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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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Nur gegenüber sieht er aus einer Capelle das "Himmelslicht trüb durch
gemalte Scheiben brechen." Außerdem muthen ihn die niedrigen Ge¬
wölbe und dicken Pfeiler schon jetzt recht mittelalterlich mystisch, oder
auch stygisch an, etwa wie die unterirdischen Salzgruben bei Berchtes-
gaden. Doch ehe man sich dem vollen Eindruck hingibt, betrachtet man,
so gut es geht, die zwei Grabmonumente, die zunächst an der Wand
stehen. Zunächst das Grab der Familie Cerchi von Florenz. Auf zwei
Consolen ruht der oblong viereckige Sarg mit antikisirenden Gliedern,
doch zugleich an seiner Vorderseite mit in einander geflochtenen gothischen
Bögen und gewundenen Säulchen geschmückt. Darauf ruht die Aschenurne,
eine porphyrne Amphora von kräftigen römischen Formen. Diese ist über¬
dacht von einem spitzgiebligen Baldachin mit Kleeblattausschnitt, der theils
auf zwei gewundenen korinthischen Säulen, theils auf zwei Wandconsolen
ruht. Das Innere bildet ein Kreuzgewölbe. Das Ganze hat wohlgefällige
und energische Verhältnisse, besonders macht die Urne einen feierlichen Ein¬
druck, und sagt mehr, als sonst Figuren und Inschrift zusammen. -- Gleich
daneben steht das Grab der Heeuba von Lusignan, Königin von Cypern,
welche im Jahre 1243 starb. Dasselbe hat viel Aehnlichkeit in der Anlage
mit dem im letzten Brief beschriebenen Grab des Papstes Benedict XI. in Pe¬
rugia, ist aber sowohl in den Figuren, wie in den architektonischen Details
viel roher und schablonenhafter behandelt, obwohl es älter und daher origi¬
naler ist. Auf einem mehrfach gegliederten und mit verschiedenfarbigem
Marmor getäfelten Postament antikisirender Profilirung erhebt sich auf vier
eckigen Marmorpilastern der Baldachin, der dem eben beschriebenen verwandt
ist, nur daß noch Seitenthürmchen ihn schmücken, eine hohe Kreuzblume die
Spitze krönt und die Arbeit roher ist. Innerhalb des Baldachins steht zu¬
nächst die Bahre mit der Todten, vor welcher zwei unbeholfene Engel einen
Vorhang zurückziehen. Darüber sind ziemlich unorganisch auf Wandconsolen
über einander aufgebaut, links die Königin, die auf einem Löwen, wohl
ihrem Emblem, steht, rechts zu oberst die segnende Madonna.

Wir thaten einige Schritte vorwärts und wandten uns nach links, und
nun sahen wir den ganzen dreischiffigen Kirchenraum vor uns, gedämpft be¬
leuchtet von den herrlichen bunten Fenstern, sowie den rothen Ampeln der
verschiedenen Capellen und des Hochaltars. Hinter diesem hervor schimmerten
die reich vergoldeten Holzschnitzereien und Constructionen des Chors. Die
massigen Pfeiler, tiefen farbigen Gewölbe und zahlreichen Capellenvertiefungen
trugen dazu bei, den Eindruck zu erhöhen, ebenso wie die Schattengestalten
der Andächtigen, die hie und da vorbeihuschten, oder als kaum erkennbare
Masse auf dem Boden knieten. Doch bildete die uns eingeborne Prosa, sowie
die Wißbegierde vorläufig noch eine Kruste um unser Herz, weßhalb wir denn


Grcnzvotcn II. 1871. 59

Nur gegenüber sieht er aus einer Capelle das „Himmelslicht trüb durch
gemalte Scheiben brechen." Außerdem muthen ihn die niedrigen Ge¬
wölbe und dicken Pfeiler schon jetzt recht mittelalterlich mystisch, oder
auch stygisch an, etwa wie die unterirdischen Salzgruben bei Berchtes-
gaden. Doch ehe man sich dem vollen Eindruck hingibt, betrachtet man,
so gut es geht, die zwei Grabmonumente, die zunächst an der Wand
stehen. Zunächst das Grab der Familie Cerchi von Florenz. Auf zwei
Consolen ruht der oblong viereckige Sarg mit antikisirenden Gliedern,
doch zugleich an seiner Vorderseite mit in einander geflochtenen gothischen
Bögen und gewundenen Säulchen geschmückt. Darauf ruht die Aschenurne,
eine porphyrne Amphora von kräftigen römischen Formen. Diese ist über¬
dacht von einem spitzgiebligen Baldachin mit Kleeblattausschnitt, der theils
auf zwei gewundenen korinthischen Säulen, theils auf zwei Wandconsolen
ruht. Das Innere bildet ein Kreuzgewölbe. Das Ganze hat wohlgefällige
und energische Verhältnisse, besonders macht die Urne einen feierlichen Ein¬
druck, und sagt mehr, als sonst Figuren und Inschrift zusammen. — Gleich
daneben steht das Grab der Heeuba von Lusignan, Königin von Cypern,
welche im Jahre 1243 starb. Dasselbe hat viel Aehnlichkeit in der Anlage
mit dem im letzten Brief beschriebenen Grab des Papstes Benedict XI. in Pe¬
rugia, ist aber sowohl in den Figuren, wie in den architektonischen Details
viel roher und schablonenhafter behandelt, obwohl es älter und daher origi¬
naler ist. Auf einem mehrfach gegliederten und mit verschiedenfarbigem
Marmor getäfelten Postament antikisirender Profilirung erhebt sich auf vier
eckigen Marmorpilastern der Baldachin, der dem eben beschriebenen verwandt
ist, nur daß noch Seitenthürmchen ihn schmücken, eine hohe Kreuzblume die
Spitze krönt und die Arbeit roher ist. Innerhalb des Baldachins steht zu¬
nächst die Bahre mit der Todten, vor welcher zwei unbeholfene Engel einen
Vorhang zurückziehen. Darüber sind ziemlich unorganisch auf Wandconsolen
über einander aufgebaut, links die Königin, die auf einem Löwen, wohl
ihrem Emblem, steht, rechts zu oberst die segnende Madonna.

Wir thaten einige Schritte vorwärts und wandten uns nach links, und
nun sahen wir den ganzen dreischiffigen Kirchenraum vor uns, gedämpft be¬
leuchtet von den herrlichen bunten Fenstern, sowie den rothen Ampeln der
verschiedenen Capellen und des Hochaltars. Hinter diesem hervor schimmerten
die reich vergoldeten Holzschnitzereien und Constructionen des Chors. Die
massigen Pfeiler, tiefen farbigen Gewölbe und zahlreichen Capellenvertiefungen
trugen dazu bei, den Eindruck zu erhöhen, ebenso wie die Schattengestalten
der Andächtigen, die hie und da vorbeihuschten, oder als kaum erkennbare
Masse auf dem Boden knieten. Doch bildete die uns eingeborne Prosa, sowie
die Wißbegierde vorläufig noch eine Kruste um unser Herz, weßhalb wir denn


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[0473] Nur gegenüber sieht er aus einer Capelle das „Himmelslicht trüb durch gemalte Scheiben brechen." Außerdem muthen ihn die niedrigen Ge¬ wölbe und dicken Pfeiler schon jetzt recht mittelalterlich mystisch, oder auch stygisch an, etwa wie die unterirdischen Salzgruben bei Berchtes- gaden. Doch ehe man sich dem vollen Eindruck hingibt, betrachtet man, so gut es geht, die zwei Grabmonumente, die zunächst an der Wand stehen. Zunächst das Grab der Familie Cerchi von Florenz. Auf zwei Consolen ruht der oblong viereckige Sarg mit antikisirenden Gliedern, doch zugleich an seiner Vorderseite mit in einander geflochtenen gothischen Bögen und gewundenen Säulchen geschmückt. Darauf ruht die Aschenurne, eine porphyrne Amphora von kräftigen römischen Formen. Diese ist über¬ dacht von einem spitzgiebligen Baldachin mit Kleeblattausschnitt, der theils auf zwei gewundenen korinthischen Säulen, theils auf zwei Wandconsolen ruht. Das Innere bildet ein Kreuzgewölbe. Das Ganze hat wohlgefällige und energische Verhältnisse, besonders macht die Urne einen feierlichen Ein¬ druck, und sagt mehr, als sonst Figuren und Inschrift zusammen. — Gleich daneben steht das Grab der Heeuba von Lusignan, Königin von Cypern, welche im Jahre 1243 starb. Dasselbe hat viel Aehnlichkeit in der Anlage mit dem im letzten Brief beschriebenen Grab des Papstes Benedict XI. in Pe¬ rugia, ist aber sowohl in den Figuren, wie in den architektonischen Details viel roher und schablonenhafter behandelt, obwohl es älter und daher origi¬ naler ist. Auf einem mehrfach gegliederten und mit verschiedenfarbigem Marmor getäfelten Postament antikisirender Profilirung erhebt sich auf vier eckigen Marmorpilastern der Baldachin, der dem eben beschriebenen verwandt ist, nur daß noch Seitenthürmchen ihn schmücken, eine hohe Kreuzblume die Spitze krönt und die Arbeit roher ist. Innerhalb des Baldachins steht zu¬ nächst die Bahre mit der Todten, vor welcher zwei unbeholfene Engel einen Vorhang zurückziehen. Darüber sind ziemlich unorganisch auf Wandconsolen über einander aufgebaut, links die Königin, die auf einem Löwen, wohl ihrem Emblem, steht, rechts zu oberst die segnende Madonna. Wir thaten einige Schritte vorwärts und wandten uns nach links, und nun sahen wir den ganzen dreischiffigen Kirchenraum vor uns, gedämpft be¬ leuchtet von den herrlichen bunten Fenstern, sowie den rothen Ampeln der verschiedenen Capellen und des Hochaltars. Hinter diesem hervor schimmerten die reich vergoldeten Holzschnitzereien und Constructionen des Chors. Die massigen Pfeiler, tiefen farbigen Gewölbe und zahlreichen Capellenvertiefungen trugen dazu bei, den Eindruck zu erhöhen, ebenso wie die Schattengestalten der Andächtigen, die hie und da vorbeihuschten, oder als kaum erkennbare Masse auf dem Boden knieten. Doch bildete die uns eingeborne Prosa, sowie die Wißbegierde vorläufig noch eine Kruste um unser Herz, weßhalb wir denn Grcnzvotcn II. 1871. 59

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/473>, abgerufen am 25.07.2024.