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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band.

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erst 1722 zurück, indem er es ganz seinem Drucker Bartholomäus Green
überließ. Er lebte dann noch volle 6 Jahre und über seinen Todestag liest
man in dem von ihm gegründeten Blatte am 7. März 1728: "Am vergan¬
genen Montag, den 4. d. Mes. starb hier im Alter von 75 Jahren John
Campbell, Stallmeister, ehemaliger Postdircetor dieser Stadt, während langer
Jahre Herausgeber des Boston News-Letter und einer der Friedensrichter
Sr. Majestät sür die Grafschaft Suffolk." Die Boston Gazette war inzwi¬
schen gleichfalls in andere Hände übergegangen; William Brooker hatte sie.
als er sein Amt als Postdireetor verließ, seinem Nachfolger übergeben. Um
ihre Verbindung mit der Post zu bekunden, erschien die Boston Gazette mit
einer Vignette, die auf der einen Seite ein Schiff und auf der anderen Seite
einen hornblasenden Postillon zeigte. Sie blieb das Postjournal bis 1732.
Ein neuer Director, Namens Hust, der sich mit seinem Vorgänger nicht eini¬
gen konnte, veröffentlichte auf seine Kosten ein Blatt unter dem Titel der
Post-Boy (Postillon) und nahm als Vignette den "Hornbläser", während der
Gazette nur das "Schiff" verblieb. Diese fügte 1732 ihrem Titel noch einen
Nebentitel bei, "Weekly Advertiser", der mit der Zeit dominirte, was zur Folge
hatte, daß sich ein anderes Concurrenzblatt des Titels Boston Gazette be¬
mächtigte, und das erste Blatt, das ihn getragen hatte, fast ganz vergessen
machte. Die Boston Gazette begnügte sich gleich dem News-Letter, dem sie
Concurrenz machte, mit der Publication administrativer Verordnungen, localer
Ereignisse und der Vorräthe und Preise von Cerealien, ohne ihre Neuigkeiten
mit einem Commentar zu begleiten. Sie unterzog die Acte der Behörden
niemals einer Discussion, entsprach also nur auf ganz unvollständige Weise
den Forderungen, die wir heutigen Tages an eine Zeitung stellen.

Sieben Monate aber nach ihrem Erscheinen sah man zu Boston ein
Blatt auftauchen, welches im Gegentheil Originalartikel veröffentlichte, und
in kurzer Zeit thätig in die localen Geschäfte eingreifen, aber auch zum ersten
Mal die Presse den Fängen der Justiz aussetzen und auf sich alle Härten des
Gesetzes herabziehen sollte. Am 17. Juli 1721 erschien zu Boston die erste
Nummer des New - England Courant, gedruckt und herausgegeben von James
Franklin und seinem jüngeren Bruder Benjamin. Vom ersten Tage an
unterschied sich das neue Journal sehr merklich von seinen beiden Vorgängern.
Diese enthielten nur locale Neuigkeiten, Auszüge aus über das Meer gekom¬
menen Briefen, die Marktpreise und einige Annoncen, aber niemals, was
man einen Leitartikel nennt. Der Courant dagegen war ausschließlich aus
Originalartikeln zusammengesetzt, und aus kurzen Abhandlungen über die
Moral oder über die Literatur. England hatte in den Jahren von 1709 bis
1718 den Babbler, den spectator, den Tutor blühen sehen, alles Organe
für Kritik und Moral, die leider nur zu bald durch eine Mausche Gesetz-


erst 1722 zurück, indem er es ganz seinem Drucker Bartholomäus Green
überließ. Er lebte dann noch volle 6 Jahre und über seinen Todestag liest
man in dem von ihm gegründeten Blatte am 7. März 1728: „Am vergan¬
genen Montag, den 4. d. Mes. starb hier im Alter von 75 Jahren John
Campbell, Stallmeister, ehemaliger Postdircetor dieser Stadt, während langer
Jahre Herausgeber des Boston News-Letter und einer der Friedensrichter
Sr. Majestät sür die Grafschaft Suffolk." Die Boston Gazette war inzwi¬
schen gleichfalls in andere Hände übergegangen; William Brooker hatte sie.
als er sein Amt als Postdireetor verließ, seinem Nachfolger übergeben. Um
ihre Verbindung mit der Post zu bekunden, erschien die Boston Gazette mit
einer Vignette, die auf der einen Seite ein Schiff und auf der anderen Seite
einen hornblasenden Postillon zeigte. Sie blieb das Postjournal bis 1732.
Ein neuer Director, Namens Hust, der sich mit seinem Vorgänger nicht eini¬
gen konnte, veröffentlichte auf seine Kosten ein Blatt unter dem Titel der
Post-Boy (Postillon) und nahm als Vignette den „Hornbläser", während der
Gazette nur das „Schiff" verblieb. Diese fügte 1732 ihrem Titel noch einen
Nebentitel bei, „Weekly Advertiser", der mit der Zeit dominirte, was zur Folge
hatte, daß sich ein anderes Concurrenzblatt des Titels Boston Gazette be¬
mächtigte, und das erste Blatt, das ihn getragen hatte, fast ganz vergessen
machte. Die Boston Gazette begnügte sich gleich dem News-Letter, dem sie
Concurrenz machte, mit der Publication administrativer Verordnungen, localer
Ereignisse und der Vorräthe und Preise von Cerealien, ohne ihre Neuigkeiten
mit einem Commentar zu begleiten. Sie unterzog die Acte der Behörden
niemals einer Discussion, entsprach also nur auf ganz unvollständige Weise
den Forderungen, die wir heutigen Tages an eine Zeitung stellen.

Sieben Monate aber nach ihrem Erscheinen sah man zu Boston ein
Blatt auftauchen, welches im Gegentheil Originalartikel veröffentlichte, und
in kurzer Zeit thätig in die localen Geschäfte eingreifen, aber auch zum ersten
Mal die Presse den Fängen der Justiz aussetzen und auf sich alle Härten des
Gesetzes herabziehen sollte. Am 17. Juli 1721 erschien zu Boston die erste
Nummer des New - England Courant, gedruckt und herausgegeben von James
Franklin und seinem jüngeren Bruder Benjamin. Vom ersten Tage an
unterschied sich das neue Journal sehr merklich von seinen beiden Vorgängern.
Diese enthielten nur locale Neuigkeiten, Auszüge aus über das Meer gekom¬
menen Briefen, die Marktpreise und einige Annoncen, aber niemals, was
man einen Leitartikel nennt. Der Courant dagegen war ausschließlich aus
Originalartikeln zusammengesetzt, und aus kurzen Abhandlungen über die
Moral oder über die Literatur. England hatte in den Jahren von 1709 bis
1718 den Babbler, den spectator, den Tutor blühen sehen, alles Organe
für Kritik und Moral, die leider nur zu bald durch eine Mausche Gesetz-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_126315/454>, abgerufen am 25.07.2024.