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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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rer, Devastation, Fury und Robert -- zu vollenden, im Uebrigen aber nur
Fahrzeuge leichterer Gattung zu bauen, wodurch mit Einschluß der eben ge¬
nannten der Tonnengehalt der Flotte um mehr als 22 Tausend Tonnen ver¬
mehrt werden würde. Die Zahl der schweren Geschütze wurde auf 1901 im
activen Dienste disponible angegeben. Durch diese Voranschläge, versichert
Goschen, werde das Land gegen jede Eventualität sicher gestellt werden. Ge¬
gen einzelne Punkte wurden hier von der Opposition wohl Einwendungen
gemacht, aber keiner wurde ernstlich beanstandet und die Positionen bald ge¬
nehmigt.

Derselbe Minister meldete kurz vor Beginn der Osterferien zwei Bills an,
welche eine vollständige Reform der localen Besteuerung und Verwal¬
tung im Lande bezweckten. Aus den sie begleitenden Erläuterungen ging hervor,
die localen Einnahmen der sämmtlichen Gemeinde-Corporationen in England
und Wales über 30 Millionen Pfd. Se. jährlich betragen. Namentlich die
industriellen Städte haben demnach einen ungeheuren Ausschwung gewonnen,
indem die vier hauptsächlich städtischen Grafschaften Lancashire, West-Riding
von N^rkshire, Middlesex und Surrey mehr als 58 Procent der localen
Steuern getragen haben, den Rest das ganze übrige England. Die Lesung
dieser Vorlagen wurde aufgeschoben, weil sich die beiden Häuser über das
Osterfest vertagten, nachdem ihnen der Schatzkanzler die Vorlage des Budgets
bald nach Ostern versprochen hatte. Das Finanzjahr beginnt hier mit dem
1. April. Man sah der Erklärung des Deficits bereits entgegen, das der
neue Etat bringen müßte, und war gespannt darauf, welcher Art der Antrag
für die Deckung desselben sein werde.

Am 20. April legte der Schatzkanzler Löwe dem Unterhause das Budget
vor. In früheren Jahren konnte dabei die angenehme Mittheilung eines
Plus gemacht werden, wodurch die Steuern ermäßigt wurden, und das Mi¬
nisterium Gladstone hatte sich hierdurch in seiner Stellung immer mehr befestigt.
Jetzt hatte der Schatzkanzler ein Minus zu begründen, das mittelbar der
deutsch-französische Krieg herbeiführte. Das war jetzt um so bedenklicher, als
mehrere principielle Abstimmungen für das Ministerium keine besonders große
Majorität ergeben hatten, wie noch zwei Tage zuvor bei einer Cabinetsfrage
über die Entlassung des Admirals Sir Spencer Robinson die Opposition 104
gegen 153 Stimmen abgab, während noch vor wenig Wochen eine Majorität
von 80 Stimmen für das Ministerium gewesen wär. Außer den Erhöhungen
im Militär- und Marine-Etat zeigte das Budget noch mehr Ausgabe-Ver¬
mehrungen, für Unterrichtszwecke, für die Volkszählung u. f. w., im Ganzen
5 Millionen Pfd. Se. mehr als im vorhergehenden Jahre, so daß die ganze
Budget-Ausgabe 72,308,000 Pfd. Se. betrug, während die Einnahmen, ge-
ringer als im Vorjahr, auf nur 69,595,000 Pfd. Se. veranschlagt waren.


rer, Devastation, Fury und Robert — zu vollenden, im Uebrigen aber nur
Fahrzeuge leichterer Gattung zu bauen, wodurch mit Einschluß der eben ge¬
nannten der Tonnengehalt der Flotte um mehr als 22 Tausend Tonnen ver¬
mehrt werden würde. Die Zahl der schweren Geschütze wurde auf 1901 im
activen Dienste disponible angegeben. Durch diese Voranschläge, versichert
Goschen, werde das Land gegen jede Eventualität sicher gestellt werden. Ge¬
gen einzelne Punkte wurden hier von der Opposition wohl Einwendungen
gemacht, aber keiner wurde ernstlich beanstandet und die Positionen bald ge¬
nehmigt.

Derselbe Minister meldete kurz vor Beginn der Osterferien zwei Bills an,
welche eine vollständige Reform der localen Besteuerung und Verwal¬
tung im Lande bezweckten. Aus den sie begleitenden Erläuterungen ging hervor,
die localen Einnahmen der sämmtlichen Gemeinde-Corporationen in England
und Wales über 30 Millionen Pfd. Se. jährlich betragen. Namentlich die
industriellen Städte haben demnach einen ungeheuren Ausschwung gewonnen,
indem die vier hauptsächlich städtischen Grafschaften Lancashire, West-Riding
von N^rkshire, Middlesex und Surrey mehr als 58 Procent der localen
Steuern getragen haben, den Rest das ganze übrige England. Die Lesung
dieser Vorlagen wurde aufgeschoben, weil sich die beiden Häuser über das
Osterfest vertagten, nachdem ihnen der Schatzkanzler die Vorlage des Budgets
bald nach Ostern versprochen hatte. Das Finanzjahr beginnt hier mit dem
1. April. Man sah der Erklärung des Deficits bereits entgegen, das der
neue Etat bringen müßte, und war gespannt darauf, welcher Art der Antrag
für die Deckung desselben sein werde.

Am 20. April legte der Schatzkanzler Löwe dem Unterhause das Budget
vor. In früheren Jahren konnte dabei die angenehme Mittheilung eines
Plus gemacht werden, wodurch die Steuern ermäßigt wurden, und das Mi¬
nisterium Gladstone hatte sich hierdurch in seiner Stellung immer mehr befestigt.
Jetzt hatte der Schatzkanzler ein Minus zu begründen, das mittelbar der
deutsch-französische Krieg herbeiführte. Das war jetzt um so bedenklicher, als
mehrere principielle Abstimmungen für das Ministerium keine besonders große
Majorität ergeben hatten, wie noch zwei Tage zuvor bei einer Cabinetsfrage
über die Entlassung des Admirals Sir Spencer Robinson die Opposition 104
gegen 153 Stimmen abgab, während noch vor wenig Wochen eine Majorität
von 80 Stimmen für das Ministerium gewesen wär. Außer den Erhöhungen
im Militär- und Marine-Etat zeigte das Budget noch mehr Ausgabe-Ver¬
mehrungen, für Unterrichtszwecke, für die Volkszählung u. f. w., im Ganzen
5 Millionen Pfd. Se. mehr als im vorhergehenden Jahre, so daß die ganze
Budget-Ausgabe 72,308,000 Pfd. Se. betrug, während die Einnahmen, ge-
ringer als im Vorjahr, auf nur 69,595,000 Pfd. Se. veranschlagt waren.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/461>, abgerufen am 25.07.2024.