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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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heute! in Anspruch genommen werden sollte, und hoch und niedrig, reich und
arm verstimmt wird: die Erhöhung des Budgets und die Vermehrung und
Erweiterung der Steuern.

Am 16. Februar legte der Kriegsminister Cardwell eine Bill vor, be¬
treffend die Heeres-Organisation, deren Grundzüge er in zweistündiger
Rede dem Unterhause erläuterte. Nachdem er einen Ueberblick über das Heer¬
wesen in seiner heutigen Verfassung geworfen und die Erhöhung um 2,886,700
Pfd. Se. über die Voranschläge des letzten Jahres erklärt hatte, bemerkte er:
vor der Hand werde die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht nicht be¬
absichtigt; indessen werde die Vorlage eine Bestimmung erhalten, unter der
möglich sei, im Falle der Noth die Wehrpflicht allgemein aufzuerlegen. Er
kündigte dieMbschaffung des Stellenkaufs und die Amalgamirung der Land¬
streitkräfte an, wonach die Milizen und Freiwilligen direct der Krone unter¬
geordnet werden, um ein engeres Zusammenwirken der gesammten Streit¬
kräfte herzustellen. Für die Ausführung der Abschaffung des Stellenkaufes
soll eine Commission zusammentreten, welche die Ansprüche der in der Armee
befindlichen Officiere nicht nur auf die bestimmungsmäßig ihnen beim Aus¬
scheiden zuständigen Preise, sondern auch für die im Laufe der Zeit einge¬
schlichenen eigentlich gesetzwidrigen Zuschlage zu jenen Summen aufzustellen
und beim Rücktritt der einzelnen Officiere abzulösen hat. Da die Zahl der
zum Ausscheiden zuzulassenden Officiere nach einer Durchschnittsrechnung über
die letzten fünf Jahre beschränkt wird, so, vertheilen sich die im Ganzen nöthi¬
gen Ausgaben zu diesem Zwecke, im Betrage von 7.600.000 bis 8.400,000
Pfd. Se. über eine Reihe von Jahren. Der Ersatz an Officieren wird in
Zukunft für die Armee aus den Zöglingen der Militärschule in Sandhurst, aus der
Zahl der durch bestandenes Examen Qualificirten, aus der durch Universitäts¬
diplom von diesem Examen Dispensirten, aus bewährten Milizofsicieren und aus
Cadetten bestehen. Die Beförderung wird nicht nach dem Dienstalter, son¬
dern durch die freie Wahl des Oberbefehlshabers mit Rücksicht auf individuelle
Tüchtigkeit bestimmt und unterliegt der Bestätigung des Kriegsministers. Die
Freiwilligen sollen eine sorgfältigere Ausbildung erfahren und die gelegent¬
lichen Uebungen mit regulären Truppen unter die Kriegsartikel gestellt wer¬
den. Das ganze Land wird in Bezirke getheilt, und die Bezirksbehörden,
an deren Spitze ein Oberst vom Generalstabe tritt, haben den Oberbefehl
über is bis 20,000 Mann Miliz und Freiwillige und zu gleicher Zeit die
Recrutirung für die Armee, so daß die einzelnen Regimenter der verschiedenen
Truppen sich regelmäßig aus derselben Gegend bilden und ergänzen. Die
Heeresstärke wird künftig 470,000 Mann betragen, davon 135.000 Mann
reguläre Truppen, 139,000 Mann Milizen, 14,000 Yeomen, 9000 erster und
3000 zweiter Armeereserve und Verabschiedeter, 170,000 Mann Freiwillige.


heute! in Anspruch genommen werden sollte, und hoch und niedrig, reich und
arm verstimmt wird: die Erhöhung des Budgets und die Vermehrung und
Erweiterung der Steuern.

Am 16. Februar legte der Kriegsminister Cardwell eine Bill vor, be¬
treffend die Heeres-Organisation, deren Grundzüge er in zweistündiger
Rede dem Unterhause erläuterte. Nachdem er einen Ueberblick über das Heer¬
wesen in seiner heutigen Verfassung geworfen und die Erhöhung um 2,886,700
Pfd. Se. über die Voranschläge des letzten Jahres erklärt hatte, bemerkte er:
vor der Hand werde die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht nicht be¬
absichtigt; indessen werde die Vorlage eine Bestimmung erhalten, unter der
möglich sei, im Falle der Noth die Wehrpflicht allgemein aufzuerlegen. Er
kündigte dieMbschaffung des Stellenkaufs und die Amalgamirung der Land¬
streitkräfte an, wonach die Milizen und Freiwilligen direct der Krone unter¬
geordnet werden, um ein engeres Zusammenwirken der gesammten Streit¬
kräfte herzustellen. Für die Ausführung der Abschaffung des Stellenkaufes
soll eine Commission zusammentreten, welche die Ansprüche der in der Armee
befindlichen Officiere nicht nur auf die bestimmungsmäßig ihnen beim Aus¬
scheiden zuständigen Preise, sondern auch für die im Laufe der Zeit einge¬
schlichenen eigentlich gesetzwidrigen Zuschlage zu jenen Summen aufzustellen
und beim Rücktritt der einzelnen Officiere abzulösen hat. Da die Zahl der
zum Ausscheiden zuzulassenden Officiere nach einer Durchschnittsrechnung über
die letzten fünf Jahre beschränkt wird, so, vertheilen sich die im Ganzen nöthi¬
gen Ausgaben zu diesem Zwecke, im Betrage von 7.600.000 bis 8.400,000
Pfd. Se. über eine Reihe von Jahren. Der Ersatz an Officieren wird in
Zukunft für die Armee aus den Zöglingen der Militärschule in Sandhurst, aus der
Zahl der durch bestandenes Examen Qualificirten, aus der durch Universitäts¬
diplom von diesem Examen Dispensirten, aus bewährten Milizofsicieren und aus
Cadetten bestehen. Die Beförderung wird nicht nach dem Dienstalter, son¬
dern durch die freie Wahl des Oberbefehlshabers mit Rücksicht auf individuelle
Tüchtigkeit bestimmt und unterliegt der Bestätigung des Kriegsministers. Die
Freiwilligen sollen eine sorgfältigere Ausbildung erfahren und die gelegent¬
lichen Uebungen mit regulären Truppen unter die Kriegsartikel gestellt wer¬
den. Das ganze Land wird in Bezirke getheilt, und die Bezirksbehörden,
an deren Spitze ein Oberst vom Generalstabe tritt, haben den Oberbefehl
über is bis 20,000 Mann Miliz und Freiwillige und zu gleicher Zeit die
Recrutirung für die Armee, so daß die einzelnen Regimenter der verschiedenen
Truppen sich regelmäßig aus derselben Gegend bilden und ergänzen. Die
Heeresstärke wird künftig 470,000 Mann betragen, davon 135.000 Mann
reguläre Truppen, 139,000 Mann Milizen, 14,000 Yeomen, 9000 erster und
3000 zweiter Armeereserve und Verabschiedeter, 170,000 Mann Freiwillige.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/458>, abgerufen am 24.07.2024.