
der alten Colonien respectirten, eine dauerhafte Föderation an die Stelle einer
precären Allianz setzten. Hamilton gründete ein Journal um seine Ideen
erponiren zu können und nannte es „Continentalist", damit seiner Lieblings¬
theorie über die Einheit der amerikanischen Nation eine Art Ehrenbezeigung
erweisend. Die meisten Nummern dieses Journals, oder vielmehr dieser
periodischen Publication, sind heute nicht mehr aufzufinden, aber diejenigen,
welche man noch aufbewahrt hat, genügen, um die Ansichten des Autors fest¬
zustellen: der Verfasser zeigt in ihnen offen und klar alle Fehler der bestehen¬
den Regierung und bricht der Konstitution, die heute die Vereinigten Staaten
regiert, Bahn, indem er ihre Grundlagen entwirft. Auf den Continentalist
folgten die I^vttcirs ot klwoion, die in einem New-Uorker Journal veröffent¬
licht wurden, aus Anlaß eines Gesetzes, das der Congreß erlassen und wel¬
ches über alle dem Mutterlande treu gebliebenen Amerikaner ein Verban¬
nungsurtheil und Güterconfiscation aussprach. Tief grämte sich der edele
Hamilton darüber, daß man den Sieg des Volkes durch unnütze Verbannungs-
decrete entwürdigen wollte, und mit aller Beredtsamkeit seines Herzens griff
er diese Maßregel an; doch, wer möchte heute glauben, daß dieses edelmüthige
Auftreten ihm beinahe das Leben gekostet hätte. Einige exaltirte junge Re¬
publikaner in New-Uork nämlich hatten den unheilvollen Vorsatz gefaßt, ihn
für seine Vertheidigung der Loyalisten zu todten, ein Vorsatz, der glücklicher
Weise durch eine zeitige Warnung vereitelt wurde.

Als die mit der Ausarbeitung der Convention beauftragte Commission
zusammentrat, erschien ein Blatt, dessen Name unsterblich geworden ist; es


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[0506] klären; die Verdienste dieses ebenso großen wie unermüdlichen und braven Mannes sind in Europa noch immer nicht genug bekannt. Der Krieg hatte alle Jnconvenienzen der improvisirten Regierung, welche die Vereinigten Staaten lenkte, klar dargethan. Der Mangel aller Oberleitung und Einheit im Commando, die Conflicte zwischen dem Congreß und den Staatenversamm¬ lungen, die steten Scharmützel zwischen den Autoritäten, deren Ursprung ein verschiedener war, hatten zu wiederholten malen die Sache der Colonien com- promittirt. Hamilton war einer der Ersten, die sich damit beschäftigten, ein Heilmittel für diese Uebel aufzusuchen. Um ihn herum wogten die Geister mit tausend chimärischen Combinationen: die große Mehrzahl dachte daran, die schwache, hinfällige Kraft des Kongresses noch zu vermindern, andere da¬ gegen waren bereit, die provinziale Souveränität ohne weiteres aufzugeben. Das durchdringende Auge Hamilton's sah das Heil der jungen Republik allein in der besseren Vertheilung der Attribute, welche die Verwaltung den localen Assembleen beließen und dem Congresse die allgemeinen Interessen ganz und gar anvertrauten, und, indem sie die gegenseitige Unabhängigkeit der alten Colonien respectirten, eine dauerhafte Föderation an die Stelle einer precären Allianz setzten. Hamilton gründete ein Journal um seine Ideen erponiren zu können und nannte es „Continentalist", damit seiner Lieblings¬ theorie über die Einheit der amerikanischen Nation eine Art Ehrenbezeigung erweisend. Die meisten Nummern dieses Journals, oder vielmehr dieser periodischen Publication, sind heute nicht mehr aufzufinden, aber diejenigen, welche man noch aufbewahrt hat, genügen, um die Ansichten des Autors fest¬ zustellen: der Verfasser zeigt in ihnen offen und klar alle Fehler der bestehen¬ den Regierung und bricht der Konstitution, die heute die Vereinigten Staaten regiert, Bahn, indem er ihre Grundlagen entwirft. Auf den Continentalist folgten die I^vttcirs ot klwoion, die in einem New-Uorker Journal veröffent¬ licht wurden, aus Anlaß eines Gesetzes, das der Congreß erlassen und wel¬ ches über alle dem Mutterlande treu gebliebenen Amerikaner ein Verban¬ nungsurtheil und Güterconfiscation aussprach. Tief grämte sich der edele Hamilton darüber, daß man den Sieg des Volkes durch unnütze Verbannungs- decrete entwürdigen wollte, und mit aller Beredtsamkeit seines Herzens griff er diese Maßregel an; doch, wer möchte heute glauben, daß dieses edelmüthige Auftreten ihm beinahe das Leben gekostet hätte. Einige exaltirte junge Re¬ publikaner in New-Uork nämlich hatten den unheilvollen Vorsatz gefaßt, ihn für seine Vertheidigung der Loyalisten zu todten, ein Vorsatz, der glücklicher Weise durch eine zeitige Warnung vereitelt wurde. Als die mit der Ausarbeitung der Convention beauftragte Commission zusammentrat, erschien ein Blatt, dessen Name unsterblich geworden ist; es

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/506>, abgerufen am 25.07.2024.