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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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dive Talent und die frischeste militärische Erfahrung ungehemmt zu benutzen,
und daß die Erwägung der in der Abschaffung des Kaufsystems mit inbe¬
griffenen Kosten die sofortige Abschaffung veralteter und antiquirter Quellen
militärischer Ausgaben dringend erheische.' Der Redner tadelte das General-
Commando, daß es das Kaufsystem nicht bald nach dem Krimkriege abge¬
schafft habe. Dasselbe habe die Erhöhungen im Militärbudget veranlaßt,
was trotzdem das Verlangen nach größeren Rüstungen nicht verhindert habe.
An allen diesen Schäden und Mängeln trügen der Herzog von Cambridge
und die Horse Guards (General-Commando) die Schuld. Der Antrag Tre-
velyans wurde von Mr. Anderson unterstützt, welcher ein Abhülfemittel in
der Reducirung der hohen Sold-Scala und der Beseitigung vieler Aemter
fand. Nachdem Mr. Osborne. welcher den Antragsteller beschuldigte, alte
Reden copirt zu haben, Capitän Vivian und der Kriegsminister gegen den
Antrag gesprochen hatten, wurde derselbe mit 201 gegen 83 Stimmen abge¬
lehnt. -- Die Debatte wurde in den Märzsitzungen immer lebhafter, als die
zweite Lesung des Gesetzentwurfs stattfand. Pakington erklärte sich in schar¬
fer Weise gegen denselben; dem Lande erwachse dadurch keine erhöhte Ver¬
theidigungskraft, nur eine erhöhte Ausgabe von 8 Millionen. Das System
des Stellenkaufs habe jede Protection ausgeschlossen, jeden Einfluß des je¬
weilig herrschenden Systems, jede persönliche Gunst oder Ungunst; durch die
Regierungsvorlage würde eine solche Beeinflussung geschaffen. Aehnliche Ge¬
danken sprach Elcho aus, der tadelte, daß weder für ein genügendes Recru-
tirungssystem noch für ausreichende Ausbildung der Reserve Vorsorge ge¬
troffen sei. Disraeli empfahl und unterstützte die zweite Lesung, indem er
die Hoffnung aussprach, der Entwurf werde Verbesserungen in den Comite-
Berathungen erhalten. So wurde denn die zweite Lesung beendet.

Zu den Erhöhungen dieser Organisation traten Mehrausgaben für das
Flotten-Budget von 386.000 Pfd. Se. für das laufende Jahr, welche der
neue Marineminister Göschen, oder Goschen, wie er sich jetzt selbst nennt, der
Nachfolger des kranken Childers, mit großer Ausführlichkeit motivirte. Die
Kosten sämmtlicher Flotten-Etablissements für das Verwaltungsjahr 1871--72
veranschlagt er auf 9,766.000 Pfd. Se.; davon kämen auf Sold, Verprovian-
tirung. Bekleidung und Pensionen 6V2 Millionen, auf Material mit Einschluß
der Geschütze 2"/" Millionen, auf Erweiterung der Werfte etwas über '/" Mil-
lion und der Rest auf diverse Gegenstände. Die Zahl der Matrosen und
Schiffsjungen sei dieselbe. 61.000, aber was von neuen Schiffen gebaut wird,
solle in die Klasse der kleinen leichtgehenden Fahrzeuge gehören, da England
an schweren Panzerschiffen allen übrigen Seemächten lange voraus sei und in
dieser Sphäre keinen ebenbürtigen Gegner zu fürchten habe. Die Regierung
schlage daher vor, die bereits in Angriff genommenen Panzerschiffe -- Thunde-


dive Talent und die frischeste militärische Erfahrung ungehemmt zu benutzen,
und daß die Erwägung der in der Abschaffung des Kaufsystems mit inbe¬
griffenen Kosten die sofortige Abschaffung veralteter und antiquirter Quellen
militärischer Ausgaben dringend erheische.' Der Redner tadelte das General-
Commando, daß es das Kaufsystem nicht bald nach dem Krimkriege abge¬
schafft habe. Dasselbe habe die Erhöhungen im Militärbudget veranlaßt,
was trotzdem das Verlangen nach größeren Rüstungen nicht verhindert habe.
An allen diesen Schäden und Mängeln trügen der Herzog von Cambridge
und die Horse Guards (General-Commando) die Schuld. Der Antrag Tre-
velyans wurde von Mr. Anderson unterstützt, welcher ein Abhülfemittel in
der Reducirung der hohen Sold-Scala und der Beseitigung vieler Aemter
fand. Nachdem Mr. Osborne. welcher den Antragsteller beschuldigte, alte
Reden copirt zu haben, Capitän Vivian und der Kriegsminister gegen den
Antrag gesprochen hatten, wurde derselbe mit 201 gegen 83 Stimmen abge¬
lehnt. — Die Debatte wurde in den Märzsitzungen immer lebhafter, als die
zweite Lesung des Gesetzentwurfs stattfand. Pakington erklärte sich in schar¬
fer Weise gegen denselben; dem Lande erwachse dadurch keine erhöhte Ver¬
theidigungskraft, nur eine erhöhte Ausgabe von 8 Millionen. Das System
des Stellenkaufs habe jede Protection ausgeschlossen, jeden Einfluß des je¬
weilig herrschenden Systems, jede persönliche Gunst oder Ungunst; durch die
Regierungsvorlage würde eine solche Beeinflussung geschaffen. Aehnliche Ge¬
danken sprach Elcho aus, der tadelte, daß weder für ein genügendes Recru-
tirungssystem noch für ausreichende Ausbildung der Reserve Vorsorge ge¬
troffen sei. Disraeli empfahl und unterstützte die zweite Lesung, indem er
die Hoffnung aussprach, der Entwurf werde Verbesserungen in den Comite-
Berathungen erhalten. So wurde denn die zweite Lesung beendet.

Zu den Erhöhungen dieser Organisation traten Mehrausgaben für das
Flotten-Budget von 386.000 Pfd. Se. für das laufende Jahr, welche der
neue Marineminister Göschen, oder Goschen, wie er sich jetzt selbst nennt, der
Nachfolger des kranken Childers, mit großer Ausführlichkeit motivirte. Die
Kosten sämmtlicher Flotten-Etablissements für das Verwaltungsjahr 1871—72
veranschlagt er auf 9,766.000 Pfd. Se.; davon kämen auf Sold, Verprovian-
tirung. Bekleidung und Pensionen 6V2 Millionen, auf Material mit Einschluß
der Geschütze 2»/« Millionen, auf Erweiterung der Werfte etwas über '/« Mil-
lion und der Rest auf diverse Gegenstände. Die Zahl der Matrosen und
Schiffsjungen sei dieselbe. 61.000, aber was von neuen Schiffen gebaut wird,
solle in die Klasse der kleinen leichtgehenden Fahrzeuge gehören, da England
an schweren Panzerschiffen allen übrigen Seemächten lange voraus sei und in
dieser Sphäre keinen ebenbürtigen Gegner zu fürchten habe. Die Regierung
schlage daher vor, die bereits in Angriff genommenen Panzerschiffe — Thunde-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/460>, abgerufen am 25.07.2024.