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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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harmonisch vereinigt sind. Am ersten Fenster rechts deuten die beiden untern
Köpfe etwa auf Giottos Zeit, während die teppichartigen 12 Historien aus
Christi Leben darüber, vorherrschend grün, sodann blau, rosa und gelb,
aus Cimabue's Schule zu sein scheinen. Eine Blume mit kaleidoskopartigem
Muster darüber ist vorherrschend gelb, roth und blau, mit etwas weiß,
gefärbt. -- Die zweite Scheibe, ähnlich in der Anordnung, lebhafter in den
Farben, zeigt Christus durchgehend in rothem Chiton und weißem Mantel.
In jedem Halbstreifen des Fensters geht eine bestimmte Farbenscala durch,
links: Weiß, Noth, Blau, wenig Gelb und Grün, rechts: Gelb, Rosa¬
violett, Grün, wenig Blau. Der Grund ist links blau. rechts grün. Die
Blume mit sehr hübschem geometrischen Muster darüber enthält die Farben :
Roth, Grün, Weiß, Blau. -- Die Meister dieser Glasgemälde haben sich nicht
begnügt, etwa in jedem Theil für sich eine Farbenharmonie herzustellen und
diese Theile dann sorglos zu vereinigen, sondern sie haben einem jeden Theil
zwar einen bestimmten, und in sich abgeschlossenen Charakter gegeben, haben
aber die harmonische Wirkung noch dreifach erhöht durch ein glückliches Con¬
trastiren und Ergänzen der einzelnen Theile unter einander.

Und das noch: während die Mehrzahl der Fenster vom Ende des drei¬
zehnten und Anfang des vierzehnten Jahrhunderts herrühren, befindet sich an
der Mittelwand der Chorapsis ein modernes, und leider auch durch seine rohe
Farbenarroganz und Dissonanz betrübendes Glasfenster. An der dritten und
vierten Scheibe der linken Seitenwand des Langschiffs sind dagegen zwei leuch¬
tende, aber nicht mehr so stilvolle Scheiben des Is. Jahrhunderts zu sehen.
Eines der prächtigsten Producte des 14. Jahrhunderts ist sodann die zweite
Scheibe links, und eine der ältesten (vom 13. Jahrhundert) die erste links.

Die Chorstühle sind keineswegs, wie man nach Burkhardt annehmen
könnte, aus gothischer Zeit, sondern sie wurden um die Mitte des 15. Jahr¬
hunderts hergestellt, von dem Meister Domenico da S, Severino. Bloß um
die Harmonie der Kirche nicht zu stören, hat er die Sitze mit sehr frei behan¬
delten, gothischen Giebeln gekrönt; im Uebrigen ist Alles ächte Frührenaissance
daran, selbst die Muschelfüllungen und Rosetten in den Giebeln. Auch hier
ziehen sich zwei Reihen Sitze hintereinander zu beiden Seiten des Chors hin.
Die Rückenwände der obern Reihe sind abwechselnd mit vorzüglichen Porträt¬
brustbildern und allerlei Geräthschaften, Stillleben sowie perspectivischen An¬
sichten intarsiirt; darüber zieht sich ein feines Rankenfries hin. Die Rück¬
wände der unteren Sitzreihe sind dagegen blos mit schönen Renaissance-Or¬
namenten in Intarsia geschmückt. -- Ebenso sind die Scheidewände und
Lehnen zwischen den einzelnen Sitzen mit schönen Ornamenten in Relief ver¬
ziert und völlig im Renaissancegeschmack profilirr. -- Sehr interessant ist so¬
dann der Bischofssitz an der Mittelwand des Chores, angeblich ein Werk des


harmonisch vereinigt sind. Am ersten Fenster rechts deuten die beiden untern
Köpfe etwa auf Giottos Zeit, während die teppichartigen 12 Historien aus
Christi Leben darüber, vorherrschend grün, sodann blau, rosa und gelb,
aus Cimabue's Schule zu sein scheinen. Eine Blume mit kaleidoskopartigem
Muster darüber ist vorherrschend gelb, roth und blau, mit etwas weiß,
gefärbt. — Die zweite Scheibe, ähnlich in der Anordnung, lebhafter in den
Farben, zeigt Christus durchgehend in rothem Chiton und weißem Mantel.
In jedem Halbstreifen des Fensters geht eine bestimmte Farbenscala durch,
links: Weiß, Noth, Blau, wenig Gelb und Grün, rechts: Gelb, Rosa¬
violett, Grün, wenig Blau. Der Grund ist links blau. rechts grün. Die
Blume mit sehr hübschem geometrischen Muster darüber enthält die Farben :
Roth, Grün, Weiß, Blau. — Die Meister dieser Glasgemälde haben sich nicht
begnügt, etwa in jedem Theil für sich eine Farbenharmonie herzustellen und
diese Theile dann sorglos zu vereinigen, sondern sie haben einem jeden Theil
zwar einen bestimmten, und in sich abgeschlossenen Charakter gegeben, haben
aber die harmonische Wirkung noch dreifach erhöht durch ein glückliches Con¬
trastiren und Ergänzen der einzelnen Theile unter einander.

Und das noch: während die Mehrzahl der Fenster vom Ende des drei¬
zehnten und Anfang des vierzehnten Jahrhunderts herrühren, befindet sich an
der Mittelwand der Chorapsis ein modernes, und leider auch durch seine rohe
Farbenarroganz und Dissonanz betrübendes Glasfenster. An der dritten und
vierten Scheibe der linken Seitenwand des Langschiffs sind dagegen zwei leuch¬
tende, aber nicht mehr so stilvolle Scheiben des Is. Jahrhunderts zu sehen.
Eines der prächtigsten Producte des 14. Jahrhunderts ist sodann die zweite
Scheibe links, und eine der ältesten (vom 13. Jahrhundert) die erste links.

Die Chorstühle sind keineswegs, wie man nach Burkhardt annehmen
könnte, aus gothischer Zeit, sondern sie wurden um die Mitte des 15. Jahr¬
hunderts hergestellt, von dem Meister Domenico da S, Severino. Bloß um
die Harmonie der Kirche nicht zu stören, hat er die Sitze mit sehr frei behan¬
delten, gothischen Giebeln gekrönt; im Uebrigen ist Alles ächte Frührenaissance
daran, selbst die Muschelfüllungen und Rosetten in den Giebeln. Auch hier
ziehen sich zwei Reihen Sitze hintereinander zu beiden Seiten des Chors hin.
Die Rückenwände der obern Reihe sind abwechselnd mit vorzüglichen Porträt¬
brustbildern und allerlei Geräthschaften, Stillleben sowie perspectivischen An¬
sichten intarsiirt; darüber zieht sich ein feines Rankenfries hin. Die Rück¬
wände der unteren Sitzreihe sind dagegen blos mit schönen Renaissance-Or¬
namenten in Intarsia geschmückt. — Ebenso sind die Scheidewände und
Lehnen zwischen den einzelnen Sitzen mit schönen Ornamenten in Relief ver¬
ziert und völlig im Renaissancegeschmack profilirr. — Sehr interessant ist so¬
dann der Bischofssitz an der Mittelwand des Chores, angeblich ein Werk des


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/471>, abgerufen am 25.07.2024.